(Gegenwind 161, Februar 2002)
Mit dem 11. September 2001 ist noch einmal deutlich geworden, wie gewalttätig und kriegerisch unsere Welt ist. Als Reaktion auf die Anschläge bombardieren US-amerikanische und britische Bomber wochenlang Afghanistan. Krieg wird wieder als normales Mittel der Politik angesehen bzw. hingenommen.
Selbstverständlich verurteilen wir, wie alle Menschen, die sich für ein friedliches und menschenwürdiges Leben weltweit einsetzen, die menschenverachtenden und möglicherweise auch antisemitisch ausgerichteten Anschläge in den USA. Auch zu verurteilen ist die Reaktion der westlichen Staaten. Die Flächenbombardierungen in Afghanistan, der Einsatz von Massenvernichtungsmitteln, von Streu- und Benzinbomben, die alles Leben im Umkreis von 650 Metern auslöschen, widersprechen jeder Behauptung, dass sich die Militärschläge zielgerichtet gegen Terroristen richten würden. So wurden z.B. vier von fünf Hilfslagern des internationalen Roten Kreuzes in Kabul von NATO-Bomben zerstört. Letztlich wurde das Talibanregime durch eine neue - kaum weniger menschenverachtende Regierung - ersetzt.
Hinter diesem "Sieg" geraten die Opfer des Krieges in den Hintergrund. Wir erfahren nicht, wie viele Menschen, Soldaten und Zivilisten, unter den Bombenteppichen elendig verreckt sind. Und wir werden wahrscheinlich nie erfahren, wie viele Opfer unter der afghanischen Bevölkerung die kriegsbedingte Verzögerung der dringend benötigten Hilfslieferungen in diesem Winter fordern wird.
Während der Krieg in Afghanistan noch gar nicht zu Ende ist, immer noch Hunger und Elend herrschen, plant die NATO bereits den nächsten Krieg. Noch ist unklar, ob Irak, Somalia oder ein anderes Land das kommende Ziel ist und wann diese Angriffe beginnen werden. Dass sie aber beginnen werden, ist nicht zu bezweifeln. Die USA und ihre NATO-Verbündeten spielen sich bestärkt durch den Zusammenbruch der Sowjetunion als Weltpolizisten auf, die die eigenen "Werte" und vor allem die eigenen wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen immer öfter auch militärisch durchsetzen. Angefangen vom zweiten Golfkrieg gegen den Irak (1991) über die Intervention in Somalia (1993) und den Krieg gegen Rest-Jugoslawien (1999) startet jetzt der "weltweite Feldzug" (Bush) gegen sogenannte "Schurkenstaaten", die sich den Interessen der US-Außenpolitik widersetzen.
Insbesondere Deutschland erfüllt sich mit diesen Kriegen einen lang ersehnten Wunsch. Endlich kann wieder - losgelöst von den Lehren des zweiten Weltkrieges - auf der internationalen Bühne mitgemischt werden. Dies ist das Ergebnis einer Außenpolitik, die unabhängig von der jeweiligen Regierungskonstellation kontinuierlich an diesem Ziel gearbeitet hat. Die Ziele dieser kriegerischen Außenpolitik sind in den "Verteidigungspolitischen Richtlinien" von 1992 offen genannt: Die Bundeswehr soll u.a. "den ungehinderten Zugang zu Rohstoffen und Märkten in aller Welt" sichern.
Innenpolitisch wird die Tragödie in den USA zur ideologischen Mobilisierung gegen Ausländerinnen und Ausländer sowie gegen demokratische Grundrechte genutzt. Im Schnelldurchlauf werden Maßnahmen und Gesetze durchgepeitscht, für die es in einer anderen Situation nur schwer eine Mehrheit gegeben hätte. Die Aushöhlung des Datenschutzes, die Rasterfahndung, die Ausspähung von Einwanderinnen und Einwanderern durch die Geheimdienste, Fingerabdrücke in Pässen und Visa, Gesetzesverschärfungen - sie treiben den Weg zum Überwachungsstaat ein gutes Stück voran. Dabei ist keine der geplanten Maßnahmen geeignet, Anschläge wie die am 11. September zu verhindern.
Geschürt wird vielmehr eine Stimmung, die zum einen mit rassistischen Stereotypen vom "kriminellen Ausländer" arbeitet und zum anderen Opposition gegen den Kriegskurs einschüchtert und mundtot machen will.
Schon jetzt werden Lehrerinnen und Lehrer vom Dienst suspendiert, weil sie auf Kundgebungen oder im Unterricht gegen den Krieg gesprochen haben. Schon jetzt werden Gewerkschaften wie die IG-Metall vom Kanzler zur Raison gerufen, weil sie sich kritisch zu den Bombenangriffen auf Afghanistan äußerten.
Vom 1. bis zum 3. Februar findet in München die sogenannte "Konferenz für Sicherheitspolitik" statt. Dabei handelt es sich um ein Treffen von Regierungsvertretern der NATO-Staaten und rund 200 hochkarätigen Militärstrategen, Generälen und Rüstungsexperten, welche die Militarisierung der Außenpolitik vorantreiben.
Es rufen auf (Stand 4. Januar): AntiKriegstreffen NMS, Antikriegstreffen Kiel, PDS SH, DKP SH, Avanti- Projekt undogmatische Linke, Autonome Linke NMS, Bündnis gegen Rechts NMS, Lübecker Friedensforum, VVN/BdA