(Gegenwind 122, November 1998)

Gegen die "Wehrmachtsausstellung" im Kieler Landeshaus:

Reaktionäre "Mobilmachung"

Die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wird - seitdem sie in den letzten drei Jahren in verschiedenen Städten der BRD und Österreichs gezeigt wurde - von Protesten konservativer und rechtsextremer Kreise begleitet. Von verbalen Attacken, militanten Anschlägen, Kundgebungen, kleineren Demonstrationen, großformatigen Hetzanzeigen in Tageszeitungen bis hin zum bislang größten Aufmarsch der Nazi-Szene seit den siebziger Jahren lässt sich die Liste der faschistischen Aktivitäten gegen die Ausstellung fortsetzen.

Den vorläufigen Höhepunkt der rechten Mobilisierung bildete die Demonstration unter Führung der NPD und ihrer Jugendorganisation JN am 1. März 1997 in München, an der circa 5000 Alt- und Neonazis teilnahmen. In Dresden, wo die Ausstellung Anfang dieses Jahres zu sehen war, marschierten bei einer ebenfalls von NPD/JN organisierten Demonstration am 24. Januar 1998 rund 1200 Nazis gegen die Wehrmachtsausstellung. Auch hier lautete das Motto "Unsere Großväter waren keine Verbrecher".

Und darin sind sie sich einig: die militanten Stiefelnazis (alte wie neue) mit den erzreaktionären und sich bürgerlich gebenden CDU/CSU-Anhängerlnnen, die Bundeswehr und die Soldatenverbände mit konservativen Hochschuldozenten und Professorlnnen sowie Burschenschaften, "Vertriebenen"-Organisationen und die bürgerlich-reaktionäre Presse wie »Welt«, »Focus«, »FAZ« etc. Die Gegner der Ausstellung haben sich vor allem auf zwei Ziele eingeschossen: Einerseits wird versucht, den Ausstellungsmacher Hannes Heer als unglaubwürdig darzustellen, indem man ihm seine SDS- und DKP-Vergangenheit vorwirft. Andererseits wird die Authentizität der gezeigten Dokumente in Zweifel gezogen, und die Fotos werden schlichtweg als Fälschungen diffamiert.

Der Streit um die Exposition, der bislang in Bayern die höchsten Wellen schlug, hat erwartungsgemäß auch Schleswig-Holstein erreicht. Erste Reaktionen gab es aus der CDU-Landtagsfraktion vom damaligen CDU-Oppositionschef Ottfried Hennig, nachdem Landtagspräsident Arens (SPD) Ende Februar 1997 die Entscheidung für die Einladung der Ausstellung nach Kiel bekannt gab. Hennig verfiel sogleich in den üblichen Vorwurf der Einseitigkeit an die ausgestellten Dokumente und Fotos und bemühte die alte Mär von den wenigen Einzeltätern innerhalb einer ansonsten sauberen und unschuldigen Wehrmacht. Unterstützung erhielt Hennig u.a. von den Kreisverbänden der Junge Union (JU) Plön und der Seniorenunion (SU) Plön. Diese warfen auf einer gemeinsamen Veranstaltung im Januar 1998 den Ausstellungsmachern Unseriosität und Unwissenschaftlichkeit vor. "Tatsächliche Verbrechen durch Einheiten und Soldaten der Wehrmacht werden zum Pauschalvorwurf gegen alle ehemaligen Soldaten verallgemeinert und damit eine ganze Generation in ihrem Ehrgefühl verletzt", so der Tenor. Die Kreisvorsitzenden der beiden CDU-Vereinigungen forderten den Landtagspräsidenten auf, die Einladung an die Ausstellungsveranstalter wieder zurückzuziehen.

Unterstrichen wird diese Forderung auch von Ottfried Hennigs Nachfolger, dem jetzigen CDU-Landeschef Peter Kurt Würzbach, den selbst die konservativen »Kieler Nachrichten« als "weit rechts von der Mitte stehend" bezeichnen. In einem Interview mit der Tageszeitung »Die Welt« im März 1998 sieht Würzbach den "inneren Frieden in Schleswig-Holstein stark belastet", wenn die Wehrmachtsausstellung wirklich im Landeshaus gezeigt wird.

Der Oberstleutnant a.D. Würzbach sieht "eine ganze Generation durch die Gleichstellung mit den Mördern pauschal diskriminiert" und spricht der Ausstellung jeglichen Beitrag zur Aufarbeitung der Geschichte ab. Und prompt kriechen die Ewiggestrigen aus ihren Löchern und gratulieren der Landes-CDU zu ihrem mutigen Vorsitzenden: Am 17. März 1998 flatterte den Einwohnerlnnen Henstedt-Ulzburgs (persönlich adressiert v.a. an ältere Bürgerlnnen) ein Hetz-Flugblatt gegen die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung im Kieler Landeshaus in den Briefkasten. Darin wird zur "Vereitelung" der Ausstellung aufgerufen und mit Hinweis auf die bevorstehende Kommunalwahl zum Protest gegen die Ausstellung aufgefordert. Unter der Fragestellung "Wer sind Jan Phillipp Reemtsma und Hannes Heer?" folgt eine Litanei von Beschimpfungen und Diffamierungen gegen die Macher der Ausstellung als "Volksverhetzer" und Finanziers der autonomen Szene sowie als ehemalige Mitglieder des SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) und der DKP.

Bei dem Flugblatt handelt es sich - wie die Henstedt-Ulzburger CDU inzwischen zugab - um eine Wahlkampf Aktion der örtlichen Union, die sich zu diesem Zwecke von Bürgermeister Dornquast (CDU) die Adressen aller Ulzburger Senioren hatte geben lassen. Statt eines presserechtlich Verantwortlichen finden sich unter dem Schreiben 22 Unterschriften, darunter diejenige von Heinz Manke aus Henstedt-Ulzburg, der noch Anfang der neunziger Jahre "Kameradschaftstreffen" der Traditionsgemeinschaft seiner Wehrmachtseinheit im Ulzburger Hotel Viking organisierte. Manke ist zudem Seniorchef der Firma »MANU-Bau« und Vater des gegenwärtigen CDU-Ortsvorsitzenden Volker Manke. Weitere Unterzeichner des Hetzblattes: der ehemalige CDU-Ortschef Günter Heinz Baum, der Besitzer der Jet-Tankstelle in Henstedt-Ulzburg, Sönke Carstensen, sowie weitere Geschäftsleute und "gewöhnliche" CDU-Mitglieder.

Wie nicht anders zu erwarten, haben sich auch die sogenannten "Vertriebenen"-Verbände gegen die Pläne des Landtags gewandt, die Ausstellung dort zu zeigen. Nach Meinung des Vorsitzenden des Landesverbandes der vertriebenen Deutschen (LvD), Dieter Schwarz, sei die Ausstellung "kein Werk des Friedens, sondern des Unfriedens". Für ihn habe sich "die Anti-Wehrmachtsausstellung des Altkommunisten Heer und des Zigaretten-Millionärs Reemtsma erübrigt", denn, so weiß Schwarz weiter, es könnten mehr als 18 Millionen deutsche Soldaten mit Recht sagen, dass sie selbst "bis auf wenige Ausnahmen" an den Verbrechen Hitlers "nicht beteiligt waren".

Mit ähnlichen Plattheiten wartete im August auch die schleswig-holsteinische Landes-CDU auf. Auf ihrem Landesparteitag in Lübeck kurz vor der Bundestagswahl beschloss sie eine Resolution, in der mit denselben Argumenten gegen die Wehrmachtsausstellung gehetzt wird, die sich auch in den Pamphleten der extremen Rechten wieder finden. So z.B. in Flugblättern des "Wählerbundes Deutschland" aus Preetz (inzwischen beim "Bund Freier Bürger" gelandet), welche selbiger im Sommer 1997 während der Wehrmachtsausstellung in Bremen verteilte. Neben dem Vorwurf der "Unwissenschaftlichkeit" an die Macher der Ausstellung unterstellen die GegnerInnen Reemtsma und Heer Demagogie und die Absicht, die Ausstellung nur organisiert zu haben, um für ihre politischen Ziele agitieren zu können. Zitat aus der CDU-Resolution: "Die völlig einseitigen Bewertungen der Ausstellung legen die Vermutung nahe, die Veranstalter verfolgten in Wahrheit politische Ziele, die sich gegen Teile unserer demokratischen Ordnung und ihrer Institutionen richten."

Andererseits eint die GegnerInnen die Meinung, die Wehrmacht habe sich nichts über das "normale" Maß an Kriegsgräueln hinaus zuschulden kommen lassen; im Gegenteil: Die Angehörigen der Wehrmacht seien gar als Opfer der wahren Kriegsverbrecher zu betrachten und müssten für ihre enormen heldenhaften Leistungen für "Volk und Vaterland" gewürdigt werden. Außerdem sei dieAusstellung tendenziös und einseitig, da nur auf "angebliche" Verbrechen der deutschen Soldaten eingegangen werde, obwohl doch Stalins Partisanen die eigentlichen Mörder gewesen seien. Als ein weiteres Argument zur Reinwaschung der Soldaten gilt, dass die Wehrmacht nicht vom Internationalen Militärtribunal in Nürnberg angeklagt wurde und ihr Oberkommando und der Generalstab freigesprochen worden seien. Die Fotos, die in der Ausstellung zu sehen sind, werden grundsätzlich als entweder gefälscht oder wegen angeblich fehlender Quellennachweise als irrelevant denunziert. Schließlich gilt es in rechten Kreisen als ausgemacht, dass die meisten Verbrecher in Wehrmachtsuniformen ohnehin verkleidete russische Partisanen waren.

Gegen die "Pauschalisierung und Einseitigkeit" der Ausstellung sucht auch die "Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft" (SWG) aus Hamburg MitstreiterInnen. Die Organisation in der Grauzone zur extremen Rechten ist seit einiger Zeit verstärkt in Schleswig-Holstein tätig; mit Kleinanzeigen in verschiedenen Tageszeitungen des Landes versucht die der Bildungsarbeit im "vorpolitischen Raum" verpflichtete Vereinigung gegen die Wehrmachtsausstellung Stimmung zu machen. Landesvorsitzender ist der ehemalige Geschäftsführer des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes, Hans Joachim von Leesen, der wiederholt im der SWG nahestehenden »Ostpreußenblatt« geschichtsrevisionistische Positionen vertreten hat. Auch aus dem Spektrum der extrem rechten Burschenschaften in Kiel ist man bereits aktiv geworden. Eine aus diesem Spektrum stammende Erklärung gegen die Ausstellung wurde auch vom Oberleutnant der Reserve Rüdiger Dorff, Mitglied der Kieler "Hochschulgilde Theodor Storm" und des CDU-nahen RCDS sowie Funktionär des extrem rechten "Bundes Heimattreuer Jugend", unterzeichnet. Wird Kiel also - wie andere Städte vorher - zur Eröffnung der Ausstellung eine schwarz-braune Allianz erleben?

Redaktion enough is enough



Zusammenstellung von Gegenwind-Artikeln (1998/99) zur Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" im Kieler Landeshaus als PDF-Datei (ca. 730 KB).

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