(Gegenwind 419, August 2023)

ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS)

Wie sieht die Zukunft von TKMS aus?

Thyssenkrupp auf der Suche nach einem Käufer für die Schiffbausparte

Die U-Boote von Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) sind gefragt wie nie. Die Auftragsbücher sind proppenvoll. Und unlängst hat die Deutsche Marine noch zusätzlichen Bedarf angemeldet, um aus dem 100 Milliarden Militärsondervermögen eine dicke Scheibe abzubekommen. Für die Marine sind darin 19,3 Milliarden Euro eingeplant. Das Geld soll unter anderem in weitere Korvetten und Fregatten fließen. Für das zukünftige Flaggschiff der Marine, das modulare Mehrzweckkampfschiff F126, sind darüber hinaus weitere rund 5,27 Milliarden Euro veranschlagt - was das Projekt zum größten Schiffsbauprojekt in der Geschichte der Bundeswehr macht. Aber nach dem neuen TKMS-Chef Oliver Burkhard ist noch mehr drin. „Strategische Interessen brauchen strategische Antworten. Die größte Möglichkeit, die der Bund hat, ist die Vergabe aus dem Sondervermögen und künftig durch das 2-Prozent-Ziel für Rüstungsausgaben. Wenn man viel einkauft, kann man auch Rabatt bekommen.“Anm. 1

Neue strategische U-Boot-Partnerschaften mit Staaten im Indo-Pazifik

Neben den nationalen Aufträgen positioniert sich TKMS auch international neu. Anfang Juni unterzeichnete der Konzern in Mumbai (Indien) im Beisein von Verteidigungsminister Pistorius eine Absichtserklärung zum Bau von sechs U-Booten für und in Indien. Auftragswert: bis zu 7 Milliarden Euro. Pistorius sprach in diesem Zusammenhang von einem möglichen „Leuchtturmprojekt“, das große Strahlkraft entfalten könne. Auf seiner Asienreise warb Pistorius deshalb auch in Indonesien für U-Boote made in Germany. Während sich die vormalige Ministerin Frau Lambrecht mit Zusagen für die Rüstungsindustrie schwergetan habe, klappe es mit Herrn Pistorius deutlich besser, heißt es aus TKMS-Kreisen (FAZ 6.6.23). Mehrfach hatte Pistorius während seiner Asienreise Erleichterungen für Rüstungsexporte angemahnt. „Mir geht es darum, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, ob die bisherigen Beschränkungen angesichts der Herausforderungen noch zeitgemäß sind“ (FAZ 9.6.23). Dies münzte er insbesondere auch auf Indien und liegt damit genau auf der Linie von Außenministerin Baerbock - beide sehen in der Regierung des Hindu-Nationalisten Modi einen durchaus verlässlichen „Wertepartner“. In Zeitenwende-Zeiten müssen wohl „Menschenrechtsfragen“ ebenso zurückgestellt werden wie die Tatsache, dass sich Indien in einem Dauerkonflikt mit seinem Nachbarn Pakistan befindet und es wegen der Kaschmir-Region schon dreimal zu Kriegen zwischen den beiden Atommächten gekommen ist. Nach Aussage des Stockholmer SIPRI-Instituts ist Indien gegenwärtig der weltweit größte Waffenimporteur.

Thyssenkrupp braucht dringend frisches Geld

Jetzt, wo viel Geld in der maritimen Rüstungsindustrie zu verdienen ist, sieht der Thyssenkrupp-Konzern einen günstigen Zeitpunkt gekommen, seine Marine-Sparte teuer zu verkaufen. Was auf den ersten Blick paradox erscheinen mag, macht aus Kapitalseite durchaus Sinn.

Der börsennotierte deutsche Industrie-Konzern (21% der Aktien hält die Krupp-Stiftung, jeweils im einstelligen Prozentbereich sind zwei Kapitalgesellschaften und die Republik Singapur involviert - die überwiegenden Aktien befinden sich in „Streubesitz“) mit seinem Schwerpunkt Stahlindustrie, der weltweit an die100.000 Menschen beschäftigt, braucht dringend Geld, um sein Hauptgeschäft zukunftssicher zu machen. So erhofft er sich u.a. Staatshilfen von rund 2 Milliarden Euro allein für den klimaneutralen Umbau seines Stahlstandortes in Duisburg. Auch wegen Fehlinvestitionen in Brasilien und den USA in zweistelliger Milliardenhöhe drängen die Investoren auf einen zügigen Konzernumbau. Strategisch ist das Ziel klar: Aus dem etwas unübersichtlichen „Gemischtwarenladen“ soll eine Gruppe weitestgehend unabhängig agierender Unternehmen werden. Einige davon sollen im Alleineigentum betrieben werden, für andere werden Käufer oder Teilhaber gesucht.

Weit gediehen sollen die Gespräche über die Abspaltung der TKMS-Marinesparte mit ihren 6.500 Beschäftigten sein. Neben den Werftstandorten in Kiel, Hamburg, Emden und seit kurzem Wismar, geht es auch um das Geschäft von Atlas in Bremen, einem Spezialisten für Torpedos, „unbemannte Systeme“ und Elektronik in U-Booten. Der schon länger angedachte Verkauf scheint nun vor dem Abschluss zu stehen. Bei einer Ausgliederung würden bisherige Aktionäre von Thyssenkrupp dann auch Anteile des neuen Unternehmens erhalten. TKMS wäre danach eine eigenständige Aktiengesellschaft.

Bei den jetzt laufenden Sondierungsgesprächen mit möglichen Investoren oder strategischen Partnern wird es wohl auch darum gehen, ob der Bund mit einer Sperrminorität (also einem Anteil von mindestens 25,1 Prozent) einsteigt, weil die Werft von „strategischer Bedeutung“ ist. „Der Bund oder Thyssenkrupp müssten als Ankerinvestor im Boot bleiben“, so auch die Forderung der IG Metall Küste. Gegenüber strategischen Investoren, wie z.B. Naval aus Frankreich oder Saab aus Schweden gibt es „dem Vernehmen nach“ Vorbehalte, weil man befürchtet, dass es zu Technologieabfluss kommen könnte. (FAZ 6.6.23)

IG Metall: Mögliche Verselbständigung von TKSM „kritisch und konstruktiv“ begleiten

Eng eingebunden in einen möglichen TKMS-Verkauf sind die IG Metall und die Betriebsräte über eine sogenannte „Begleitkommission“. Die IG Metall verfügt dank der Montanmitbestimmung über paritätische Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer in Aufsichtsräten von Stahlunternehmen.

Die IG Metall begleitet die Verhandlungen zu einer möglichen Verselbständigung von TKSM „kritisch und konstruktiv“ Sie ist offen für einen (Teil-)Verkauf oder Börsengang, aber nicht um jeden Preis und auch nur in enger Abstimmung und mit den nötigen Sicherheiten für Beschäftigte und Standorte sowie Zusagen zu Investitionen, Tarifverträgen und den Strukturen für die Mitbestimmung.

Die Forderungen der IG Metall Küste für den weiteren Prozess lauten im Einzelnen u.a.:

Absicherung über Zukunftstarifverträge:

Beschäftigung für alle, Ausbildung, Standorte und an den Standorten geltende Tarifverträge (Mitglied Arbeitgeberverband Nordmetall) langfristig sichern; Mitbestimmungsstruktur: Konzernbetriebsrat /Gesamtbetriebsrat und Aufsichtsrat durch Tarifvertrag festschreiben / Unternehmensstruktur nach deutschem Recht festschreiben; Investitionen und ggf. Personalaufbau definieren und zusagen

Die Forderungen an die Bundesregierung:

Zusagen für weitere Aufträge

(2 bis 4 U-Boote, F 127, Munitionsbergungsplattform...) und dadurch langfristige Perspektive für Standorte schaffen (insbesondere für Hochlauf am Standort Wismar wichtig)

Ankerinvestor:

Sperrminorität von 25,1 Prozent durch Bund oder tk (mit entsprechenden Sicherheitsgarantien durch den Bund).

Zehn Jahre TKMS

Im Januar 2013 verschmolzen die Howaldtswerke-Deutsche Werft und Blohm+Voss Naval zu der thyssenkrupp Marine Systems GmbH. Anfang 2017 übernahm thyssenkrupp die ATLAS ELEKTRONIK, Bremen. Im Juni 2022 erfolgte die Übernahme des Standortes Wismar der insolventen MV-Werften.Vorgesehen ist an diesem Standort die Fertigung von U-Booten und Marineüberwasserschiffen ab 2024.

Von den insgesamt 7500 TKMS-Beschäftigten arbeiten rund 3100 in Kiel.

Im Zuge des Plans, die TKMS-Werft in Kiel „zu einem internationalen Kompetenzzentrum für den konventionellen U-Boot-Bau zu entwickeln“ (Originalton thyssenkrupp), soll in diesem Jahr die neue Schiffbauhalle in Betrieb genommen werden. Mit einer Länge von 170 m, einer Breite von 70 m und einer Höhe von 33 m hat sie das Kieler Stadtbild schon jetzt maßgeblich verändert - und das nicht im positiven Sinne.

Seit Mai 2023 ist Oliver Burkhard seitens des Thyssenkrupp-Vorstandes verantwortlich für die TKMS-Sparte. Dass er einmal für U-Boote und Fregatten zuständig sein würde ergibt sich aus seinem Lebenslauf nicht zwingend. Begann seine berufliche Karriere nach absolviertem BWL-Studium zunächst in der IG Metall, 2007 gelang ihm sogar der Sprung an die Spitze des Bezirks Nordrhein-Westfalen. Doch 2013 hatte er genug von Gewerkschaftsarbeit und wechselte als Arbeitsdirektor zu Thyssenkrupp, wo er sich bald in den Verhandlungen um den Abbau Tausender Arbeitsplätze bewähren konnte. Nun soll er für den Thyssen-Krupp-Konzern TKMS versilbern, besser noch vergolden.

NXTGEN - zivile maritime Produkte und Dienstleistungen

Über den Kriegsschiffbau hinaus will TKMS mit der neuen Geschäftseinheit NXTGEN maritime Produkte und Dienstleistungen für den zivilen Markt anbieten. Sie soll als eigenständige Gesellschaft am Markt positioniert werden. „Die Nachfrage nach intelligenten und nachhaltigen zivilen Lösungen steigt“, erklärte Oliver Burkhard. (Süddeutsche Zeitung 2.6.23). Die Kompetenz von TKMS im zivilen Markt basiere wesentlich auf großer Erfahrung und einem breiten Produktportfolio im Hochtechnologiebereich Schiffbau. Unbemannte Systeme könnten im zivilen Bereich zum Schutz kritischer Infrastruktur, zum Aufspüren und zur Entsorgung von Altlasten im Meer oder zur Seevermessung verwendet werden.

Frieden schaffen mit immer mehr U-Booten und Fregatten?

Die IG Metall spricht sich in ihren Forderungspapier zum möglichen Verkauf der TKMS für den Bau von zwei bis vier weiteren U-Booten, der Fregatte Klasse 127 und einer Plattform zur Bergung von Weltkriegsmunition für die Deutsche Marine aus. Dies sei für den Hochlauf am Standort Wismar wichtig, argumentiert die Gewerkschaft. In Wismar beschäftigt TKMS bisher rund 100 Mitarbeiter, viele davon ehemalige Beschäftigte von MV-Werften. Bei einem Hochlauf der Produktion könnten ab 2025 bis zu 1.500 Menschen am Standort beschäftigt werden.

Wenn hier vordergründig die Sicherung von Arbeitsplätzen und der Bau von Kriegsschiffen in einem Atemzug und als alternativlose Notwendigkeit genannt werden - ohne dies zumindest zu problematisieren, ganz zu schweigen davon, das Wort „Rüstungskonversion“ in den Mund zu nehmen - dann läuft etwas falsch in der Gewerkschaft. Damit wird gewollt oder ungewollt der mit dem Ukraine-Krieg ausgerufenen militär-politischen Zeitenwende Vorschub geleistet, wonach Deutschland eine auf dem internationalen Parkett agierende Militärmacht sein soll - von der Ostsee bis in den Indo-Pazifik.

Kritische gewerkschaftliche Stimmen, die sich diesem Regierungskurs widersetzen, sind noch schwach vernehmbar. Ende Juni fand im Gewerkschaftshaus in Hanau eine friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz der IG Metall Hanau-Fulda und der Rosa-Luxemburg-Stiftung statt, auf der Gewerkschafter:innen berieten.

In der Abschlusserklärung heißt es:„Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die Gewerkschaften sich wieder stärker als bisher öffentlich als Teil der Friedensbewegung positionieren und öffentlich Stellung beziehen gegen die Propagierung des Krieges als Mittel der Politik, der weiteren Militarisierung der Gesellschaft, die Reaktivierung alter Feindbilder und die faktische Aufkündigung der mühsam erarbeiteten Friedensordnung in Europa nach dem zweiten Weltkrieg.

Wir stellen uns darüber hinaus weiterhin gegen jegliche Erhöhung der Rüstungsausgaben sowie der weiteren Aufrüstung und lehnen die Steigerung des Rüstungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ab.

Darüber hinaus ist die Verbindung zwischen Krieg und Krisen gleichermaßen zu benennen und die Frage der Friedens- und Außenpolitik enger mit der Frage der Verteilungs-, Sozial- und Tarifpolitik zu denken. Gemeinsam wollen wir uns in den gewerkschaftlichen Gremien dafür einsetzen, die Bündnisarbeit mit der Friedens-, sozialer und ökologischer Bewegung auf allen Ebenen zu intensivieren, um eine Spaltung zu Lasten wichtiger Zukunftsthemen und der abhängig Beschäftigten zu verhindern bzw. diese zusammenzuführen.“ Anm 3

Günther Stamer

Anmerkungen:

  1. „Die Marine hat Bedarf angemeldet“, Oliver Burkhard im Interview, FAZ 21.06.23
  2. IGM-Presseerklärung 23.06.23
  3. https://www.igmetal-hanau-fulda.de/fileadmin/user/Newss/2023/FK_Dokumente
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