(Gegenwind 158, November 2001)

Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau:

Neue Gutachten fehlerhaft und wertlos

Wir dokumentieren nachfolgend die Stellungnahme der Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung zu den zusätzlichen Gutachten, die das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Kiel über den Ausbau des Kieler Flughafens in Auftrag gegeben haben und nun vorgelegt haben. Die erste Studie, die sogenannte Potentialanalyse, war Anfang dieses Jahres scharf kritisiert worden - nicht nur von GegnerInnen des Flughafen-Ausbaus. Ob die ergänzenden Gutachten eine bessere Entscheidungsgrundlage bieten, dazu nimmt die Bürgerinitiative ausführlich Stellung. Stadt und Land als Flughafen-Gesellschafter drängen zur Eile: Noch in diesem Jahr soll die Entscheidung fallen. (Redaktion Gegenwind)

Einleitung

Die wegen des extrem engen Zeitrahmens erschwerte, aber gleichwohl durchgeführte intensive Bewertung der Ergänzungsgutachten durch eigene sowie externe Fachleute der Bürgervereinigung hat erneut eklatante Mängel aufgezeigt. Nach der Potentialanalyse waren vertiefende Gutachten versprochen worden. Einige der vorgelegten Ausarbeitungen unterschreiten jedoch sogar noch das Niveau der unsäglichen Potentialanalyse.

Es zeigen sich in erster Linie drei wesentliche fast alle Gutachten betreffende Kritikpunkte:

Festzuhalten bleibt zunächst:

Bereits im Jahr 2000 hatte die Kieler Flughafen GmbH (KFG) von der Fa. Dornier die sog. Potentialanalyse erarbeiten lassen. Diese im Februar 2001 vorgelegte Untersuchung ist im Rahmen der folgenden öffentlichen Diskussion nicht nur von den Ausbaugegnern, sondern von vielen Politikern und fachkundigen Bürgern als inhaltlich unzureichend und zum Teil falsch sowie als untauglich für die anstehende politische Entscheidung stark kritisiert worden.

Im Rahmen vieler öffentlicher Veranstaltungen, die ganz überwiegend durch die betroffenen Gemeinden, durch Ortsbeiräte und durch die Bürgervereinigung organisiert worden sind, konnten sich die betroffenen Menschen ein Bild von den völlig unausgewogenen Ausbauplänen machen. Nicht zuletzt diese eigenen Erfahrungen führten dazu, dass binnen weniger Monate über 1300 Menschen aus Kiel sowie aus vielen von einem Ausbau betroffenen Gemeinden rund um die Kieler Förde Mitglied der Bürgervereinigung gegen einen Ausbau des Kieler Flughafens wurden und darüber hinaus mittlerweile weit über 14.000 Unterschriften gegen den Ausbau der Start- und Landebahn (SLB) gesammelt werden konnten.

Die Gesellschafter der KFG - das Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Verkehr für das Land Schleswig-Holstein und die Landeshauptstadt Kiel - haben sich aufgrund des erheblichen öffentlichen und politischen Druckes veranlasst gesehen, vertiefende Gutachten zur Vorbereitung einer Entscheidung über einen eventuellen Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau in Auftrag zu geben. Die Gutachten sind Anfang September endlich auch den Ausbaugegnern zur Verfügung gestellt worden. Für die eingehende fachliche Durchsicht der immerhin quantitativ umfangreichen Gutachten bleibt bei diesem Vorgehen kaum Zeit. Die politischen Entscheidungszeitpunkte sind nunmehr denkbar kurzfristig und ohne nachvollziehbare Begründung für die Eile gesetzt worden. Die politische Diskussion mit ersten Vorfestlegungen durch Landes- und Stadtpolitiker hat bereits unmittelbar mit Veröffentlichung der Gutachten begonnen.

Bei der folgenden Kritik der Einzelgutachten handelt es sich um eine gestraffte Zusammenfassung der umfänglichen, von der Bürgervereinigung gesondert vorgelegten Einzelstellungnahmen zu allen Gutachten Die gesammelten Einzelstellungnahmen können über die Geschäftsstelle der Bürgervereinigung sowie über das Internet (www.startbahn-kiel.de) bezogen werden.. Wegen Einzelheiten zur Begründung nachfolgend getroffener Aussagen wird auf die umfassenden Einzelstellungnahmen verwiesen.

Regional-ökonomische Effekte

(Gutachten Nr. 2, Autor: v. Rohr, Universität Kiel; die Bezifferung der Gutachten richtet sich nach dem Inhaltsverzeichnis im Gutachtenordner.)

Aus Sicht der Bürgervereinigung besteht bei dem ausgewählten Gutachter, Professor Dr. Götz von Rohr, die starke Besorgnis einer Befangenheit. Dieser hatte sich bereits zu Beginn der Auseinandersetzung öffentlich in unmissverständlicher Weise als uneingeschränkter Befürworter eines Flughafenausbaus zu erkennen gegeben (vgl. Bericht in den Kieler Nachrichten vom 22.02.01). Zudem gehört er zu den ausgewiesenen Beratern von K.E.R.N.-Gremien (vgl. IHK-Publikation WNO 8/2000) und kann nach Auffassung der Bürgervereinigung schon allein deshalb kein objektives Urteil zum K.E.R.N-Projekt "Ausbau des Flughafens Holtenau" abgeben.

Es wäre vor diesem Hintergrund mit Blick auf die sehr kontrovers geführte Diskussion nicht nur fair, sondern auch sachlich erforderlich gewesen, einen anderen Gutachter auszuwählen.

Die Aufgabenstellung der Studie selbst ist verfehlt. Aufgabe eines regionalökonomischen Gutachtens hätte es sein müssen, die regionalökonomischen Effekte eines Flughafenausbaus zu analysieren, um die Frage zu beantworten, ob und wie die untersuchte K.E.R.N.-Region dadurch positiv oder negativ betroffen werden würde. Tatsächlich aber befasst sich die Studie mit den regionalökonomischen Effekten einer eventuellen Flughafenschließung. Würde man - wie es eigentlich erforderlich gewesen wäre - die Effekte eines Ausbaus im Vergleich zum heutigen Zustand untersuchen, käme man zu ganz anderen Ergebnissen.

Die Untersuchungsmethodik entspricht nicht dem Stand der Wissenschaft. Für die erforderliche gesamtwirtschaftliche Beurteilung - und diese ist angesichts des erheblichen öffentlichen Mitteleinsatzes unbedingt notwendig - wäre es zwingend erforderlich gewesen, an Hand einer Kosten-Nutzen-Analyse zu prüfen, welche Effekte alternative Verwendungen der eingesetzten öffentlichen Investitionsmittel hätten erbringen können. Das Gutachten enthält hierzu jedoch überhaupt keine Ausführungen. Vielmehr lehnt es der Gutachter sogar mit nicht nachvollziehbaren Argumenten ab, dieses Standardinstrument der Projektbewertung anzuwenden. Als Methodik werden vielmehr Befragungen von Fluggästen und Unternehmen gewählt, ohne ein strategisches Antwortverhalten auszuschalten. In den Schlussfolgerungen tauchen die Ergebnisse dieser Befragungen dann noch nicht einmal mehr auf.

Die Ergebnisse der Studie beziehen sich, wie dargestellt, nur auf die Auswirkungen einer möglichen Flughafentschließung. Dafür sind die aus Sicht der befragten Unternehmen erwarteten negativen Effekte erstaunlich gering: Nur 7,8 Prozent befürchten mögliche Marktanteilseinbußen, für annähernd 85 Prozent wäre sogar die Schließung des Flughafens ohne Bedeutung für die weitere Entwicklung ihrer Unternehmen.

Ferner zeigen die Ergebnisse der Befragungen eindeutig, dass Holtenau weitgehend ein Flughafen für den begrenzten Bereich der Stadt Kiel ist und dies dann auch nur für einen kleinen Kreis von Unternehmen. Schon im Kieler Umland nimmt seine Nutzung stark ab. Ob dieser geringe Nutzen ein derart großes Investitionsvolumen, finanziert aus Steuergeldern, rechtfertigt, muss gerade auf der Basis dieses Gutachtens mehr denn je bezweifelt werden.

In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, dass allein das von der Bürgervereinigung, vielen Gemeinden und Kreisen sowie etlichen Politikern seit langem geforderte und gesetzlich vorgesehene Raumordnungsverfahren es ermöglichen würde, hier zu einer transparenten und dem ganzen Land dienenden Entscheidung zu kommen.

Passagierpotentiale

(Gutachten Nr. 3, Autor: Naeve, Landeshauptstadt Kiel)

Auch bei dieser Untersuchung handelt es sich nicht um ein unabhängiges Gutachten, sondern lediglich um einen internen Vermerk eines wein sungsabhängigen Mitarbeiters im Amt für Statistik des den Ausbau befürwortenden Wirtschaftsdezernenten der Landeshauptstadt Kiel.

Aufgabe der Untersuchung war es, die in der Potentialanalyse verwendeten Daten zu überprüfen, die methodische Berechnung des Potentials an Flugreisenden zu recherchieren und den mathematischen Weg zur Ermittlung der Fluggastzahlen in den Szenarien 1-3 der Potentialanalyse nachzuvollziehen. Diese Aufgabe hat die Untersuchung nicht erfüllt.

Ein realistisches Fluggastpotential ist auch in der neuen Untersuchung nicht ermittelt worden. Zum einen können die drei Potentiale Bevölkerung, Erwerbstätige und Geschäftsreisende nicht zur Berechnung eines Fluggastpotentials herangezogen werden. Die Potentialanalyse vermittelte fälschlicherweise diesen Eindruck und leitete daraus ein Fluggastpotential von 353.000 Reisenden im Jahr 2011 für Holtenau ab. Gegenüber dem Mitarbeiter der Stadt Kiel haben die Verfasser der Potentialanalyse inzwischen jedoch selbst schriftlich eingeräumt, dass sich die Fluggastzahlen aus den oben genannten Potentialen gar nicht ermitteln lassen.

Zum anderen ist die Berechnung der Basis-Potentiale, die die Stadt Kiel ihren Bewertungen zugrunde legt, selbst unbrauchbar. So ist z.B. die Annahme der Potentialanalyse, 80 Prozent der Gäste in Städten und 20 Prozent der Gäste in ländlichen Gebieten seien Geschäftsreisende, als "gutachterliche Freiheit" deklariert worden, ohne diese in irgendeiner Weise selbst untersucht zu haben. Dieses Vorgehen stellt sich bei genauem Hinsehen als blanker Unsinn dar. Die Befragung einer Auswahl von 13 Fremdenverkehrsämtern durch den Fremdenverkehrsverein Heikendorf hat ergeben, dass der Anteil der Geschäftsreisenden für diese Gemeinden unrealistisch hoch eingeschätzt wurde. Auch die beiden anderen Basis-Potentiale (Bevölkerung, Erwerbstätige) sind unter Einbeziehung fragwürdiger oder nicht nachvollziehbarer Kriterien berechnet worden und damit unbrauchbar.

Länge der Start- und Landebahn

(Gutachten Nr. 4, Autor: Voigt, Wirtschaftsministerium)

Auch bei dieser Untersuchung liegt kein unabhängiges Gutachten vor, sondern nur ein interner Vermerk eines weisungsabhängigen Mitarbeiters im Wirtschaftsministerium.

Es verwundert deshalb auch nur bedingt, dass der Bearbeiter nicht alle ihm vorliegenden Informationen verwertet hat. Die Bürgervereinigung hat ermittelt, dass die Herstellerfirma der ATR 42 bzw. 72, Avions de Transport Regional, auf Anfrage des Geschäftsführers der Kieler Flughafengesellschaft speziell für Kiel Berechnungen über die erforderlichen Start- und Landebahnlängen angestellt und diese bereits am 28.05.2001 der Kieler Flughafengesellschaft zur Verfügung gestellt hat (das entsprechende Schreiben liegt der Bürgervereinigung vor). Nach diesen Informationen können mit beiden ATR-Modellen alle derzeitigen Destinationen des Linienflugverkehres von der jetzigen Kieler Startbahn aus uneingeschränkt erreicht werden. Alle anderslautenden Aussagen von Seiten der KFG waren demnach falsch.

Insbesondere ist es auch unzutreffend, wenn zum Teil der Eindruck erweckt worden ist, dass neue europäische Regelungen (JAR-OPS I) einen Ausbau der Startbahnlänge in jedem Fall erfordern würden. Diese Regelungen sind vielmehr hinsichtlich des in erster Linie interessierenden Linienverkehrs bereits seit 1998 in Kraft und haben die Durchführung des Linienflugverkehrs von und nach Kiel-Holtenau seit drei Jahren nicht behindert.

Davon unabhängig hat die Flughafengesellschaft bis zum heutigen Tage keine exakte Berechnung der Startbahnlänge vorgelegt, die für einen wirtschaftlichen Einsatz von Cityjets erforderlich wäre. Innerhalb eines Aktionsradius von etwa 1100 Kilometer (weit mehr als eigentlich erforderlich) würden die Cityjets der Marktführer Bombardier, Embraer und Dornier nachweislich mit einer Startbahnlänge von deutlich weniger als 1600 Meter auskommen.

Die als "kleine" Lösung bezeichnete Startbahnverlängerung auf 1800 Meter + 300 Meter Overrun (= 2100 Meter effektive Startbahnlänge, da der Overrun voll auf die Startbahnlänge angerechnet werden kann) ist deshalb für den Linienflugverkehr viel zu lang und macht nur Sinn, wenn der Einstieg in den Pauschalreiseverkehr mit größeren Jets vorbereitet werden soll.

Das angebliche Regulativ einer nur 30 Meter breiten Startbahn ist dabei nur scheinbar stichhaltig und würde eine Nutzung mit Jets, die für den Pauschalreiseverkehr in den Mittelmeerraum geeignet sind, auf Sicht keineswegs ausschließen. Den öffentlichen oder privaten (?) Flughafenbetreibern dürfte es leicht fallen, mit dem Hinweis auf eine ansonsten katastrophale Wirtschaftlichkeit des ausgebauten Flughafens Holtenau bzw. dem Arbeitsplatzargument eine Startbahnverbreiterung zu einem späteren Zeitpunkt politisch und rechtlich durchzusetzen. Denn für zusätzliche Streifen von lediglich 7,5 Meter an beiden Seiten der Rollbahn wäre voraussichtlich nicht einmal ein Planfeststellungsverfahren erforderlich.

Die beiden Grundannahmen der Befürworter einer Startbahnverlängerung in Kiel,

sind damit nachweislich falsch.

Dies lässt wiederum den Verdacht aufkommen, dass es bei der Ausbaudiskussion gar nicht um den Erhalt des Linienflugverkehres von und nach Kiel geht, sondern eigentlich um etwas anderes: Vielleicht darum, die Grundvoraussetzungen für eine spätere Flughafenprivatisierung zu schaffen, die jedoch ohne Pauschalreiseverkehr keinen Interessenten finden kann!?

Flottenpolitik

(Gutachten Nr. 6, Autor: Steinhäuser, Wirtschaftsministerium)

Bei dieser Ausarbeitung handelt es sich nicht um ein unabhängiges Gutachten, sondern lediglich um einen internen Vermerk eines weisungsabhängigen Mitarbeiters des Wirtschaftsministeriums. Zur weiteren Begründung der Position der Ausbaubefürworter ist nur ein Zeitungsartikel beigefügt. Das allein spricht schon für sich.

Gerade zu dieser, für die Frage der Notwendigkeit eines Ausbaues entscheidenden Thematik hätte man erwarten dürfen, dass eingehende, objektivierbare und unabhängige Untersuchungen angestellt werden. Vorgelegt worden ist jedoch nur ein Gesprächsvermerk eines im Wirtschaftsministerium geführten Gespräches, der es nicht einmal ermöglicht, die wie dergegebenen Aussagen einzelnen Gesprächsteilnehmern zuzuordnen. Von Seiten des Wirtschaftsministeiriums ist mittlerweile öffentlich eingeräumt worden, dass das Gespräch unter der Vorgabe einer Verlängerung der Startbahn auf mindestens 2100 Meter stand. Der Problematik angemessen wäre jedoch eine Diskussion der Fragestellung gewesen, ob und ggf. auf welche Länge die Kieler Start/Landebahn ausgebaut werden muss, damit der Linienverkehr auch zukünftig aufrechterhalten werden kann.

Die Bürgervereinigung hat vor diesem unbefriedigenden Hintergrund eigene Ermittlungen zu der Flottenpolitik der Regionalfluggesellschaften mit folgendem Ergebnis angestellt:

Warum also soll es in Kiel unmöglich sein, auch in Zukunft weiter von einer 1260 Meter langen Startbahn mit Turbopropmaschinen den für die Geschäftsleute erforderlichen Linienflugverkehr abzuwickeln? Geht es überhaupt um die Sicherung des Linienverkehrs, oder geht es eigentlich um die Vorbereitung einer Privatisierung, die wiederum erfordern würde, dass der Flughafen auch für den Pauschalflugverkehr genutzt werden kann?

Luftfahrzeugbewegungen und Modellflugplan

(Gutachten Nr. 7, Autor: Köhn, Kieler Flughafengesellschaft)

Es ist erneut zu kritisieren, dass es sich auch bei dieser Untersuchung nicht um ein unabhängiges Gutachten handelt, sondern nur um eine Ausarbeitung, die vom Geschäftsführer der den Ausbau betreibenden Kieler Flughafengesellschaft selbst erstellt worden ist. Eine unabhängige, nicht der Besorgnis der Befangenheit unterliegende Ausarbeitung konnte hier deshalb nicht erwartet werden und liegt auch nicht vor!

Die Arbeit selbst zeigt dann auch die Befangenheit des Bearbeiters deutlich auf. Das gesamte Zahlenwerk beruht auf subjektiven Prognosen und Schätzungen und kann mangels Offenlegung der Prognose- bzw. Schätzungsgrundlagen nicht nachvollzogen werden.

Das Gutachten ist damit als Entscheidungsgrundlage gleichfalls wertlos.

Fluglärmbelastung

(Gutachten Nr. 8, Autor: Becker, BeSB GmbH)

Das Fluglärmgutachten ist auftragsorientiert und von einem der Besorgnis der Befangenheit unterliegenden Gutachter erstellt worden mit dem Ziel, ein möglichst positives Ergebnis für den Ausbau des Flughafens zu erreichen. Beauftragt wurde derselbe Gutachter, der im Rahmen der Potentialanalyse bereits das Schallgutachten erstellt hatte und dem damals im Rahmen der Diskussion bereits Befangenheit und nicht ausreichende Fachkenntnis vorgehalten wurde. Eben dieser Gutachter erhielt nunmehr Gelegenheit, sein eigenes Gutachten gewissermaßen als Obergutachter zu überprüfen. Es verwundert nicht, dass hierbei die damals bereits kritisierten Feststellungen bestätigt worden sind.

Die Basisdaten der Aufgabenstellung wurden wiederum unreflektiert ohne die erforderlichen Korrekturen oder Kommentierungen übernommen. Die Ausarbeitung verwendet nur sehr grobe Betrachtungsweisen und vernachlässigt bewusst oder unbewusst die konkreten Gegebenheiten des hiesigen Standortes.

Der Gutachter selbst betont, dass "seine Ausarbeitung kein Gutachten im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder ähnlichen Verfahrens ist". Gleichwohl jedoch legt er Beurteilungsmaßstäbe aus Sicht einer Genehmigungsfähigkeit an. Dieses Vorgehen ist nicht akzeptabel, da sein schalltechnisches Gutachten allein den verantwortlichen Politikern als Entscheidungshilfe dienen wird. In einem solchen Planungsstadium darf deshalb nicht auf das aus genehmigungsrechtlicher Sicht zwingend notwendige Mindestschutzmaß abgestellt werden. Vielmehr muss das Konfliktpotential in seiner Gesamtheit ermittelt werden, um eine entsprechende fachplanerische Abwägung zu ermöglichen (vgl. §50 BImSchG, Bundesdrucksache 14/2300 Abs. 3.5.9.6, §6[2] und § 9[2] LuftVG, OVG Koblenz vom 26.09.2000).

Als maßgebliche Grundlage hätte sich deshalb insbesondere die LAI Leitlinie Fluglärm vom 14.05.1997 angeboten. Diese auch vom Land Schleswig-Holstein mit erarbeitete Regelung entstand, da die Länder die Werte des Fluglärmgesetzes von 1971 als für den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm nicht ausreichend angesehen haben. Die Leitlinie aber verweist hinsichtlich der Immissionswerte auf die DIN 18005/1/1, wonach in reinen Wohngebieten tagsüber ein Orientierungswert von 50 dB(A) gilt; der Gutachter aber legt einen solchen von 60 dB(A) zugrunde.

Abgesehen von dieser grundlegenden Kritik, mit der bereits das gesamte Gutachten als wertlos für den weiteren Entscheidungsgang eingestuft werden kann, sind aber auch im Rahmen der Ausarbeitung schwerwiegende fachliche Mängel festzustellen:

Das vorgelegte Lärmgutachten weist derart schwere methodische Mängel auf, dass die Politik mit seiner Hilfe das lärmbedingte Konfliktpotential zwischen einer möglichen Startbahnverlängerung und den Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Nachbarschaft nicht richtig abschätzen kann. Das Gutachten verniedlicht die Lärmbelastung der Umgebung des Flughafens und täuscht eine Umweltverträglichkeit der Maßnahme vor, die so nicht gegeben ist. Das Gutachten ist als Entscheidungshilfe abzulehnen.

Schadstoffbelastung

(Gutachten Nr. 9, Autor: Schmonsees, argumet)

Die Bürgervereinigung hat den ehemaligen Direktor des Instituts für Toxikologie an der Christian-Albrechts-Universität, Professor Dr. Otmar Wassermann um eine Kommentierung des Gutachtens gebeten. Seine umfassende Bewertung ist in der Sammlung der Einzelstellungnahmen enthalten.

Zusammengefasst kommt Prof. Dr. Wassermann zu folgender Bewertung:

"Das von der Flughafengesellschaft Kiel beauftragte »Büro argumet« hat bisher den bei seriösen Gutachtern üblichen Nachweis der Unabhängigkeit und fachlichen Qualifikation für die gestellte Aufgabe (z. B. für »Lufthygiene«) nicht geliefert. Ihre »Vorstudie« beweist jedoch, dass ihre Verfasser für den Bereich »Lufthygiene« nicht ausreichend qualifiziert sind. Das »Büro argumet« ist im Kieler Institut für Toxikologie unbekannt.

Basierend auf der bekannt zweifelhaften Datenbasis der »Potenzialanalyse« der Fa. Dornier System Consult wurden von zwei Diplom-Meteorologen auf dem Niveau relativ einfacher (also nicht hochauflösender, wie es notwendig wäre) Ausbreitungsberechnungen Emissions- und Immissionsberechnungen angestellt, die daher von vornherein unbrauchbar sein müssen.

Die »Vorstudie« beschäftigt sich zudem nur mit einem schmalen Ausschnitt der eigentlich notwendigen umfassenden, human- und umwelttoxikologischen sowie umweltmedizinischen Bewertung der Ausbaupläne. Sie liefert hierfür kaum brauchbare Informationen.

Der Wert dieser »Vorstudie« wird dadurch weiter geschmälert, dass zahlreiche zusätzlich vereinfachende Einschränkungen (u. a. »Jahresmittelwerte«), Annahmen und Spekulationen etc. eingeflossen sind, die dazu beitragen, das von einer Erweiterung des Flugplatzes Kiel-Holtenau tatsächlich ausgehende Gefahrenpotential erheblich zu unterschätzen."

Veränderung der Verkehrsführung der Bundesstraße 503

(Gutachten Nr. 10, Autor: Conradt, Wirtschaftsministerium)

Auch hier ist zu kritisieren, dass es sich bei dieser Untersuchung nicht um ein unabhängiges Gutachten handelt, sondern nur um einen weiteren Vermerk eines weisungsabhängigen Mitarbeiters des den Ausbau befürwortenden Wirtschaftsministers.

Im Rahmen der Untersuchung sind von der Abteilung Straßenbau des Wirtschaftsministeriums vier Lösungen zur Verlängerung der Start- und Landebahn und daraus sich ergebende Änderungen in der Verkehrsführung der B503 untersucht worden.

Von den Befürwortern jedoch wird bereits die Variante 2.2 (westliche Umfahrung der B503 um die auf 2100 Meter verlängerte SLB) als ein positiver Kompromiss gegenüber der Tunnellösung gepriesen. Die Auswirkungen dieser Umfahrung allerdings sind besonders für Holtenau, Knoop und Stift, daneben aber auch für den ganzen Norden Kiels in hohem Maße als negativ einzustufen, und zwar in keiner Weise geringer als bei der sog. Tunnellösung:

Von den Befürwortern wird die neue Straße im übrigen als wirksamer Riegel gegen eine weitere Verlängerung und somit gegen Pauschalreiseverkehr und Cargo hervorgehoben. Dies ist - wie dem als Anlage zum Gutachten beigefügten Höhenprofil zu entnehmen ist - unzutreffend, weil die B503 im Bereich der SLB ca. 5 bis 6 Meter tiefer liegt als die SLB. Damit würde eine spätere Verlängerung über die neue B503 hinaus problemlos möglich werden. Das Höhenprofil macht auch deutlich, dass die neue B503 in eine künstliche Schlucht von etwa 600 Meter Länge und 5 Meter Tiefe zwischen der SLB und den Lärmschutzwänden, die an den Ortsteil Stift grenzen, gezwängt wird. Der Fluglärm vom Taxiway und der SLB würde jedoch völlig ungehindert über die Lärmschutzeinrichtungen der B503 hinweggehen.

Unglaubwürdig erscheint schließlich auch die Kostenschätzung für die Verschwenkung der Straße. Während die Kosten für den Straßenneubau noch einigermaßen nachvollziehbar sind, scheinen die übrigen (im Ansatz überhaupt nicht nachvollziehbaren) Kosten (Abbrüche, Tankstellenverlegung, etc.) in Höhe von exakt 15,6 Millionen DM derart - zu gering - geschätzt worden zu sein, dass sich auf jeden Fall ein (vorgegebenes?) Gesamtergebnis von genau 50 Millionen DM ergibt.

Bahnanbindung Hamburg-Fuhlsbüttel

(Gutachten Nr. 12, Autor: Kollberg, Intraplan)

Das Gutachten kommt zusammengefasst zu dem Ergebnis, eine Flughafenbahn zum Flughafen Hamburg

Experten des in dieser Materie sehr fachkundigen Fahrgastverbandes Pro Bahn haben vor dem Hintergrund dieses zunächst deutlich erscheinenden Gutachtenergebnisses auf Bitte der Bürgervereinigung die Aussagen des Gutachtens überprüft und kommen dabei zu folgendem Ergebnis:

"Unzutreffend seien bereits die angewendeten Hochrechnungsmethoden, der gewählte Ansatz der Kosten und die Wahl der Fahrzeuge sowie die für notwendig angesehenen teuren Baumaßnahmen.

Sich nur mit diesen ingenieurtechnischen Fragen zu beschäftigen, wäre vergleichbar damit »an Nachkommastellen zu drehen, obwohl die Vorkommastellen das Problem sind«.

Aus der Sicht von Pro Bahn musste es zu dem negativen Gutachtenergebnis kommen, weil der Flughafen-Express als Fremdkörper im Bahnsystem behandelt werde.

So heißt es im Gutachten, dass man »die Zeitlagen des ITF (Integralen Taktfahrplanes) 2002 voraussetzt, denen der Flughafen-Express unterzuordnen sei«. Dies wäre genauso, als wäre es dem derzeit verkehrenden Flughafen-Bus verboten, langsamere Fahrzeuge, wie Traktoren und Lastwagen zu überholen. Noch grotesker erscheint dabei die Begründung, der »Flughafen-Express sollte zu keiner Verschlechterung des allgemeinen Bedienungsangebotes führen«. Danach dürften ausschließlich Fluggäste diesen Zug benutzen! Hierbei wird verkannt, dass der Flughafen-Express selbst ein hervorragender Bestandteil des ITF sein und wesentlich zu dessen Verbesserung beitragen könnte.

Mehrfach weisen die Gutachter deshalb auch darauf hin, dass Synergieeffekte ausgelassen wurden, und der Flughafen-Express isoliert nachrangig betrachtet werde. Die Gutachter selbst räumen somit ein, dass die Untersuchungen unvollständig sind. Es bleibt allerdings zu vermuten, dass dieses eher ein Problem der Aufgabenstellung als eines der Gutachter gewesen ist."


Das Gutachten beantwortet nach erster Einschätzung von Pro Bahn damit lediglich die Fragen, ob ein Flughafen-Express in den Fahrplan als Fremdkörper untergeordnet eingefügt werden kann und ob die Fluggastzahlen alleine ausreichen würden, die Züge zu füllen.

Dass diese Fragen - erwartungsgemäß - verneint werden, zeigt lediglich, dass Bahnfahrpläne von der Integration verschiedener Linien leben, und dass das Fluggastaufkommen (Passagiere/Jahr) insgesamt im Verkehr eine nachrangige Rolle spielt.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass trotz der Untersuchung mehrerer Varianten einer Flughafenbahn nach Fuhlsbüttel die eigentlich grundlegende Fragestellung offen geblieben ist: Wie ist eine Bahnanbindung an den Flughafen Hamburg unter ökologischen und ökonomischen Aspekten zu beurteilen, wenn diese Bahnverbindung in das vorhandene Angebot integriert würde und sämtliche daraus resultierenden Synergieeffekte mitbetrachtet werden.

Pro Bahn und die Bürgervereinigung fordern daher die Verantwortlichen auf, dieses Versäumnis bis zur Ausbauentscheidung nachzuholen. Andernfalls muss davon ausgegangen werden, dass eine Schienenanbindung an den Flughafen Fuhlsbüttel als Alternative zum Flughafenausbau von vornherein nicht gewollt war und lediglich zum Schein geprüft wurde.

Alternative Standorte für einen Regionalflughafen

(Gutachten Nr. 13, Autor: Schmidt, Weidleplan)

Bereits die Vorgaben des Auftragstellers und ein elementarer Fehler in der Methodenwahl machen dieses Gutachten weitgehend wertlos. Der Gutachter übernimmt unkritisch die in der Potentialanalyse mit zweifelhaften Schätzungen ermittelten Potentiale für Kiel und rechnet die Möglichkeiten der anderen Standorte mit einer völlig anderen, gänzlich abweichenden Rechenmethode herunter. Vergleichbare Ergebnisse lassen sich durch ein solches Vorgehen nicht erzielen.

Weitere Methoden- und Rechenfehler führen zu dem falschen Ergebnis, wonach Kiel die höchsten Fluggastpotentiale aufweist. Es widerspricht aber schon gesundem Menschenverstand, Kiel in seiner geographischen Randlage zu dem interessantesten Standort im nördlichen Schleswig-Holstein zu machen. Die hierzu bemühte Isochronenmethode ist nicht geeignet, eine objektive Ermittlung der möglichen Fluggastpotentiale zu beschreiben. Dies wurde bereits in der Potentialanalyse erkannt. Denn in der dort gewählten Szenariomethode wurden bewusst Potentiale außerhalb der Isochronen einbezogen. Wenn dies für Kiel richtig ist, hätte dies auch für alle anderen Standorte gelten müssen.

Dennoch können aus der Interpolation der vorhandenen Gutachten folgende Feststellungen getroffen werden:

In Zahlen ergeben sich folgende Einwohnerzahlen in den jeweiligen Einzugsgebieten:

  Jagel Hohn Neumst. Kiel
FL 84.449 20.000 20.000 20.000
KI 233.795 233.795 233.795 233.795
NMS 80.243 80.243 80.243 80.243
HEI 61.000 136.920 136.920 0
NF 163.974 163.974 95.500 73.000
OH 0 0 0 100.000
PI 0 0 180.000 0
PLÖ 131.960 131.960 131.960 131.960
RD 268.220 268.220 268.220 268.220
SL 196.416 120.000 120.000 120.000
SE 0 0 120.000 0
IZ 0 0 110.000 0
Summe 1.220.057 1.155.112 1.496.638 1.027.218
in % v. Kiel 119 112 146 100

Neumünster ist danach der Standort mit dem größten Versorgungsgebiet. Kiel fällt dagegen deutlich ab.

Das Kieler Fluggastpotential bleibt hinter anderen zurück.

Selbst mit der von ihm selbst gewählten - fehlerhaften - Methodik hätte der Gutachter ohne weitere Fehlleistungen bei der Berechnung der Passagierpotentiale (siehe Tabelle auf Seite 68 des Gutachtens) zu folgenden Ergebnissen kommen müssen:

  Gesamtverkehr
Schleswig/Jagel 182.500
Rendsburg/Hohn 232.850
Neumünster-Süd 202.700
Kiel-Holtenau 215.768

Danach wäre ein Flughafenausbau etwa in Hohn nicht nur billiger, sondern auch wirtschaftlicher als in Kiel.

Hätte der Gutachter die Potentiale für alle Standorte mit einer einheitlichen Methode ermittelt, wäre das Ergebnis für Kiel vermutlich noch deutlich hinter den Zahlen der Alternativstandorte zurückgeblieben.

Der Gutachter geht ferner mit keinem Wort auf künftige Entwicklungen im Verkehrsnetz ein. Die A20 wird in absehbarer Zeit eine bedeutende Änderung der Verkehrsströme in Schleswig-Holstein bewirken. Durch die Vollendung der A20 mit einer Elbquerung westlich von Hamburg wird erstmals eine schnelle West-Ostverbindung im Land entstehen. Die A20 wird die bisher von Nord nach Süd verlaufenden Autobahnen7 bei Bad Segeberg, Bad Bramstedt und nördlich von Elmshorn verbinden. Neumünster wird somit nahe am Schnittpunkt aller Autobahnen des Landes liegen und seine Position als Verkehrsknoten in Schleswig-Holstein weiter ausbauen. Mit der A20 würde es sogar für Lübecker Bürger attraktiv, einen Flughafen Neumünster zu nutzen. Über die A20 würden außerdem im Einzelfall Fluggäste aus dem westlichen Mecklenburg und dem nördlichen Niedersachen angesprochen. Unter diesen Gesichtspunkten wäre Neumünster der mit Abstand attraktivste Standort.

In Kiel werden mehr Menschen vom Lärm belästigt als an jedem anderen Standort.

Das Gutachten bezieht sich bei der Ermittlung der lärmbetroffenen Bevölkerung lediglich auf eine geringe Anzahl entschädigungsberechtigter Personen. Dies kann nicht die Grundlage für eine politische Entscheidung sein. Es geht nicht darum zu beurteilen, wie viele Menschen unerträglich vom Lärm betroffen sind, sondern es ist die Zahl der Personen zu quantifizieren, deren Lebensqualität entscheidend beeinträchtigt sein wird. Die genannten Zahlen bagatellisieren das Problem in eklatanter Weise und täuschen damit die Entscheidungsträger über das wirkliche Ausmaß der Belastungen.

Die Entscheidungsträger müssen wissen, wie viele Menschen in welchen Zonen (>45 dB(A), >50 dB(A), >55 dB(A)) leben. Nur dann kann abgewogen werden, ob eine "Gewerbeförderung" es wert ist, die Lebensqualität von vielen Tausenden Menschen einzuschränken, was bei einem Ausbau des inmitten von Wohngebieten gelegenen Standortes Holtenau der Fall wäre. Die >45 dB(A) Isophone betrifft hier nämlich mehr als 50 Prozent der Ortsteile Holtenau und Stift, zusätzlich noch die Ortsteile Knoop, Schusterkrug, sowie Bereiche der Ortsteile Friedrichsort und Projensdorf (Anhang zu Blatt 54 des Lärmgutachtens vom 19.7.2001).

Kiel ist die teuerste Variante.

Bereits eine überschlägige Prüfung der Massen und Preise ergibt, dass die Kosten für Holtenau offensichtlich bewusst heruntergerechnet, die für Neumünster und Jagel demgegenüber heraufgerechnet worden sind.

Tatsächlich wäre aber von folgenden Kosten auszugehen (zur Berechnung vgl. die ausführliche Stellungnahme der Bürgervereinigung zu diesem Gutachten):

  Jagel Hohn Neumst. Kiel
Kosten 96 Mio. 109 Mio. 185 Mio. 202 Mio.
K./Bev.* 78,69 DM 94,37 DM 123,66 DM 196,69 DM
*Quotient Kosten/Bevölkerung im Einzugsgebiet

Der Standort Jagel wäre danach etwa um den Faktor 2,5 günstiger als Kiel.

Unter Kostengesichtspunkten wäre danach Jagel, unter Versorgungsgesichtspunkten Neumünster der geeignetste Standort für einen Flughafen, der zudem nicht nur Kiel, sondern das ganze nördliche Schleswig-Holstein in adäquater Weise bedienen könnte.

Trägerschaft und Wirtschaftlichkeit sowie Finanzierung des Gesamtprojektes

(Gutachten Nr. 14, Autor: Fink, rt)

Hier ist in besonderer Weise zu kritisieren, dass durch die vorgelegte Untersuchung nicht einmal ansatzweise dargelegt worden ist, wie und von wem das Gesamtprojekt "Ausbau des Flughafens" denn eigentlich finanziert werden soll. Im Inhaltsverzeichnis zu dem Gutachtenordner ist das Gutachten zwar noch mit dem Thema "Finanzierung und betriebswirtschaftliche Analyse" angekündigt worden, tatsächlich beschäftigt sich dieses Gutachten dann aber nur - und dies auch noch höchst angreifbar - mit einer schlichten sog. "Wirtschaftlichkeitsberechnung für die Kieler Flughafengesellschaft". Völlig offen bleibt, aus welchen öffentlichen Kassen und nach welcher Beteiligungsquote die immerhin dreistelligen Millionenbeträge für einen Ausbau kommen sollen. Nach Auffassung der Bürgersvereinigung fehlt damit eine grundlegende Erkenntnisquelle für die zu treffende politische Entscheidung, eine Entscheidungsreife ist schon deshalb nicht gegeben. Unzureichend sind insoweit auch die vom Wirtschaftsdezernenten der Stadt Kiel in jüngster Zeit angedeuteten Finanzierungsmöglichkeiten, da diese eben nur vage Möglichkeiten, keine gesicherten Finanzierungszusagen beinhalten. Für eine politische Entscheidung besteht auch nach diesen Zahlen kein Raum!

Unabhängig von dieser grundlegenden - dem Auftrageber zuzuordnenden - Problematik ist das Gutachten von erschreckender Fehlerhaftigkeit in der Ausarbeitung und klaren ergebnisleitenden Vorgaben der Auftraggeber geprägt.

Kein unabhängiges eigenständiges Gutachten
Für diese wichtige Fragestellung liegt kein unabhängiges eigenständiges Gutachten vor, sondern nur eine Zusammenstellung von nicht weiter untersuchten Ausgangszahlen der Kieler Flughafengesellschaft (KFG), die einer "allgemeinen Plausibilitätsprüfung" unterzogen wurden. Zur Richtigkeit und Angemessenheit dieser Daten bezieht die beauftragte Prüfgesellschaft keine Stellung.

Planungsansätze nicht realistisch
Zahlreiche Planungsansätze sind nicht angemessen, so z.B.:

Der Trick mit den Rabatten
Nach 2006 erhöhen sich unvermittelt die Einnahmen des Flughafens schlagartig. Diese Erhöhung ergibt sich aus einem Abbau der bis dahin gültigen 50-prozentigen Rabattierung der Landeentgelte. Nur für neue Linien soll die Rabattierung weiterhin gelten. Es ist nicht plausibel, dass nach 2006 eine 50-prozentige Verteuerung am Markt durchsetzbar sein soll, ohne dass dies zu Einbrüchen bei der Frequentierung des Flughafens führt. Warum kann man dann die Landeentgelte nicht bereits heute erhöhen, um die laufenden Defizite des Flughafens zu reduzieren?

Durchgehend negative Betriebsergebnisse
Das Betriebsergebnis (Einnahmen minus Ausgaben) vor Abschreibungen, die nur auf die mit Eigenmitteln finanzierten Investitionen berechnet wurden, ist von 2001 bis 2011 durchgehend negativ - auch ab 2006, nach Fertigstellung des erweiterten Flughafens. Von 2001 bis 2011 beträgt das negative Betriebsergebnis insgesamt (akkumuliert) 16,5 Millionen DM, für die Jahre nach dem Ausbau 2006 bis 2011 immer noch 8,7 Millionen DM. Es werden nicht einmal die anfallenden Kosten verdient.

Das Betriebsergebnis nach Abschreibungen ist noch deutlicher im Minus. Selbst im Jahre 2011 machen die Betriebsverluste noch 40 Prozent der gesamten Betriebsleistung (Umsätze) aus. Diese Strukturdaten sind ein deutliches Indiz dafür, dass auch weit nach 2011 Betriebsverluste realisiert werden, und dieses vor dem Hintergrund steigender Aufwendungen für Reparatur-, Ergänzungs- und Erneuerungsinvestitionen.



Millioneninvestitionen trotz Schließung?
Bei der Betrachtung des Szenarios 1 (keine Startbahnverlängerung) geht die KFG unrealistischerweise von rd. 14 Millionen DM Investitionen aus, obwohl bei dieser Variante der Flugbetrieb 2011 auf Grund sinkender Akzeptanz eingestellt werden muss. Ein solcher Ansatz ist bei sinkenden Erträgen nicht nachvollziehbar. Die Personalkosten bleiben dennoch erstaunlicherweise konstant und machen mit 2,7 Millionen DM schließlich knapp 90 Prozent des gesamten Umsatzes aus.

Unterlassene Abschreibungen
Die Abschreibungen sind lediglich auf den Eigenanteil der KFG berechnet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung heißt dies aber, dass diese viel zu niedrig angesetzt sind. Der Wertverfall der neuen Anlagen tritt unabhängig von einer Abschreibung ein. Unterlassene Abschreibungen führen deshalb zwangsläufig zu höheren laufenden Bezuschussungen durch die Gesellschafter, wenn der Betrieb des Flughafens funktionsfähig bleiben soll.

Weiter Defizite in Millionenhöhe
Das Land Schleswig-Holstein und die Stadt Kiel werden Jahr für Jahr die jährlichen Fehlbeträge ausgleichen müssen. Diese betragen bis 2011 knapp 26 Mio. DM, und zwar bei einer Finanzierung der Investitionen mit öffentlichen Mitteln von 70 Prozent. Eine geringere Förderung würde das Ergebnis noch weiter verschlechtern.

Die Behauptung, der Ausbau des Kieler Flughafens sei wirtschaftlich, kann bei diesen Zahlen nur Erstaunen hervorrufen.

Vielmehr ist der Ausbau bei allen zu Grunde gelegten Szenarien betriebswirtschaftlich gesehen unwirtschaftlich und gesamtwirtschaftlich unverantwortlich. Weit über 100 Millionen DM Steuermittel würden investiert werden, nur um dadurch laufend hohe Betriebsverluste zu erzeugen. Diese müssten auch nach längerer Laufzeit des ausgebauten Flughafens ständig weiter aus öffentlichen Mitteln ausgeglichen werden.

Und dies alles würde erfolgen vor dem Hintergrund einer dramatisch schlechten Haushaltssituation von Stadt und Land, die bereits zu schmerzhaft spürbaren Einschränkungen in allen Bereichen führt und nach allen Erkenntnissen weiter führen wird!

Nachvollziehbar wäre ein solches Vorgehen nur dann, wenn unmittelbar nach einem Ausbau die Anteilseigner des Flughafens, d.h. Stadt und Land, den Flughafen privatisieren und damit die eingesetzten Mittel zurückerhalten würden.

Begründet dies die behauptete "Wirtschaftlichkeit" des Projektes, die sich betriebswirtschaftlich überhaupt nicht darstellen lässt?

Fazit

Die Bürgervereinigung stellt zusammenfassend fest:

Die Bürgervereinigung fordert deshalb:

Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung Kiel-Holtenau e.V.

Weitere Informationen zur Kontroverse um den Ausbau des Kieler Flughafens und insbesondere zahlreiche Gutachten, sogenannte Gutachten sowie Gegengutachten findet man im Internet.

Unter www.startbahn-kiel.de erhält man die detaillierten Stellungnahmen der Bürgervereinigung gegen die Startbahnverlängerung.

Die offiziellen Gutachten und "Gutachten" finden sich auf der Website des schleswig-holsteinischen Wirtschaftsministeriums unter der Adresse landesregierung.schleswig-holstein.de.

die Red.

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