(Gegenwind 318, März 2015)

Haus der Beckhards
Haus der Beckhards

Raub jüdischen Eigentums in Ahrensbök

Globus-Werke erwerben Haus der Beckhards - Gut Dunkelsdorf bleibt in jüdischem Besitz

Jüdisches Vermögen in der Landwirtschaft ist nicht mit den Grundsätzen nationalsozialistischer Bodenpolitik vereinbar. Dies erklärte der Ahrensböker Bürgermeister Wilhelm Wulf im Oktober 1939 im Prozess gegen den Gutspächter Wilhelm Schulz aus dem Ahrensböker Ortsteil Dunkelsdorf. Wulfs Begründung: Die Eigentümerin des Gutes sei Volljüdin. Ihr Ehemann könne deshalb dem „Gefolgschaftsmitglied” Klein das Mietrecht auf dem Gut nicht kündigen. Schon im März 1939 hatte Wulf die Kreisbauernschaft aufgefordert, Stimmung gegen Schulz in Dunkelsdorf zu machen. Die Wegetafel zum Gut wurde mehrfach mit der Aufschrift „Juden” überschmiert.

Der Landwirt Wilhelm (Guillermo) Schulz, 1892 in Peru geboren, lebte seit 1926 in Dunkelsdorf. Er hatte am 4. Januar 1925 Edith Solmsen geheiratet, die im Juni 1938 das Gut von ihrer Mutter Felitt Emilie (Lilly) Solmsen, geb. Brach, geerbt hatte. Die Mutter gehörte seit März 1918 zu den Erben der jüdischen Gütergemeinschaft aus Hamburg von Rudolph Brach und seiner Frau Frederike Emilie, geb. Feist-Belmonte (Sektkellerei in Hessen) mit vier Kindern. Neben dem Gut Dunkelsdorf gehörte der Wald Stodthagen auf Gut Kaltenhof bei Eckernförde zum Familienbesitz der Brach-Solmsen. Ein Gut, das lange im Besitz der Grafen zu Reventlow war, die bis 1935 auch das Gut Glasau mit dem Meierhof in Neuglasau bei Ahrensbök als Jagddomizil nutzten, bevor es in den Besitz der Familie Schmidt überging. Deren Sohn Max wurde später SS-Lagerführer von Auschwitz-Fürstengrube. Mit 300 Häftlingen beendete er den Todesmarch in Ostholstein vor seiner Haustür.

Schulz gewann den Prozess. Er hatte über die peruanische Gesandtschaft beim Reichsaußenministerium Protest eingelegt. Mit dem „Memorandum zum Fall Schulz” vom 5. Mai 1939 wies der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft den Oberpräsidenten am 4. Juni 1940 an, „die Übertragung des Gutes Dunkelsdorf seitens der jüdischen Ehefrau Schulz an ihren arischen Ehemann” zu genehmigen. Begründung: „Die Verordnung über den Einsatz jüdischen Eigentums (3. Juli 1939) finde keine Anwendung, weil das Ehepaar Schulz keine Absicht habe auszuwandern. Deshalb sei die Sicherungsanordnung gegen Frau Schulz vom 23. Dezember 1938 hinfällig”.

Soweit die Geschichte einer verhinderten Arisierung, rekonstruiert nach den unveröffentlichten, umfangreichen Akten zum Fall Schulz (Peru,1939/40), die im Archiv für Zeitgeschichte, ETH Zürich, lagern (NARA RG 242 T-120/MF 4713).

Bleibt noch anzumerken: Im Krieg verpachtete die Familie das Gut und emigrierte zu den Verwandten nach Lima / Peru. Das Schicksal der Mutter Lily Solmsen blieb unaufgeklärt. Wahrscheinlich ging sie in die USA zu ihrem Sohn Prof. Dr. Friedrich Solmsen, der 1933 nach seinem Berufsverbot zunächst in Cambridge lehrte und ab 1937 als Klassischer Philologe an mehrere US-Universitäten berufen wurde.

Nach dem Krieg wurde das Herrenhaus für kurze Zeit als Krankenhaus genutzt. Leiter war der Ahrensböker Arzt Dr. Hermanns, Verwalter der spätere Geschäftsführer der Globus-Werke Walter Dockweiler. 1953 verkaufte Frau Schulz das Gut an die Landessiedlung Ostholstein, die das Gut aufsiedelte. Das Herrenhaus wurde für einige Jahre Hotel und Restaurant. Im November 2014 wurde es für 1 Millionen Euro zum Kauf angeboten.

Gut Dunkelsdorf
Gut Dunkelsdorf

Das Haus des Tierarztes Beckhard in Ahrensbök

Die jüdische Familie Beckard-Asch wurde 1938 gezwungen, ihr Haus am Pferdemarkt zu verkaufen. Die Versuche der Erben nach 1945, für den Verlust entschädigt zu werden, waren vergebens.

Am 21. September 1954 meldete der Rechtanwalt und Notar Heinz Adler aus Oldenburg/OH im Auftrag der Erben der verstorbenen Tierarztfrau Clara Beckhard Entschädigungsansprüche an. Die in den USA lebende Tochter Elly Asch, geborene Beckhard, sowie ihr Bruder Walter Beckhard forderten Entschädigung für den Grundstücksverlust, für die Kosten der Judenvermögensabgabe und anderer erzwungener Kosten.

Das Landesentschädigungsamt Schleswig-Holstein verweigerte lange die Antwort. Erst am 15. April 1969 teilte das Finanzamt des Landes Schleswig-Holstein der Erbengemeinschaft ohne Begründung mit: „Der Antrag auf Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz vom 14.9.1965 wird abgelehnt.”

Auf der Suche nach Gründen für dieses Vorgehen teilte das Amtsgericht Eutin im Oktober 2007 mit: „Eine Anfrage beim Katasteramt hat ergeben, dass die Lübecker Straße (Pferdemarkt) 111 nicht existent ist. Anbei Kopierkosten von 8 DM”.

Auch bei den Globus-Werken war jahrelang kein Kaufvertrag zu finden. Erst die Suche mit Hilfe eines ehemaligen Mitglieds der Geschäftsleitung, dem Ahrensböker Erwin Breede führte zum Erfolg. Im Werksarchiv fand sich 2010 der Kaufvertrag vom 1. August 1938. Danach wurde der Kauf für Haus und Grundstück der Beckhards auf 9000 RM notariell festgelegt. Die Übergabe des Grundstücks erfolgte zum 1. Oktober 1938. Das Amtsgericht Eutin registrierte die Umschreibung im Grundbuch zum 1.11.1938 auf den Namen „Globus Gummi- und Asbestwerke GmbH in Ahrensbök”.

Diese Summe für die „freiwillige Arisierung” reichte nicht, um die Kosten der Ausreise aller Familienmitglieder der Beckhards in die USA zu decken. Die „Judenvermögensabgabe” verschlang einen Großteil der Summe. Die „Reichsfluchtsteuer” ermöglichte es nur reichen Juden, der Verfolgung und Vernichtung durch die Flucht ins Exil zu entgehen. Die Zusammenarbeit von Gestapo und Finanzämter bei der Ausplünderung der Juden in Deutschland bleibt bis heute ein verdrängter Skandal.

Tochter der Familie Asch-Beckhard, Karen Joelson, 1998 mit dem Autor in New York beim Sichten der Familienakten
Tochter der Familie Asch-Beckhard, Karen Joelson, 1998 mit dem Autor in New York beim Sichten der Familienakten

Exil als Ausweg: Das Schicksal der Familie Beckhard-Asch

Die Erbengemeinschaft der jüdischen Familie des Tierarztes und Veterinärs Josef Ludwig Isaac, genannt Hermann Beckhard, der 1935 verstorben war, hatte Haus und Hof verkaufen müssen. Unter dem Druck der Nürnberger Gesetze von 1935 und der Arisierungsverordnungen von 1938 emigrierten sie 1938 in die USA. So überlebten die Witwe Clara und deren Mutter Anna Kahn, die Beckhard-Söhne Ernst, Kurt und Walter und die Töchter Hedwig und Elly. Die Tochter Erna Ackermann, geb. Beckhard, blieb in Deutschland und kam im Ghetto von Theresienstadt um.

Die ältere Schwester Elly hatte die Flucht vorbereiten und durch die Heirat mit dem reichen Lübecker Prokuristen Kurt Jacob Asch finanzieren können. Ihre 1931 in Lübeck geborene Tochter Karen wurde noch 1935 scheinbar problemlos und „gesetzwidrig” in Ahrensbök durch Kindermädchen in BDM-Uniform betreut.

Zwei Jahre später musste das 1932 erbaute Haus ihres Vaters, Kurt Asch, des jüdischen Mitbesitzers der Norddeutschen Bürstenfabrik, in der Lübecker Edvard-Munch-Straße aufgegeben werden. Es wurde einschließlich des Vermögens und der Kunstwerke von Edvard Munch, der neben Max Linde auch von der Familie Asch gefördert wurde, arisiert. Im März 1938 wanderte die Familie die USA aus.

Heute erinnert in Ahrensbök nichts mehr an die jüdische Familie, die bis zum Tode des Tierarztes 1935 in der Gemeinde geachtet war Dennoch ist das Haus der Beckhards in der Lübecker Str. 111 vielen Ahrensbökern noch heute vertraut. Es wird als Wohnsitz leitender Angestellter der Globus-Werke genutzt. Hermann Beckhard, 1865 in Dudweiler geboren, gehörte zu den Bürgern Ahrensböks, die sich früh dem Auftreten der Nationalsozialisten und deren Tarnorganisation („Völkisch-sozialer Block”) entgegenstellten. Am 15. April 1924 berichteten die „Ahrensböker Nachrichten”: „Herr Tierarzt Beckhard wandte sich vor allem gegen den vom Völkischen Block propagierten Rassenkampf gegen die Juden. Ihm wurde aus der Versammlung reicher Beifall zuteil. Weiter beteiligten sich an der Aussprache die Herren Ed. Koch, H. Schlüter, H. Langhoff und P. Thätner, die alle mehr oder weniger sich gegen die Ausführungen des Referenten wandten und den Völkischen Block ablehnten.” Eine frühe Warnung und Mahnung aus Ahrensbök - mit Folgen. Denn der Mitstreiter, der liberale Stellmachermeister Eduard Koch und der Leiter des Arbeitsamtes, der Sozialdemokrat Paul Thätner, gehörten 1933 zu den ersten, die in Ahrensbök in „Schutzhaft” genommenen wurden, die sie im Eutiner- und Ahrensböker Konzentrationslager absaßen.

Jörg Wollenberg

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