(Gegenwind 159, Dezember 2001)

Streitgespräch über Menschen ohne Papiere

"Schnell zu klaren Regelungen kommen"

Am 15. Oktober haben wir für Gegenwind-TV im Offenen Kanal Kiel ein Streitgespräch über "Illegale" zwischen dem CDU-Landesvorsitzenden Dr. Johann Wadephul und Norbert Schmitz, im Caritas-Landesverband zuständig für Migration, aufgezeichnet. Am 6. Dezember wird der Schwerpunkt der Gegenwind-TV-Sendung das Thema "Ilegale" sein (18.45 Uhr). Wir dokumentieren hier leicht überarbeitete Auszüge aus dem Streitgespräch.

Gegenwind:

Über wen reden wir? Menschen ohne Papiere, "Illegale" werden meistens gleichgesetzt mit Drogendealern oder Schwarzarbeitern. Wir wissen aber, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, illegal zu werden. Was sind Illegale, und von welcher Größenordnung können wir in Schleswig-Holstein ausgehen?

Norbert Schmitz:

Norbert Schmitz (CARITAS)

Ich begebe mich ungern in Schätzungen, eine genaue Größenordnung lässt sich nicht feststellen, weil Illegale nicht gezählt werden. Die Gruppe selber ist sehr heterogen. Es gibt unterschiedliche Gründe, sich hier ohne entsprechende Papiere aufzuhalten. Es sind sicherlich Familienangehörige dabei, die nachziehen, ohne die entsprechenden Voraussetzungen zu erfüllen. Es sind Ehepartner, die nach gescheiterten Ehen hier kein eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen. Es sind natürlich auch Menschen, die aus kriminellen Machenschaften herkommen, mit Schlepperbanden im Rahmen von Frauenhandel. Es sind Asylbewerber dabei, die nicht zurückkehren können und ohne Aufenthaltsgenehmigung hierbleiben. In Schleswig-Holstein nicht so stark wie in östlichen Bundesländern sind es sicherlich auch Arbeitnehmer, die hier arbeiten, ohne die entsprechenden Papiere zu haben, die kurzfristig hier mehr Geld verdienen können als in ihren Herkunftsländern. Die Gründe, hier zu bleiben, liegen vielfach darin, dass familiäre Bindungen hier sind, dass Unsicherheit im Rechtsstatus besteht, Rechtswege sehr kompliziert gestaltet sind, dass auch im rechtlichen Bereich die Asylgründe nicht mit den Fluchtgründen übereinstimmen.

Gegenwind:

Herr Wadephul, gibt es in unserem Rechtssystem solche Lücken, dass Menschen illegal werden müssen? Werden sie notwendigerweise illegal, weil nicht nicht hierblieben dürfen, aber auch nicht ausreisen können?

Johann Wadephul:

Johann Wadephul (CDU)

Das ist die Frage, was man unter notwendigerweise versteht. Das, was Herr Schmitz gesagt hat, ist im Wesentlichen richtig. Es gibt zahlreiche Gründe, warum Menschen hierher kommen, die das auf rechtlichem Wege nicht ermöglichen können. Es gibt auch eine ganze Menge Menschen in Deutschland, denen das gut passt, etwa in der Landwirtschaft, aber sicherlich auch in der Industrie, die billige, einfache Arbeitskräfte gerne haben, wo es keine großen Formalitäten gibt, die nur wenig Geld haben wollen und die dann natürlich auch ausgenutzt werden. Ob das deswegen eine Notwendigkeit ist, das ist aus meiner Sicht, Herr Schmitz, sehr die Frage. Es sind viele dabei, die nach deutschem Recht keinen Asylanspruch haben. Ich verstehe auch gut, dass sie nach Deutschland kommen wollen, weil sie in Deutschland soziale Sicherheit in einem Maße finden, wie das in ihren Heimatländern nicht der Fall ist. Es gibt eine Menge arme Menschen auf dieser Welt, da müssen wir die Not lindern, aber ich fürchte und ich bin mir auch sehr sicher, wir können nicht all die hier aufnehmen, die gerne herkommen würden.

Schmitz:

Bei dem letzten Punkt gebe ich Ihnen natürlich Recht, wir können nicht alle aufnehmen, die gerne herkommen würden. Aber die meisten, die fliehen, kommen ja auch nicht nach Deutschland, sondern bleiben in der näheren Umgebung der Länder, aus denen sie fliehen. Auf der anderen Seite ist der Begriff des politischen Asyls bei uns sehr eng gefasst. Er bezieht sich auf staatliche Verfolgung. Es gibt aber nicht-staatliche Verfolgung, die jemanden auch dazu bewegen kann, hierher zu fliehen. Es gibt geschlechtsspezifische Verfolgungsgründe, religiöse Verfolgungsgründe - Beispiel Algerien -, aber das politische Asyl ist bei uns so eng, dass manche nur vor die Wahl gestellt sind, bleibe ich illegal in Deutschland, wenn ich einmal hier bin, als abgelehnter Asylbewerber, oder kehre ich zurück und weiß genau, mich erwarten Repressalien, ich bin meines Lebens nicht mehr sicher.

Wadephul:

Ja gut, wir müssen sicherlich darüber reden, inwieweit nicht-staatliche Verfolgung auch anerkannt werden muss in Zukunft. Aber die Mehrheit der Bevölkerung ist da sehr zurückhaltend, das müssen wir schlicht und ergreifend zur Kenntnis nehmen, und sie merkt einfach, dass die Mehrzahl derjenigen, die politisches Asyl hier beantragen, es am Schluss nicht bekommt. Selbst wenn wir diejenigen hinzunehmen, die aus den Gründen kommen, die wir gerade eben besprochen haben, also Verfolgung durch nicht-staatliche Gewalt, selbst dann ist es noch nicht die Mehrzahl der Bewerber hier. Die Masse kommt aus wirtschaftlichen Gründen, die ich persönlich gut verstehe. Wir müssen in den Ländern, wo sie herkommen, helfen, und andererseits müssen wir hier von Arbeitgebern und von Arbeitnehmern ein sehr enges Kontrollnetz verlangen. Ich finde es auch nicht in Ordnung, dass hier viele im mittelständischen Bereich einfach billige Arbeitskräfte ausnutzen, sondern die müssen auch Sozialabgaben und alles weitere leisten. Und ordentlichen Lohn zahlen!

Schmitz:

Letzterem stimme ich zu. Ich stimme Ihnen vor allem auch darin zu, dass sich die Bekämpfung der Fluchtursachen nicht über das Asylrecht regeln lässt. Das ist ein Problem, das sich in Europa, aber auch weltweit stellt. Natürlich, wenn Menschen von Hungersnot bedroht sind, von Umweltkatastrophen bedroht sind, und das Gefühl haben, sie könnten woanders einen besseren Lebensstandard haben, dann bewegt es sie zu wandern. Als ein Bereich, am Rande, gehört sicherlich auch der Asylbereich dazu. Die meisten Menschen, die herkommen, werden sicherlich nicht als asylberechtigt anerkannt, weder auf dem direkten Wege noch übers Gericht, aber die meisten, die als Flüchtlinge hierher kommen, erhalten schon ein Bleiberecht - teilweise zeitlich befristet, teilweise als Duldung, aber es wird anerkannt, dass sie zumindest eine Zeitlang nicht zurückkehren können. Wie lang diese Zeit ist, hängt auch von den äußeren Umständen in den Herkunftsregionen ab. Aber diese Zeit sind sie legal oder geduldet hier. Und das ist die Mehrzahl.

Gegenwind:

Gibt es nicht einen Mangel im deutschen Recht, was den Verwandtennachzug betrifft? Wenn in einer Migrantenfamilie die Tante Witwe wird, vielleicht auch pflegebedürftig ist, und nach Deutschland zu ihrer Familie kommt, kann sich die Tante nicht auf "Familiennachzug" berufen, weil das Recht nur die Kleinfamilie betrifft. Sind das nicht Lücken im deutschen Recht, die Migrantenfamilien nicht verstehen können?

Wadephul:

Wir müssen die sehr grundsätzliche Frage miteinander besprechen, und die wird im Grunde jetzt auch indirekt aufgeworfen, wieviel Zuwanderung nach Deutschland ist eigentlich richtig und ist auch verantwortbar, politisch und gesellschaftlich. Dazu gehört auch die Frage des Verwandtennachzuges. Man darf bei alldem nicht vergessen, wir haben mehr Einwanderung nach Deutschland gehabt in den letzten zehn Jahren als nach Amerika. Die USA sind größer, multikultureller und das Land ist von vornherein multiethnisch angelegt gewesen. Wir stellen doch fest, dass es in Deutschland in der Bevölkerung gewisse Ängste gibt und dass es auch Grenzen der Integrationsfähigkeit gibt. Deswegen wäre ich bei der Ausweitung von Nachzugsgründen, was Familienmitglieder angeht, eher restriktiv.

Schmitz:

Da habe ich eine andere Position. Was die Steuerung von Zuwanderung im weitesten Sinne angeht, da besteht Handlungsbedarf, das ist sehr deutlich geworden durch die Vorstellungen der Süßmuth-Kommission. Bei der Steuerung der Zuwanderung ist von vornherein klar: Ich kann Flüchtlingsbewegungen nicht steuern. Das hat klare Grenzen, wo ich sagen muss, es sind Fluchtursachen da, die kann ich wenig beeinflussen, jedenfalls nicht über Migrationspolitik oder Zuwanderungssteuerung. Ich muss allerdings schon sagen, und da argumentieren wir von der Wohlfahrtsverbands-Seite, die wir im direkten Kontakt mit den Menschen stehen, anders als die Politik: Wir haben primär mit den Menschen selbst zu tun, die zu uns kommen. Und da spielen natürlich Werte wie die Einheit der Familie eine wichtige Rolle, und Familie wird eben in vielen Kulturen und vielen Gesellschaften anders gesehen als die klassische Kernfamilie, auf den sich der gesetzliche Rahmen des Familiennachzugs bezieht. Also hier ist unsere Haltung: Zur Vermeidung von persönlichen Härten muss es einen erweiterten Familiennachzugsbegriff geben - was nicht heißt, alles, was sich im weitesten Sinne zur Familie dazurechnen lässt, kann auch kommen.

Wadephul:

Da haben wir unterschiedliche Auffassungen, das ist nicht weiter verwunderlich. Ich finde, das muss sich nach den Regelungen und gesellschaftlichen Vorstellungen des Landes richten, in das die Einwanderung stattfindet. Wenn ich nach Saudi-Arabien einreisen möchte, muss ich mich nach den dortigen Vorstellungen richten, und wenn ich nach Deutschland einreisen will, dann muss der hiesige Familienbegriff gelten.
Ich wollte nochmal etwas zu dem anderen Punkt sagen, den Sie vorhin angesprochen haben: Das ist die Frage, wie lange halten sich Migranten hier auf, auch nachdem möglicherweise der Asylantrag rechtskräftig abgelehnt worden ist, wie gehen wir mit ihnen um. Ich glaube nicht, dass das ein Gewinn ist, wenn sie besonders lange hier sind. Sondern ich bin eigentlich dafür, ohne die gesetzlichen Möglichkeiten in irgend einer Weise einschränken zu wollen, dass wir relativ schnell klären: Gibt es politisches Asyl, dann bleiben sie hier, vollkommen klar. Aber wenn es das politische Asyl nicht gibt, dann bin ich auch dafür, dass wir diese Verfahren schnell durchführen. Diese jahrelangen Prozesse, die in Deutschland geführt werden, zum Teil sechs, acht Jahre, die dienen eigentlich niemandem. Die dienen den Asylbewerbern nicht, die kosten den deutschen Staat Geld, führen nur zu Unmut.

Schmitz:

Ich habe keine Einwände gegen eine schnellere Rechtsklärung. Das schafft einfach Sicherheit für diejenigen, die in dem Verfahren drin sind. Ich werde damit aber nicht das Thema des längeren Aufenthaltes hier lösen können. Oft besteht nicht die individuelle staatliche Verfolgung, es sind aber immer noch die faktischen Abschiebehindernisse da; es gibt eine Duldung, weil Gefahr für Leib und Leben besteht. Wenn man das Verfahren verkürzen will, eine schnelle Perspektive bringen will, muss man mit einem anderen Asylbegriff, einer anderen Anerkennung von Fluchtgründen arbeiten.

Wadephul:

Das hat eine gewisse innere Logik, das will ich überhaupt nicht abstreiten. Wir kommen an der Frage letztlich nicht vorbei, wieviel Zuwanderung können wir Deutschland zumuten. Und da ist mein fester Eindruck, und das sind nicht nur Rechtsextremisten, die so etwas formulieren, sondern eine Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, die sagt, da werden mittlerweile gewisse Grenzen überschritten. Wenn wir über Illegale heute diskutieren, weiß ja gar keiner, wie viele Illegale haben wir eigentlich heute in Deutschland. Der eine sagt, eine halbe Million, andere sagen, es sind sogar schon über eine Million Menschen, dann ist das eigentlich ein Zustand, der in niemandes Interesse liegen kann.

Schmitz:

Das ist richtig.

Wadephul:

Deswegen bin ich der Auffassung, sollte man möglichst schnell zu klaren Regelungen kommen. Man muss darüber reden, wie man Härtefällen entgegen kommt und da auch Humanität zeigt, aber auch darüber, wie man Klarheit und Härte des Gesetzgebers zum Ausdruck bringt, wenn jemand sich hier insbesondere kriminell verhält oder ganz bewusst illegal hier einreist: Klarheit, indem solche Menschen konsequent abgeschoben werden.

Gegenwind:

Lassen Sie uns doch noch einen Schritt zurückgehen. Welche Probleme machen Illegale? Es reicht ja von dem vielzitierten Rauschgifthändler bis hin zur kranken Tante, die niemanden außer der Familie in Kiel hat, zu der sie nur illegal kommen kann. Welche Probleme machen diese Illegalen, und welche Probleme haben Illegale, wenn sie hier leben?

Wadephul:

Die Probleme haben Sie ja schon skizziert. Es gibt sicherlich viele, die sich hier rechtswidrig verhalten, Straftaten begehen, es gibt mit Sicherheit auch viele, die sich völlig unauffällig und harmlos verhalten. In aller Regel ist es so, dass das Menschen sind, die in die normalen Sozialversicherungssysteme nicht eingegliedert sind, weder selber einzahlen noch selber Ansprüche erwerben, das finde ich auch nicht richtig, und deswegen finde ich, ohne dass das ein Plädoyer für den völligen Kontrollstaat wäre, müssen wir schon klären, welcher Deutsche lebt hier unter welchen Bedingungen wo und ist eingebunden in gewisse gesetzliche Regelungen, und welcher Ausländer lebt hier mit einer entsprechenden rechtlichen Erlaubnis, sich hier aufzuhalten, und auch der muss entsprechend in die Gesellschaft eingegliedert werden und in einem gewissen Maße auch in den Staat eingegliedert werden, muss in die Sozialversicherungsssysteme einzahlen, bekommt dann selber auch Ansprüche. Illegalität in Deutschland ist aus meiner Sicht nichts Erstrebenswertes und Gutes.

Schmitz:

Dass es nichts Erstrebenswertes und Gutes ist, da stimme ich voll und ganz zu. Auf der anderen Seite müssen wir die Tatsache ernst nehmen, dass es eine große Zahl, die man nicht beziffern kann - ich kenne auch die Größenordnung von einer halben bis zu einer Million -, von Menschen gibt, die in diesem Land ohne Status leben. Und da drängt sich schon die Frage auf, welche Möglichkeit haben diese Menschen, und wie kann sich deren Situation verändern? Denn deren Hauptziel ist ja nicht, als Illegale hier zu bleiben. Blenden wir einmal den ganzen Bereich von Kriminellen aus. Es gibt sicherlich Leute, die kommen nach Deutschland, um hier Delikte zu begehen, da gibt es klare gesetzliche Regelungen im Ausländergesetz, im Strafgesetzbuch, um die brauchen wir uns erstmal hier nicht zu kümmern. Diejenigen, die mit falschen Versprechungen hierher geholt wurden, der ganze Bereich Frauenhandel hat eine eigene Dynamik. Auch wenn diese Frauen, die vielfach heute aus Osteuropa hergeholt werden, hier kein Aufenthaltsrecht haben, haben sie doch eine gewisse Schutzbedürftigkeit, es gibt nicht nur die Alternative Aufenthaltsstatus oder Abschiebung.
Die Frage war, welche Probleme haben die Illegalen: Sie haben natürlich das Problem, dass sie in kein Sozialversicherungssystem reinpassen, weil sie, wenn sie arbeiten, arbeiten sie nicht sozialversichert, ihnen bleibt ja nur der schwarze Arbeitsmarkt, oder sie werden von Verwandten unterstützt. Sie haben keinen Zugang zum öffentlichen Gesundheitswesen, die Kinder haben nicht ohne weiteres Zugang zur Schule, das heißt, sie schweben irgendwo in einem luftleeren Raum. Inwieweit ist, auch ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, eine menschenwürdige Grundversorgung zu gewährleisten? Das heißt, dass Geburten nicht heimlich zu Hause durchgeführt werden, sondern im Krankenhaus durchgeführt werden können und die Kostenfrage nicht im Vordergrund steht. Dass Kinder, die als illegale Flüchtlinge alleine kommen oder als Kinder von Menschen hier leben, die keinen Aufenthaltsstatus haben, dennoch ein Recht zur Schul- und Berufsausbildung haben, ohne die Angst zu haben, dass sie sofort an die Ausländerbehörde weitergemeldet werden. Dass ein Recht auf Beratung besteht. Wir haben das bei uns natürlich juristisch auch abgeklärt, dass wir auch Menschen ohne Aufenthaltsstatus beraten dürfen. Und ich denke, es gibt auch gute Beispiele aus anderen Ländern, vor nicht allzu langer Zeit sind in Spanien wieder 155.000 Menschen legalisiert wurden, die nachweisen konnten, dass sie seit einem bestimmten Stichtag in Spanien leben und eben nicht kriminell auffällig geworden sind. Das, denke ich, sind Überlegungen, die auch in die Politik einbezogen werden sollten.

Wadephul:

Darf ich Sie denn so verstehen, dass Sie der Auffassung wären, dass wir welchen Prozentsatz auch immer, alle oder einen Teil, wenn ja, welchen Teil, derjenigen, die illegal hier leben, dass wir die legalisieren?

Schmitz:

Mir wäre erstmal daran gelegen, dass möglichst viele Menschen aus dieser Illegalität rauskommen, das heißt, dass Möglichkeiten geschaffen werden, die es Familienangehörigen leichter ermöglichen nachzuziehen. Und hier wäre es schon zu prüfen, wenn Familienangehörige da sind, wie ist deren Lebenssituation, und kann ich nicht hier im Rahmen einer Härtefallregelung, die meines Erachtens dringend notwendig ist, einen illegalen Status legalisieren? Es ist zu gucken, wer lebt hier, so dass einige aus dem Schatten der Illegalität heraustreten können und über eine Härtefallklausel auch die Möglichkeit bekommen, sich legalisieren zu lassen. Die Frage nach der Quote habe ich nicht überhört und auch nicht vergessen, aber da kriegen Sie keine Antwort drauf.

Wadephul:

Vielen Dank, das schafft schon mal Klarheit.

Gegenwind:

Herr Schmitz sagte, er wäre dafür, dass es einen Bereich Beratung, Krankheitsversorgung, Schule, Ausbildung gibt, an dem auch Illegale teilnehmen dürfen und sollen, ohne gleich an die Ausländerbehörde geliefert zu werden. Das betrifft zum Beispiel die Gruppe der Kinder von Illegalen. Können Sie sich das vorstellen?

Wadephul:

Wir kommen jetzt hier in einen Graubereich hinein. Ich bin für eine recht klare Abgrenzung, dass wir klar abgrenzen, wer hält sich hier legal auf, und wer hält sich illegal auf. Und wenn jemand nach Deutschland einwandern möchte, dann muss er das auf legalem Wege versuchen. Und dann können wir miteinander darüber streiten, welche gesetzlichen Regelungen wollen wir denn miteinander, dass eine legale Einwanderung nach Deutschland stattfindet. Wenn wir dann irgendwann definiert haben, so sieht das neue, moderne Einwanderungsrecht nach Deutschland aus, dann muss das auch eingehalten werden. Es gibt im karitativen Bereich, im kirchlichen Bereich natürlich Notsituationen, wo man diesen Menschen helfen muss und wo niemand will - das ist auch mit unserem Grundgesetzartikel 1 gar nicht vereinbar, auch mit meinem christlichen Grundverständnis nicht -, dass Menschen keine Hilfe bekommen. Aber im Grunde genommen muss ich von allen Illegalen hier erwarten, dass sie sich bei den Ausländerbehörden melden, sich um einen legalen Status bemühen, und wenn sie ihn nicht bekommen, dass sie Deutschland dann auch wieder verlassen.
Und dann ist die Frage höchstens noch, macht man eine Sonder-Legalisierungsaktion, indem man einen gewissen Teil der jetzt hier illegal sich Aufhaltenden legalisiert, dann muss man über die Kriterien reden. Wenn gewisse Ausländer seit zehn Jahren hier unbescholten leben, sich nichts haben zuschulden kommen lassen, kann man sicher darüber diskutieren. Nur vor einem warne ich: Wenn wir das immer wieder machen, und wenn wir sie quasi legalisieren, indem wir über Beratung und so in eine Grauzone hineinbegeben, dann ist das letztlich ein Fass ohne Boden. Dann werden immer mehr kommen, und andere werden kommen und Gleichbehandlung fordern.

Schmitz:

Da fließen mir jetzt zu viele Sachen durcheinander. Zum einen, was die sogenannte Sogwirkung angeht, die Gefahr sehe ich natürlich auch. Auf der anderen Seite, die spanische Erfahrung spricht dagegen. Spanien macht diese Legalisierungskampagnen in Abschnitten seit den siebziger Jahren, und es hat nicht die große Sogwanderung nach Spanien gegeben.

Wadephul:

Aber Sie können die Zuwanderung nach Spanien nicht mit der nach Deutschland vergleichen.

Johann Wadephul und Norbert Schmitz im Gegenwind-TV-Streitgespräch

Schmitz:

Das Thema ist, schon richtig zu gucken, wie kann ich Zuwanderung da, wo ich sie steuern kann, auch steuern. Und wir überlegen, die Diskussion nach 40 Jahren auf eine andere Bahn zu lenken, mal etwas langfristig politisch zu denken: Wie kann ich überhaupt Zuwanderung steuern? Ich kann sie nicht mit Zahlen steuern, ich kann sie nur durch Bedingungen steuern. In Deutschland haben wir auch eine bestimmte demographische Entwicklung, die uns in einigen Jahren vor Probleme stellen wird, wenn wir keine Zuwanderung zulassen.

Wadephul:

Wir müssen über das neue Zuwanderungsrecht nach Deutschland miteinander reden, und wenn wir das irgendwie gesetzlich normiert haben, ich hoffe ja noch in dieser Legislaturperiode, dass nicht alles unter die Räder gerät angesichts dieser Diskussion nach dem 11. September, dann werden wir es gemeinsam so durchsetzen. Und Integration gehört dazu. Die CDU-Landtagsfraktion hat hier in Kiel einen großen Antrag zur Integration eingebracht, von Rot-Grün ist da leider nichts gekommen an Zustimmung, da werden wir jetzt miteinander vernünftig diskutieren. Ich bin auch sehr vehement, ich habe das auch in meiner Partei durchgesetzt, für islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen, das ist absolut notwendig. Das war nicht ganz einfach, aber die CDU ist dafür, für eine christliche Partei ist das ja nicht ganz einfach. Aber zur Integration gehört dann auch der wirkliche Wille, hier integriert zu werden, an gewisse Grundnormen muss es hier eine Anpassung geben. Ich wollte noch sagen: Der Verweis auf Spanien ist völlig richtig, wir müssen auch immer über die Grenzen hinausschauen. Niederlande, das Modell der Integration finde ich ganz toll.

Gegenwind:

Zur Caritas-Beratung kommen Menschen ohne Aufenthaltsstatus. Sie sind Hausangestellte oder arbeiten in der Landwirtschaft, in der Gastronomie, vielleicht im Rotlichtviertel. Um die Leute herum sind andere, die ihnen die Arbeit geben, die die Migration hierher organisiert haben, die die Wohnung vermitteln, die von ihnen profitieren, die von ihnen wissen. Wenn wir von einer Millionen Illegaler in Deutschland reden, dann gibt es ja fünf bis sechs Millionen, die ihnen Arbeit geben, die helfen, die sie unterbringen, helfen oder profitieren oder beides, darunter vielleicht auch nicht wenige CDU-Mitglieder. Welche Interessen stecken dahinter, dass es überhaupt Illegale gibt?

Schmitz:

Es gibt natürlich Leute, die von Illegalität auch profitieren. Diejenigen, die Illegale beschäftigen, brauchen erstmal die Sozialabgaben nicht zu bezahlen, und sie können auch die Löhne drücken und können Arbeitsbedingungen schaffen, für die kein Legaler auf dem Arbeitsmarkt zu bekommen ist. Bei denen, die zu uns in die Beratung kommen, überwiegt die Unsicherheit: Was passiert, wenn ein Unfall bei der Arbeit passiert? Unsicherheit über die ständig drohende Abschiebung. Was können wir für die Leute tun? Wir können die Leute beraten, indem wir prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, einen legalen Status zu bekommen. Das ist immer das Primat in der Beratung. Dann gibt es natürlich auch Fälle, wenn jemand krank ist, dann versuchen wir natürlich eine medizinische Behandlung zu organisieren. Wenn es um illegale Beschäftigung geht: Ich denke, hier ist es sehr wichtig, dass diejenigen auch, die an der Illegalität profitieren, zur Rechenschaft gezogen werden, dass zum Beispiel Arbeitgeber, die Arbeitnehmer illegal beschäftigen, dann auch für die Kosten im Falle eines Unfalls eintreten müssen, dass hier der Hebel einfach stärker angesetzt wird. Es ist ein Stück Ursachenbekämpfung, Illegalität unattraktiver zu machen für diejenigen, die davon profitieren.

Gegenwind:

Herr Wadephul, gibt es in Ihrer Partei Leute, die für schärfere Kontrollen und Abschiebung eintreten, die aber ihre Putzarbeiten im Haushalt von Illegalen erledigen lassen?

Wadephul:

Wenn wir ehrlich miteinander sind, gibt es das in jedem gesellschaftlichen Feld, wo Leute öffentlich was propagieren und für sich selber nicht einhalten. Das ist auch ein Stück weit menschlich. Das will ich damit nicht rechtfertigen, aber das ist natürlich ganz eindeutig der Fall. Dieses Verhalten ist ganz stark zu missbilligen. Hier müssen wir mindestens so hart, wenn nicht eigentlich härter vorgehen als gegen manch armen Menschen, der aus einem Dritte-Welt-Land hierher kommt, persönlich Hunger und Not leidet, da kann ich es menschlich eher verstehen, dass er es macht, als derjenige, der die Situation hier ausnutzt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass wir in vielen mittelständischen Bereichen, die Landwirtschaft ist besprochen worden, die Bauwirtschaft gehört zum Teil auch dazu, Situationen haben, wo manch ein Deutscher sich einfach zu fein ist, die eine oder andere Arbeit auszuüben. Und ich selber komme ja aus Dithmarschen, großes Kohlanbaugebiet, suchen Sie da mal einen deutschen Arbeitslosen, der bereit ist, den Kohl dann auch abzubauen. Da müssen wir von den Arbeitslosen, die die Gemeinschaft trägt, auch verlangen, dass sie auch mal eine etwas unangenehmere Arbeit machen. Ich sehe ein, dass der Lohn etwas gering ist, aber da hat die CDU das Modell des Kombilohns, dass also ein Teil vom Arbeitgeber bezahlt wird und aus den Sozialhilfekassen etwas hinzugeschossen wird.

Schmitz:

Was muss ich denn bei Schwarzarbeit zahlen, egal bei welcher Zumutbarkeit?

Wadephul:

Sie meinen, die Zahlungen sind so gering, dass Sie die nicht unterboten bekommen? Ich habe ja gesagt, wenn wir über Kombilohn miteinander reden, dann werden Sie da eine ganze Menge erreichen.

Schmitz:

Gut, wenn das möglich ist, gerne. Für uns gilt, genauso wie in der Politik, das Primat, Illegalität zu vermeiden. Ich denke, da sind wir uns einig.

Wadephul:

In dem Punkt sind wir uns einig.

Schmitz:

Das können wir schon mal festhalten. Aber der Punkt, den wir noch nicht festhalten können, wo wir noch mehr ins Gespräch kommen müssen, ist der der praktischen Ausgestaltung. Da fehlt mir bislang wirklich der direkte Dialog zwischen Politik und Wohlfahrtsverbänden in erster Linie.

Wadephul:

Wir haben nicht nur deutsche Interessen im Auge, sondern ich glaube, das, was ich hier formuliert habe, ist mehr der mittel- und langfristige Blick. Dass man kurzfristig die Menschen, die jetzt illegal hier leben, nicht alleine lassen kann und dass Sie speziell jetzt auch einen christlich begründeten Auftrag haben, sich um die Menschen zu kümmern, das ist doch vollkommen klar. Sie dürfen bloß von der Politik, auf jeden Fall von der CDU, nicht erwarten, dass sie deswegen per se Illegalität sozusagen nicht mehr als kritikwürdig empfindet und dieses Ziel, dass sie vermieden werden soll, aufgibt.

Schmitz:

Über das Ziel, Illegalität zu vermeiden, da sind wir uns sicherlich einig. Aber da gehören für mich anfangs schon mal genannte Maßnahmen dazu wie Erweiterung des Familiennachzugs, auch unter einem geänderten Familienbegriff, da gehören sicherlich auch Ansätze, das Thema Flucht und Asyl jenseits dieser engen Grenzen zu sehen, und ich denke, da ist sicherlich auch eine ganze Menge europäischer Politik gefordert.

Wadephul:

Ich will nochmal die Grenze sagen: Illegalität können Sie nicht dadurch abschaffen, dass Sie sozusagen den Zustand der Illegalität abschaffen und alles legalisieren, was hierher kommen will. Um die äußerste Grenze mal zu markieren.

Schmitz:

Das ist richtig.

Wadephul:

Und je mehr Zuwanderung Sie nach Deutschland haben wollen, gerade von den Menschen, von denen wir jetzt gesprochen haben, die aus Ländern kommen, wo die wirtschaftliche Situation sehr viel schlechter ist, die also wirtschaftliche Fluchtgründe hierher haben, da müssen Sie sich natürlich auch fragen, wie die hier ins Arbeitsleben eingegliedert werden können. Wenn Sie nur die Zahl der Arbeitslosenempfänger und Sozialhilfeempfänger vergrößern, dann tut man denen vielleicht vordergründig einen Gefallen, weil es ihnen wirtschaftlich auch mit Sozialhilfe hier besser geht als in Schwarzafrika ohne Sozialhilfe. Nur Sie werden die Akzeptanz in Deutschland nicht unbedingt erhöhen. Natürlich braucht Deutschland eine Zuwanderung, aber wir brauchen eine Zuwanderung an Menschen, die entsprechende Qualifikationen aufweisen oder die wir qualifizieren können, damit sie nicht arbeitslos sind, sondern hier Berufe ergreifen können. Und da haben wir schon jetzt größte Probleme.

Schmitz:

Es fehlt an der Integrationspolitik. Es fehlt an der frühzeitigen Integrationsarbeit.

Wadephul:

Alles richtig. Aber es fehlt auch an der Bereitschaft, das anzunehmen, Herr Schmitz.

Schmitz:

Es fehlt teilweise auch die Bereitschaft, es anzunehmen, das streite ich gar nicht ab. Wie früh muss ich mit Integrationsarbeit ansetzen? Da kann ich nur sagen: So früh wie möglich. Das hat aber nicht damit zu tun, dass ich jetzt die Grenzen dicht machen will und sage, so viele kann ich nur noch reinlassen. Wenn ich Menschen ins Land reinlasse, lasse ich nicht nur die einzelne Arbeitskraft ins Land rein, es gibt ja den schönen Spruch: Wir haben Arbeitskräfte gerufen, und es sind Menschen gekommen. Ich ermögliche den Zuzug von Menschen, da gehören Familie und andere Faktoren mit dazu.
Ich wohne auf dem Land in Mittelholstein, und habe es auch erlebt, wie Schule absolut hilflos mit den Problemen umgegangen ist. Es ging um eine Familie aus Kasachstan, Deutsche vom Pass her, weil die Kinder aber die Sprache nicht sprachen, war die Schule hoffnungslos überfordert damit, die in den normalen Unterricht zu integrieren. Das ist ein kleines Beispiel, nicht repräsentativ, aber es mangelt grundsätzlich an Institutionen oder innerhalb der Institutionen an integrativen Leistungen und Möglichkeiten. Es gibt jetzt das Integrationskonzept Schleswig-Holstein, es gibt das Konzept der CDU, es gibt auch das der Landesregierung, was dieses Jahr noch vorgestellt wird...

Wadephul:

Das ist noch in der Erarbeitung. Das kennen wir noch nicht. Ich bin mal gespannt, ob da eine Disksussion dann noch möglich ist. Wir werden uns jedenfalls konstruktiv beteiligen. Aber Sie haben einen wichtigen Satz gesagt: Integration, insbesondere Sprachvermittlung, schaffen wir nur, wenn sie früh beginnt.
Und deswegen fordern wir als Union ja auch, das Nachzugsalter für Kinder zu senken. Weil die Erfahrung diejenige ist: Auch Kinder, die hier geboren werden, werden beispielsweise noch einmal in die Türkei zurück geschickt, zu den Großeltern, gehen da in die Grundschule, kommen dann erst später wieder hierher und haben dann große Probleme, sich hier zu integrieren. Sie müssen, wenn sie hier geboren werden und hier bleiben sollen, auch gleich hier in Deutschland bleiben und möglichst früh mit der Schule beginnen, in den Kindergarten gehen, dort nochmal Sprachunterricht begleitend bekommen, und gegebenenfalls in der Grundschule begleitend auch noch mal Sprachunterricht. Also Integration kann nicht früh genug beginnen.

Gegenwind:

Aber schaffen Sie damit nicht auch wieder Illegale, wenn Sie den Familien verbieten, ihre älteren Kinder zu holen? Sie können doch nicht verhindern, dass sie es trotzdem tun. Sie lassen die Kinder bis dreizehn oder vierzehn in der Türkei und holen sie dann illegal her.

Wadephul:

Das ist dann aber bewusste Illegalität. Ich bin gerne für eine Übergangsregelung, darüber kann man miteinander reden, die die Kinder betrifft, die jetzt in der Türkei sind. Aber jeder, der jetzt bewusst ein Kind, das er hier bekommt, in die Türkei schickt und in das Problem sich selber hineinmanövriert, dass er es dann mit 17, 18 zurückholen will, der hat selber schuld, denn der hat die Illegalität produziert und nicht der deutsche Staat.

Schmitz:

Dem kann ich leider nicht folgen. Bei der frühen Integration, da folge ich Ihnen gerne. Zum einen ist ziemlich klar geworden, ich kann mit gesetzlichen Maßnahmen nicht Illegalität von vornherein beschränken. Der Asylkompromiss ist angesprochen worden, er hat sicherlich nicht dazu geführt, dass weniger Flüchtlinge illegal hier sind, sondern eher die Zahl der Illegalen erhöht. Das heißt, wenn ich die legalen Möglichkeiten des Zuzugs begrenze, werden die Leute andere Wege finden.

Wadephul:

Das heißt, wir geben die Gesetzgebung jetzt auf?

Schmitz:

Nein, nicht aufgeben, sondern bewusst so gestalten, dass es realistisch bleibt. Und die Asylregelung mit dem Festlegen der Drittstaatenregelung ist nicht realistisch. Was Familiennachzug angeht, da gebe ich den Familien, die ihre Kinder in die Türkei oder nach Spanien oder nach Griechenland hinschicken, nicht alleine die Schuld. Diejenigen, die hier eine klare Bleibeperspektive haben, und diejenigen, die hier die Möglichkeit haben, auch umfassend ihre Familien nachziehen zu lassen, haben a) weniger Möglichkeiten und b) weniger Motivation, ihre Kinder in ihre Herkunftsländer zu schicken, damit sie dort ein Stück Sozialisation erfahren.

Wadephul:

Da gibt es ja das neue Staatsbürgerschaftsrecht.

Schmitz:

Das ist aber auch unbefriedigend mit der Optionsregelung. Das Staatsbürgerschaftsrecht wird sicherlich einiges erleichtern, wenn hier auch eine klare eindeutige Regelung geschaffen wird nach dem Prinzip, wer hier geboren ist, hat einen deutschen Pass, ganz egal, welchen Pass er noch hat. Ich denke auch, wenn hier das deutsche Schulwesen auf die Belange von Migranten besser eingestellt wird, mit früher Sprachförderung. Natürlich ist die Schulsprache Deutsch. Da gibt es gar kein Vertun. Aber ich denke, unsere Sprachgestaltung an der Schule muss man auch nochmal überdenken, wieweit hier nicht auch die Muttersprachen von Migrantenkindern eine stärkere Berücksichtigung über zweite, dritte Fremdsprache finden.

Wadephul:

Unterschreibe ich sofort.

Schmitz:

Ja. Ich denke, das sind aber alles Gründe, mit denen ich viel mehr erreiche, als wenn ich jetzt den Familiennachzug begrenze. Wenn ich hier Bedingungen schaffe, dass sich Migranten besser angenommen fühlen, dann erreiche ich auf der Motvationsschiene viel mehr als auf der gesetzlichen Regelungsschiene.

Wadephul:

Ich bin sehr dafür, dass wir die Motivation ausbauen. Ich bin mit Ihnen voll der Auffassung, dass wir an Sprachschulungen zu wenig gemacht haben. Ich muss Ihnen aber auch sagen, ohne einen gewissen Druck und ohne auch gewisse Grenzziehungen durch Gesetze erreichen Sie nichts.

Gegenwind:

Ich möchte noch mal auf die Gruppe der Illegalen zurückkommen. Wenn wir über Lösungen sprechen, dann ist ja immer die Rede davon, dass einige Nachbarländer diese Legalisierungskampagnen machen. Bis zu einer bestimmten Frist muss sich ein bestimmter Typ Illegaler, also zum Beispiel diejenigen, die keine Vorstrafe haben, die mindestens fünf Jahre im Lande sind, melden, und dann wird darüber entschieden, ob sie bleiben dürfen. Können Sie sich sowas vorstellen? Denn eine Million Menschen kann man ja auch Dauer nicht ignorieren.

Schmitz:

Ich kann mir sowas sehr gut vorstellen, weil man eben diese eine Million Menschen nicht nur nicht ignorieren kann, sondern auch nicht ignorieren sollte. Ich finde es gut, dass das Thema jetzt doch im Zusammenhang mit der Zuwanderungsdiskussion aus diesem Dunstkreis, wo es irgendwie schwebt, herausgeholt worden ist. Dass man wenigstens mal offen darüber spricht, dass es das gibt. Nicht immer so tut, Illegale gibt es nicht im Gesetz, also gibt es sie auch faktisch nicht. Ich denke mal, für die Menschen, die hier sind, sollte es eine Regelung geben. Das kann eine Legalisierungskampagne, das kann eine einmalige Geschichte sein, oder es kann auch über eine Härtefallregelung im Ausländergesetz geschehen. Es muss für die Menschen selbst eine Rechtsklarheit geschaffen wird, wo sie letztendlich bleiben können.

Wadephul:

Also ich bin mit Ihnen der Auffassung, dass man darüber reden muss, und dass das ein Faktum ist, das die Politik auch zur Kenntnis nehmen muss. Ich bin nicht ganz sicher, ob so eine generelle Legalisierungsaktion besonders viel bringt. Wenn Sie das einschränken, dann werden sich auch nur diejenigen melden, die eine Chance auf Legalisierung haben, und der ganze Rest meldet sich wiederum nicht. Wir kommen also eigentlich gar keinen Schritt weiter.

Schmitz:

Doch, wir kommen schon einen Schritt weiter.

Wadephul:

Welchen denn?

Schmitz:

Ich erfasse sie nicht alle, aber ich erfasse zumindest diejenigen, die eine Chance haben. Ich geben einem gewissen Prozentsatz die Möglichkeit. In Spanien, das weiß ich auch, war es bei der letzten Kampagne nicht so, dass jedem, der sich gemeldet hat, gesagt wird, hurra, da bist du, jetzt darfst du in Spanien bleiben. Sondern sie mussten auch einen Antrag stellen und gewisse Bedingungen erfüllen, es sind auch mehr Anträge eingegangen, als hinterher Legalisierungen erfolgt sind. Ich mildere das Problem und schaffe eine humanitäre Lösung.

Wadephul:

Dann lassen Sie uns darüber mal diskutieren, unter welchen Gesichtspunkten man so etwas machen könnte. Ich sage dazu nicht grundsätzlich nein, aber ich gucke mir sehr genau an, unter welchen Kriterien man dann zu einer Legalisierung kommern kann. Was gerade gesagt wurde, fünf Jahre straffrei hier leben, das wird mir wahrscheinlich nicht ganz ausreichen, aber an diesem Punkt zu diskutieren, wäre doch schon mal ein sinnvoller Anfang.

Schmitz:

Das ist richtig, ja. Für das Gespräch stehe ich natürlich gerne zur Verfügung, das mit den fünf Jahren finde ich durchaus eine überlegenswerte Geschichte. Auch unabhängig davon würde ich gerne Familienkriterien einbeziehen: Familienangehörige, die im Familienverbund leben und noch keinen Status haben. Man sollte die besondere Situation auch von Frauen bedenken, die hier geheiratet haben, dass sie eben frühzeitig auch zu einem eigenständigen Aufenthaltsrecht kommen.

Wadephul:

Okay. Spannende Fragen.

Gegenwind:

Dann bedanke ich mich für die Diskussion.

Moderation: Reinhard Pohl


Eine VHS-Videocassette mit dem ungekürzten Streitgespräch kann für 20 DM bei der Redaktion bestellt werden.


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