(Gegenwind 427, April 2024)

David Guemto

Interview mit David Guemto aus Kiel:

„Es gab zu viel Diskriminierung und Rassismus. Ich habe richtig viel erlebt.“

Im September 2023 fand wieder eine Preisverleihung für „Kluge Köpfe“ afrikanischen Ursprungs statt. David Guemto aus Kamerun war einer der vier Preisträger:innen. Wir trafen ihn zum Interview. Die diesjährige Verleihung ist für den 19. September geplant, mögliche Preisträger können gerne vorgeschlagen werden: www.klugekoepfe-sh.org.

Gegenwind:

Kannst Du Dich zunächst vorstellen?

David Guemto:

Ja. Ich heiße Diderot David Geumto Teguia. Ich habe zwei Vornamen und zwei Nachnamen. Ich komme aus Kamerun. Ich wohne seit ungefähr 9 Jahren oder neuneinhalb Jahren in Deutschland. Ich habe in Deutschland einen Deutschkurs an der Universität gemacht. Ich habe für ein Jahr Biologie studiert, aber dann bin ich zur Agrarwissenschaft gewechselt.

Gegenwind:

Wolltest Du bei der Einwanderung nur studieren? Oder wolltest Du in Deutschland bleiben? Oder wusstest Du es noch nicht?

David Guemto:

Am Anfang wollte ich nur studieren, und mit den Zeugnissen wollte ich zurück nach Kamerun. Ich wollte dort etwas entwickeln. Das war am Anfang, aber mit der Zeit kam es dann anders. Ich wollte dann erstmal in Deutschland bleiben, arbeiten, Geld verdienen und dann zurück nach Kamerun, wenn ich Geld habe und investieren kann. Direkt nach dem Studium hat man fast gar nichts, eben nur die Zeugnisse.

Gegenwind:

Wie sieht denn Deine Familie aus? Leben alle in Kamerun, oder sind andere auch im Ausland?

David Guemto:

Ich habe eine Schwester in Kanada. Aber sonst wohnt meine Familie in Kamerun. Ich habe noch zwei Cousins hier in Deutschland, einen Cousin und eine Cousine. Sie wohnen in Süddeutschland.

Gegenwind:

Wie ging es Euch in Kamerun? War alles gut?

David Guemto:

Es ging uns gut. Wir lebten normal, wir haben nicht gehungert und hatten keinen Reichtum. Eine ganz normale Familie.

Gegenwind:

Wie bist Du auf Deutschland gekommen? In Kamerun können die meisten Menschen Französisch, an der Grenze zu Nigeria Englisch. Deutsch ist lange her.

David Guemto:

Genau, das stimmt. In Kamerun spricht man Französisch und Englisch als Muttersprache, aber es gibt noch ungefähr 300 andere Sprachen, eigene Sprachen. Deutsch und Spanisch werden im Gymnasium gelehrt, als zweite oder dritte Sprache. Ich bin nicht wegen der Sprache nach Deutschland gekommen, sondern wegen der Ausbildung. In Kamerun habe ich Biologie studiert, zwei Jahre lang an der Universität von Duala, bevor ich mein Visum bekommen habe. Man kann das nicht vergleichen, das System in Kamerun ist nicht so gut wie hier.

Gegenwind:

Was für einen Ruf hat Deutschland denn in Kamerun? Von den Auslandsstudenten in Kamerun gehen ja die meisten nach Deutschland.

David Guemto:

Ja, genau. Fast alle kommen nach Deutschland. Erstmal wegen des Studiums, aber auch wegen der Universitäten hier. Das Bildungssystem in Deutschland ist weltweit anerkannt, es ist das beste in Europa. Die meisten, die nach Europa kommen, wollen nach Deutschland, um hier zu studieren.

Gegenwind:

Welchen Austausch gibt es in Kamerun darüber? Wenn Du Dich in Kamerun orientierst, wen kannst Du dort fragen?

David Guemto:

Es gibt viele Schulen in Kamerun, deutsche Schulen wie das Goethe-Institut. Man kann einfach hingehen, die deutsche Kultur und Sprache lernen. Man kann richtig viel über Deutschland lernen. Und es gibt wenige Institute für andere Länder, für Spanien oder Frankreich oder Russland, aber für Deutsch gibt es viele. Wenn man was über Deutschland wissen will, gibt es viele Einrichtungen.

Gegenwind:

Wie wird denn die Kolonialzeit gesehen?

David Guemto:

In Kamerun gilt das als schreckliche Zeit, bis heute. Zumindest Frankreich wird negativ gesehen, es hat Afrika kaputt gemacht. In Kamerun haben wir aus der deutschen Zeit noch etwas deutsche Kultur, deutsches Krankenhaus, deutsche Straßen. Aber Frankreich hat fast alles kaputt gemacht. Deshalb sehen wir die Kolonialzeit negativ, aber bezogen auf Frankreich. Deutschland war ja vorher Kolonialmacht, da erinnern wir uns an Krankenhäuser, Schulen und Straßen. Nach dem ersten Weltkrieg sind die Deutschen gegangen und Frankreich gekommen. Und die französische Zeit war schlechter, meine ich zumindest und viele meiner Freunde auch.

Gegenwind:

Als Du nach Kiel kamst, da warst Du ja 22 Jahre alt. War Deutschland so, wie Du es Dir vorgestellt hast? Oder hat Dich irgendwas an Kiel überrascht?

David Guemto:

Am Anfang war es nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Es gab zu viel Diskriminierung und Rassismus. Ich habe richtig viel erlebt. Ich war schockiert. Aber mit der Zeit, wenn man sich an die Kultur gewöhnt hat, sieht man mehr. Es gab ein Beispiel, ich habe damals als studentische Aushilfe gearbeitet. Und da waren sechs andere Leute, darunter zwei Russen. Die ganze Zeit bei der Arbeit haben die Russen mich „Affe“ genannt. „Affe, zeig mir Deine Banane“ - „Affe, geh wieder nach Hause“, sowas. Das hat mich richtig schockiert. Ich war damals auch bei der Polizei, ich habe eine Anzeige erstattet, aber sie sagte, ich müsste das privat verfolgen. Aber wenn ich heute sowas erlebe, ist das normal. Ich kenne auch so viele gute Menschen, deutsche Menschen. Und für jeden von denen gibt es hundert gute Menschen. Die meisten sagen doch, Du bist ein Mensch, ich bin ein Menschen, wir leben hier zusammen. Man merkt das dann nicht mehr.

Gegenwind:

Was für einen Zusammenhalt zwischen Kamerunern gibt es hier? Trefft Ihr Euch regelmäßig? Gibt es Vereine?

David Guemto:

In Kiel gab es einen Verein, KSV - „Kamerunischer Studentenverein“ hier in Kiel. Ich war damals der Präsident. Seit zwei oder drei Jahren gibt es den Verein nicht mehr. Ich bin auch nicht mehr Student, ich weiß nicht, ob es was Neues gibt. Der Verein hat mir damals richtig geholfen. Wenn Du nach Deutschland kommst, und Du kennst hier niemanden, aber es gibt einen Verein für Leute aus Kamerun - dann kann man sich dort treffen, über das Leben reden, über die Gesellschaft, über alles. Man ist dann nicht mehr so fremd. Deshalb war das am Anfang richtig gut für mich. Ich denke, dass dieser Verein wieder entstehen sollte. Es hilft den Leuten, die neu nach Deutschland kommen. Es ist auch interessant, sich mit vielen verschiedenen Menschen zu treffen. Ich habe Agrarwissenschaft studiert, andere haben Medizin studiert oder Jura. Das hilft allen.

Gegenwind:

Gibt es jetzt noch Treffen, wo man andere sieht? Oder habt Ihr über das Internet Kontakt?

David Guemto:

Es gibt immer noch Treffen. Seit Corona ist fast alles kaputt gegangen. Seit eineinhalb Jahren treffen wir uns wieder, aber nicht mehr als Verein, sondern als Freunde.

Gegenwind:

Sind dort nur Leute aus Kamerun dabei, die hier studieren? Oder auch welche, die als Au-Pair oder als Ehemann oder Ehefrau gekommen sind?

David Guemto:

Das ist gemischt. Es sind Leute, die ihre Ausbildung machen, die an der Uni sind, Leute die studiert haben, Leute die schon arbeiten, Leute die Au-Pair sind - das ist sehr gemischt. Wir machen viel zusammen, Fußball oder Kino, Bouling und vieles andere. Das ist ziemlich gut, aber der Verein sollte wieder entstehen. Dann könnte wir auch Kontakte nach Hamburg oder Bremen aufbauen. Zur Zeit machen wir nur in Kiel etwas.

Gegenwind:

Was machst Du denn jetzt nach dem Studium?

David Guemto:

Ich bin gerade im Bewerbungsprozess. Ich führe Bewerbungsgespräche, verschicke Bewerbungsschreiben, das alles. Das ist nicht einfach. Ich habe mir das leichter vorgestellt. Aber da muss man durch.

Gegenwind:

Du bewirbst Dich nur im Agrarbereich, oder?

David Guemto:

Im Agrarbereich, ich habe ja Agrarwissenschaft studiert. Aber der Bereich Agrar ist richtig breit. Im Bereich Agrar kannst Du Wirtschaft machen, Du kannst Politik machen, Du kannst Vertrieb machen, Du kannst Verkauf machen. Du kannst ziemlich vieles machen. Es gibt sehr viele Betriebe.

Gegenwind:

Wenn Leute neu aus Kamerun kommen, erfahren sie, dass es hier einen Kreis gibt, der sich trifft? Finden die Euch?

David Guemto:

In Kiel finden wir uns immer, Kiel ist klein. Ich treffe immer neue Leute, auf der Straße, bei Parties oder so. Und wir reden dann, wir finden uns. Hamburg ist zu groß, aber Kiel ist kompakt, da treffen wir uns.

Gegenwind:

Macht Ihr auch auch bei Veranstaltungen allgemein über Afrika mit? Es gibt ja den Afrika-Tag im September, oft im AudiMax. Beteiligt Ihr Euch?

David Guemto:

Damals hatten wir als Verein dort was gemacht, aber seit es den Verein nicht mehr gibt, gehen wir hin. Ich habe auch viel Kontakt zu „Brot für die Welt“ und anderen, ich bin immer dabei. Wenn es interkulturelle Veranstaltungen gibt und ich Zeit habe, bin ich zu hundert Prozent dabei.

Gegenwind:

Du hast den den Preis der Initiative „Kluge Köpfe“ bekommen. Wie bist Du mit denen in Kontakt gekommen?

David Guemto:

Das war durch eine Freundin von mir. Sie heißt Solange. Sie hat mich angerufen, sie hatte früher mitgemacht und 2022 den Preis bekommen. Sie hat mich angerufen und alles erklärt, sie sagte ich kann mitmachen. Ich habe mich dann dort beworben. Ich hatte ein Vorstellungsgespräch. Wir haben über alles geredet, ich habe mich ausführlich vorgestellt. Und später habe ich eine Zusage bekommen. Wie das entschieden wurde, weiß ich nicht genau.

Gegenwind:

Wie fandest Du die Veranstaltung? Es waren ja fast nur Schwarze da aus vielen verschiedenen Ländern.

David Guemto:

Für mich war das schön. Es waren ja auch Deutsche da, aber auch Leute aus vielen Ländern. Für mich war das auch normal, weil ich schon mehrmals bei solchen Veranstaltungen war. Ich habe viel bei „Brot für die Welt“ gemacht, da gab es solche Veranstaltungen in Hamburg, Rendsburg, Flensburg. Aber es war sehr familiär.

Gegenwind:

Kanntest du die anderen Preisträgerinnen?

David Guemto:

Ich kannte nur eine, Marie Bando, auch aus Kamerun. Aber die zwei anderen kannte ich vorher nicht.

Gegenwind:

Haben die anderen auch den Preis verdient?

David Guemto:

Ja, auf jeden Fall. Es sind sehr tolle Menschen. Sie haben das hundert Prozent verdient.

Gegenwind:

Du hast dort auch die Kandidatin aus der togoischen Familie kennengelernt. Sie ist hier geboren und aufgewachsen. Ist sie für Dich Afrikanerin oder Deutsche?

David Guemto:

Für mich ist sie beides, würde ich sagen. Sie ist Afrikanerin und Deutsche. Sie ist Afrikanerin, weil ihre Eltern aus Afrika kommen. Aber sie ist auch Deutsche, denn sie ist hier geboren, sie kennt die Kultur, sie ist hier aufgewachsen. Sie ist beides.

Gegenwind:

Wenn Du jetzt Kamerun besuchst, bist Du in Kamerun noch hundert Prozent Kameruner? Oder bist Du auch deutsch geworden?

David Guemto:

Ich denke, ich bin schon deutsch geworden. Die Mentalität ist anders. Ich sehe jetzt, was die Menschen dort machen, damals war das ganz normal. Heute denke ich: Warum macht der das? Warum macht er das so? Das ist neu, damals habe ich das selbst so gemacht. Für die Leute dort ist es immer noch normal, für mich ist es nicht mehr normal. Bei vielen Dingen weiß ich, wie Deutsche das machen. Ich bin ja schon neuneinhalb Jahre hier. Ich bin in Kamerun geboren, aber ich lebe nicht mehr dort. Ich bin schon ein bisschen Deutscher geworden.

Gegenwind:

Hast Du für die Zukunft schon klare Pläne? Oder musst Du erst abwarten, wie es jetzt wird?

David Guemto:

Ich habe schon seit Jahren meine Pläne im Kopf. Ich weiß nicht, ob ich das so sagen kann, aber seit meiner Ankunft in Deutschland habe ich meine Pläne. Ich möchte investieren, und zwar für Menschen in Afrika. Ich habe viele Ideen, was ich manchen möchte. Aber dazu brauche ich erst Arbeit und Geld, um das machen zu können. Aber meine Ideen habe ich schon seit Jahren.

Gegenwind:

Was hältst Du denn generell vom Projekt „Kluge Köpfe“? Das Projekt bringt ja viele zusammen, stellt dann einzelne auf die Bühne. Viele Kinder sehen das.

David Guemto:

Ja, das ist ein tolles Projekt. Ohne dieses Projekt hätte ich ja Henrike aus Togo nicht kennen gelernt, ich hätte auch Lilian aus Kenia nicht kennen gelernt. Man trifft in dem Projekt neue Leute, das ist sehr gut für uns, viele Leute zu kennen. Wir können auch arbeiten gehen und dort Leute kennen lernen, aber das Projekt ist was anderes. Man muss immer rausgehen, um neue Leute kennen zu lernen, und solche Veranstaltungen wie „Kluge Köpfe“ sind genau dafür gemacht. Es ist für uns wichtig, nicht nur deutsche Leute zu kennen, sondern Leute aus allen Ländern. Wenn sie so weitermachen, ist das Projekt noch für viele Leute gut.

Gegenwind:

Wirst Du andere ansprechen, von denen Du denkst, sie können sich in Zukunft dort bewerben?

David Guemto:

Ich habe schon andere Leute angesprochen. Es gibt Leute, die ich kenne, die fast fertig sind mit ihrem Studium. Sie wollen jetzt erst fertig werden, aber dann haben sie Zeit sich alles zu überlegen. Aber ich mache schon viel Werbung. Ich werde das Projekt auch weiter unterstützen. Es ist für alle Leute aus Afrika gut, die hier in Deutschland arbeiten oder studieren. Es ist eine Anerkennung für alle, die ihren Weg gegangen sind und etwas geschafft haben. Das zeigt uns, wir können alles im Leben schaffen, egal was wir erleben.

Gegenwind:

Vielen Dank!

Interview: Reinhard Pohl

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