(Gegenwind 164, Mai 2002)
Als "positives Signal für den Standort Schleswig-Holstein" bezeichnete Heide Simonis den Kabinettsbeschluss vom 26. März, den Flughafen Kiel-Holtenau auszubauen. Die Stadt- und Landebahn soll auf 1799 Meter Länge zuzüglich 300 Meter "Stopway", also den Bremsweg für einen abgebrochenen Start, ausgebaut werden.
Die Zahl verblüfft, hatte doch Wirtschaftsminister Rohwer bereits vorher verkündet, es würde eine neue Startbahnlänge von 1800 Meter erreicht. Der Beschluss stellt einen Kompromiss mit den Grünen dar, die sich vorher festgelegt hatten, dass kein Ausbau nötig ist. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Kompromiss zwischen Nichts und 1800 in der Koalition bei 1799 liegt. Diese Länge bedeutet, dass die Breite der Startbahn bei 30 Meter bleiben kann - ab 1800 Meter Länge müsste sie auch auf 45 Meter verbreitert werden. Zusätzlich wird die Stabilität der Startbahn so ausgelegt, dass nur Flugzeuge unter 50 Tonnen Gewicht starten und landen können. Da soll den Charterverkehr, also die "Urlaubsflieger" ausschließen. Die Geschäftsreisenden sollen durch den Ausbau allerdings die Möglichkeit haben, mit Jets statt mit Propellerflugzeugen zu reisen - wobei bis heute umstritten ist, ob es Fluggesellschaften gibt, die diese Jets einsetzen wollen.
Die Bundesstraße 503, die jetzt dem Flughafenausbau im Wege ist, soll in Zukunft in einer weiten Schleife um das neue Startbahnende herumgeführt werden, diesen Umbau soll, so der Plan, der Bundesverkehrsminister bezahlen. Doch da dieser nur für "Verbesserungen" bezahlt, wird es noch einige Mühe kosten, ihm 600 Meter Umweg und engere Kurven als "Verbesserung" zu verkaufen - zumal die Bundesstraße damit eng an das Schulzentrum Altenholz gelegt werden soll.
Den Umlandgemeinden soll ein Vertrag angeboten werden, der jeden weiteren Ausbau über die 1799 plus 300 Meter hinaus an eine Einstimmigkeit bindet. Diese Beschränkung soll dann in das Grundbuch eingetragen werden. Auch das ist ein Passus des Kabinettsbeschlussen, den letztlich die Grünen durchgesetzt haben.
Und für diesen Ausbau soll jetzt ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden. Auch hier konnten die Grünen eine kleine Änderung des Beschlusses erreichen: Im Planfeststellungsverfahren muss vom Bauherrn dargelegt werden, dass der definierte Ausbauzweck, nämlich Erhalt und Verbesserung des Flughafens für den Geschäftsverkehr, auch anders, weniger aufwändig, zu erreichen ist. Konkret soll geprüft werden, ob eine Startbahnverlängerung auf 1600 Meter oder 1600 plus 300 Meter ausreicht. Da aber auch dafür die Bundessstraße verlegt werden muss, unterscheiden sich die Kosten kaum.
Und damit sind wir beim Thema, das im Kabinettsbeschluss gelöst wird, ohne gelöst zu sein. Hier heißt es nämlich, die Kosten beliefen sich auf 48,4 Millionen Euro. Davon will das Land aus Mitteln der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GA-Mittel) 60 Prozent tragen, normal sind für diesen Fonds 50-Prozent-Zuschüsse. Der Rest soll vom Bund (Verlegung der Bundesstraße) und der Stadt Kiel, dem anderen Anteilseigner der Flughafen-GmbH, kommen. Pech nur: Die Stadt Kiel hat eigentlich durch Ratsbeschluss festgelegt, nur etwas mehr als 17 Millionen DM zu bezahlen - jetzt sind es fast 18 Millionen Euro, die hier vorgesehen sind.
Die Verwendung von GA-Mitteln für dieses Großprojekt (vgl. Vorschlag des Wirtschaftsministers ist unverantwortlich, Gegenwind 163, S. 26) bedeutet natürlich, dass ein paar Dutzend kleinere Projekte nicht finanziert werden können - soweit es die KERN-Region betrifft, sind das hauptsächlich Erschließung von neuen Gewerbegebieten. Die Verdoppelung der Kosten für die Stadt Kiel bedeutet aber, dass dass vorhandene Ansätze im Haushalt, also Reparatur von Straßen, Renovierung von Schulen etc. stark gekürzt werden müssen.
Unklar ist natürlich, was passiert, wenn der Ausbau teurer wird als geplant. Alternative Berechnungen (vgl. Skandalös schlechte Gutachten, Gegenwind 163, S. 29) gehen von bis zu 60 Millionen Euro aus, und in den Berechnungen fehlt bisher auch die Mehrwertsteuer. Da der Zuschuss des Landes als Betrag und nicht als Prozentsatz beschlossen wurde, sind das zusätzliche Kosten, die auf die Stadt Kiel zukommen. Nicht berücksichtigt sind ferner Berechnungen, die mit einer Zunahme des Flugverkehrs auch das Flughafen-Defizit wachsen sehen. Die Landesregierung geht zwar davon aus, dass der Flughafen 8 bis 10 Jahre nach dem Ausbau schwarze Zahlen erreicht, bis dahin ist aber unbestritten das jährliche Defizit größer - die Stadt Kiel müsste bis zu 2 Millionen Euro pro Jahr zuschießen.
Die Reaktionen in der Bürgervereinigung und den einzelnen Bürgerinitiativen waren nach dem Kabinettsbeschluss sehr durchwachsen. Es überwog die Enttäuschung, dass der Ausbau mit den Stimmen der Grünen beschlossen wurde, dazu kam die Enttäuschung, dass es kein Raumordnungsverfahren geben soll. Andere, dazu gehört der BV-Vorsitzende Klaus Reese, hatten im Vorfeld bereits damit gerechnet, dass sich die SPD innerhalb der Koalition durchsetzt, war doch auch von den Grünen bereits vorher gesagt worden, dass ein lokales Thema bei allem Streit nicht zum Scheitern einer Koalition auf Landesebene führen sollte.
So geht man jetzt auf Seiten der Bürgerinitiativen daran, sich mit den Punkten zu beschäftigen, die die Grünen durchsetzen konnten, also die Prüfung der kleineren Ausbau-Variante, die bauliche Verhinderung von Charterflügen und die ungeklärte Kostenfrage. Hier will die Ratsversammlung von Kiel Mitte Mai über de vn städtischen Anteil entscheiden, danach könnte es dann mehr Klarheit geben.
Das nächste Thema für die Bürgerinitiativen ist dann das Planetefeststellungsverfahren selbst. Wenn es jetzt eingeleitet wird, können bis zum Herbst 2004 alle Anhörungen stattgefunden haben, alle Einwendungen sind dann berückdsichtigt oder abgelehnt - und ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit der Klage gegeben. Die Landesregierung hat bereits bekannt gegeben, dass bis zum Herbst 2005 alle Klagen abgewiesen sein werden und der Bau beginnen kann. Und genau hier will die Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung noch ein gewichtiges Wort mitreden.
Reinhard Pohl