(Gegenwind 160, Januar 2002)

Integrationskonzept der Landesregierung in der Beratung

"Niemand darf in Schleswig-Holstein ausgegrenzt werden"

Die Landesregierung hat ein Konzept zur Integration von Migranten verabschiedet. "Wir wollen damit den Rahmen für die notwendige interkulturelle Öffnung unserer Gesellschaft schaffen", so Innenminister Buß. Integration sei nach Auffassung des Ministers mehr als ein freundliches Nebeneinander der Menschen. "Wir wollen eine Kultur des Respekts und des gleichberechtigten Miteinanders", meinte Buß.

Unterschiede müssten wahrgenommen und ausgehalten werden. Integration bedeute keineswegs das Verschwinden von eigener Herkunft und Identität. Etwas deutlicher wurde Buß, als er betonte, dass alle Migranten die im Grundgesetz festgelegten Rechte und Pflichten als verbindliche Grundlage des Zusammenlebens akzeptieren müssten. Als Ergebnis der verschärften Sicherheitsdebatte seit dem 11. September werden in Schleswig-Holstein bei Staatsbürgerschaftsanträgen Regelanfragen beim Verfassungsschutz durchgeführt.

Integration vor Ort

Integration könne nach Auffassung des Ministers nur vor Ort, am Wohnort, in den örtlichen Verwaltungen, am Arbeitsplatz, in der Schule, in der Kindertagesstätte und unter Mitwirkung der Migrantinnen und Migranten erfolgreich gestaltet werden. Die Migranten müssten in die Lage versetzt werden, am öffentlichen Leben aktiv teilzunehmen. Der Innenminister ließ sich zu dem folgenschweren Satz hinreißen: "Niemand darf in Schleswig-Holstein ausgegrenzt werden." Daran muss sich das Konzept messen lassen.

Das Konzept verfolge das Ziel, Migranten in konkreten Alltagssituationen zu helfen. In erster Linie gehe es um den Erwerb der deutschen Sprache und den Zugang zu Ausbildung und Beruf. Das Integrationskonzept sei ein Entwurf, zu dem die Kommunen, Wohlfahrtverbände, Bildungseinrichtungen, Ärztekammer und Migrantenorganisationen Stellung nehmen können. Buß rechnet damit, dass die Landesregierung spätestens im Frühjahr 2002 das endgültige Konzept beschließen wird.

Das Integrationskonzept sehe beispielsweise vor, dass das Innenministerium kurzfristig ein Landessprachförderprogramm auflege, um die Sprachvermittlung in Kindertagesstätten und Schulen zu verbessern. Das Bildungsministerium werde in diesem Zusammenhang Fortbildungen zum Erst- und Zweitsprachenerwerb sowie zu praxisgerechten Umsetzungsmöglichkeiten anbieten. Eine veränderte Personalentwicklungsplanung, eine Überprüfung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen und ein erleichtertes Anerkennungs- und Einstellungsverfahren für pädagogisches Personal mit ausländischen Studienabschlüssen soll ebenfalls dazu beitragen, die Sprachvermittlung in der Schule zu verbessern.

Das Bildungs- und Arbeitsministerium verfolgten gemeinsam das Ziel, Unterrichtsangebote in Herkunftssprachen der Kinder und Jugendlichen in das Regelangebot von Schulen und Kindertagesstätten aufzunehmen. Das Bildungsministerium prüfe darüber hinaus, auf welchem Wege Migrantinnen und Migranten zum Nachweis von Fremdsprachenkenntnissen an allgemein- und berufsbildenden Schulen verstärkt auf Kenntnisse ihrer Muttersprache zurückgreifen dürfen. Das Gesundheitswesen initiiere Maßnahmen, um Chancengleichheit für Migranten beim Zugang zum Gesundheitswesen zu erreichen.

Beschäftigungshindernisse im Blickfeld

Zusammen mit dem Arbeitsministerium unterstütze das Innenministerium Regelungen für ein Zuwanderungsgesetz, nach denen Migranten mit einer Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis ohne Einschränkungen eine Berufsausbildung aufnehmen können. Das Gesundheitsministerium setze sich für die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen ein, um ethnische Ressourcen unter den Angehörigen der Gesundheitsberufe, insbesondere unter Ärzten, Zahnärzten, Kranken- und Altenpflegepersonal stärker zu nutzen.

Das schleswig-holsteinische Innen- und Arbeitsministerium will sich im Gesetzgebungsverfahren zum Zuwanderungsgesetz dafür einsetzen, dass der Arbeitsmarktzugang für Migranten transparent gestaltet und Verfahren vereinfacht und verkürzt werden. Mit der Arbeitsverwaltung sollen Möglichkeiten erörtert werden, verstärkt Berufsberater mit Migrationshintergrund zu beschäftigen, Kontakt zu Ausländervereinen aufzunehmen und Netzwerke zur Förderung der Beschäftigung von Migranten zu schaffen. Geprüft werden solle, ob die mit Aufenthaltsgenehmigungen häufig verbundene Auflage des Verbots der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in bestimmten Fällen entfallen oder zumindest befristet werden könne.

Das Innenministerium verfolge weiter das Ziel, dass in jedem Kreis und in jeder kreisfreien Stadt eine Migrationssozialberatung angeboten werde. Das Sozialministerium werde gemeinsam mit den öffentlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe und den Trägern von Kindertageseinrichtungen Lösungsmöglichkeiten suchen, um die Kinderbetreuung von über Dreijährigen während des Sprachkursbesuches der Eltern durch flexible Betreuungszeiten zu ermöglichen. Das Arbeitsministerium werde auf Bundesebene dafür eintreten, dass alle Migranten, die eine Berufsausbildung aufnehmen dürften, auch an berufsvorbereitenden Maßnahmen teilnehmen können.

Kostenfrage ungeklärt

Es fällt auf, dass das jetzt vorgestellte Konzept mit vielen Absichtserklärungen verbunden ist. Was von der auf den ersten Blick fortschrittlichen Konzeption übrigbleibt, ist die immer wieder kehrende Frage der Kosten. Hier schieben sich Land, Bund und Kommunen gegenseitig die Verantwortung zu. Und hier liegt der Haken: Das Zuwanderungskonzept der Bundesregierung baut auf eine Verschärfung der Asylrechts und weitere Verschlechterung der Lebens bedingungen für Asylsuchende. Sie sind aus dem Anspruch für Sprachförderung ausgenommen. Die Zusammenlegung des Bundesbeauftragten für Asyl mit dem neu zu schaffenden Bundesamt für Migration scheint eine Art Rechenzentrum zu werden, wo Kosten für Asylantragssteller auf der einen Seite und Migranten auf der anderen gegeneinander aufgerechnet werden können. Lassen sich die Kommunen auf diese Spaltung von eingewanderten Menschen, ob sie sich aus Gründen der Verfolgung oder zur Arbeitsaufnahme niederlassen wollen, ein, wird der eigentliche Zweck, nämlich Integration, bei der "niemand ausgegrenzt werden darf", in Frage gestellt und das gesellschaftliche Klima verschärft. Da nützt auch ein möglicherweise erfolgreiches Verbot der NPD nichts.

rua (aus: Elmshorner GegenSätze 12/01)

Quellen: Pressemeldung der Landesregierung v. 20.11.01 "Landesregierung beschließt Integrationskonzept"; Seminar des Innenministeriums "Integration und Zuwanderung" vom 29.10.01 in Kiel

Der Entwurf des Integrationskonzeptes steht im Internet: https://landesregierung.schleswig-holstein.de (die PDF-Datei ist ca. 350 KB groß).

Und über das eigene Integrationskonzept der schleswig-holsteinischen CDU berichtet der Gegenwind 160 (Januar 2002) auf Seite 33.


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