(Gegenwind 309, Juni 2014)
Eine Erkenntnis habe ich gewonnen bei meinen Besuchen der neuen Friedensdemonstrationen in Kiel: Deutschland könnte massive Grenzstreitigkeiten mit Russland, Dänemark, Frankreich, Tschechien, Polen und Litauen bekommen. Jedenfalls wenn es nach einigen Teilnehmer_innen der „Mahnwachen für den Frieden” geht. Sie fordern die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in den Grenzen von 1914. Reden über grenzenlose Liebe, über Frieden. Und dass es nun auch mal gut sei mit dem Gender-Mainstream, das mit der „Conchita” sei ja abartig.
Einige der Friedensbewegten, die sich in Tradition der Montagsdemos von 1989 sehen, haben Angst vor „Chemtrails” (so bezeichnen sie ausfransende Kondensstreifen von Flugzeugen am Himmel). Andere meinen, dass die FED (Federal Reserve System), das Zentralbank-System der USA, für fast jedes Übel verantwortlich und außerdem noch im Besitz der „Rothschilds” sei. Und, das scheint Konsens zu sein, alle Medien lügen immer. Wahrheit gibt es allein im Internet, bei YouTube, beim Magazin von Jürgen Elsässer oder bei „KenFM”. Überhaupt ist Ken Jebsen, der gerne mal den Holocaust relativiert (indem er Israel mit dem „Dritten Reich” gleichsetzt) und es mit Fakten generell nicht so genau nimmt, eine der zentralen Gestalten der neuen Friedensbewegung.
Das klingt alles unglaublich wirr, denkt ihr jetzt? Lass doch die Irren allein und kümmere Dich um die wirklichen Probleme, Krieg und Frieden zum Beispiel! Aber bis Mitte Mai fanden diese Kundgebungen in fast 60 Städten deutschlandweit statt, Tausende Menschen spendeten den Redner_innen Applaus. Und ein Ignorieren der Gefährlichkeit dieser Bewegung halte ich angesichts dieser Situation für fatal! Um das für alle nachvollziehbar zu machen, erkläre ich lieber erst einmal, wie ich auf diese Mahnwachen aufmerksam geworden bin und warum ich mich mit einigen anderen Leuten immer wieder montags dort einfinde.
Gehört hatte ich das alles schon: von dem „unpolitisch”, weder links noch rechts sein, und all das andere. Es war 2010, ich glaube bei einer Infoveranstaltung der (echten!) Friedensbewegung: „9/11 inside job” stand auf den T-Shirts der beiden Genossen, die mir dort gegenübersaßen. Keine ungewöhnliche These, weder in linken, noch in rechten Kreisen. Aus meinem Unbehagen heraus fragte ich sie, warum sie als Mitglieder der Partei „Die Linke” mit so einem Slogan herumliefen? - Sie seien überzeugt, die „Freimaurer” steckten hinter den Anschlägen auf das „World Trade Center”. - Aha... Wir verabredeten ein Treffen. Ich wollte ihrem Weltbild etwas auf den Grund gehen.
Dass der Grund dann so braun und trüb sein würde, hätte ich mir nie träumen lassen. Mir erschloss sich ein ganz neuer Kosmos an vermeintlichen Verschwörungen: Die beiden erzählten mir, sie wären „Infokrieger”. Die USA würden die Bürger_innen der BRD mit „Chemtrails” vergiften, um ihre Gedanken zu kontrollieren. Die BRD sei kein souveräner Staat, sondern eine GmbH, erkennbar am „Personal(!)ausweis”. Die EU sei eine „EUdSSR”, kontrolliert von „Freimaurern”. „Freimaurer” würden beispielsweise auch hinter der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht stecken. Und schließlich, die wahren Faschist_innen heutzutage seien die Antifaschisten_innen, und links und rechts - die Kategorien wären doch überholt. „Sexualstraftäter” müsse man härter, am besten mit dem Tod, bestrafen. Das alles seien keine Verschwörungstheorien, sondern die Wahrheit. Ihre Aufgabe sei es, uns zu helfen, auch zu erwachen. Kurz und gut: Wir leiteten ein Parteiordnungsverfahren ein, in dessen Folge die beiden ausgeschlossen wurden.
Ich hingegen begann mich mit den „Infokriegern”, „Aufgewachten”, „Wahrheitssuchern” oder wie auch immer sie sich nennen zu beschäftigen. Ich stieß auf den „Kopp-Verlag”, der neben Eva Hermann oder etwa dem Geschichtsrevisionisten und Antisemiten Jan Udo Holey (auch „Jan van Helsing”) diverse rechte, verschwörungstheoretische Schriften herausgibt, mit Themen von A wie „Aliens” bis Z wie „Zionisten”. Auf diverse Seiten von „Reichsdeutschen”, die die Legitimität der BRD bestreiten, eine eigene „Reichsregierung” gegründet haben, sich eigene „Reisepässe” ausstellen, wurde ich ebenso verwiesen. Jürgen Elsässer begegnete ich, vormals Kommunist, dann einer der Impulsgeber der „Antideutschen”, ehedem Journalist für „Junge Welt” und „Neues Deutschland”. Er propagiert nun die Querfront von „Linken” und „Rechten” gegen das „Finanzkapital” und richtet Konferenzen aus, auf denen Homophobe und andere Rechte aller Schattierungen zu Wort kommen. Neuerdings promotet er passenderweise auch die „Alternative für Deutschland”.
Wie aber mit meinen Erkenntnissen umgehen? Ich beschloss, diese Gruppe weiter zu beobachten. Würde sie anwachsen oder wäre es ein vorübergehendes Phänomen innerhalb einer zutiefst verunsicherten Gesellschaft? Da ich einen Account auf Facebook habe und dort mit vielen Linken und Friedensbewegten „befreundet” bin, merkte ich schnell, dass diese eso-faschistischen Netzwerke nicht ernst genommen werden. Mehr noch: Die Strategie der „Infokrieger” ging auf. Das „Gegen das System”-, gegen das „Finanzkapital”-Sein machte sich bezahlt. Viele meiner „Freund_innen” auf Facebook teilten immer wieder Grafiken, Beiträge, Kommentare. Auf meine Kritik kamen meist genervte Reaktionen. Die Beiträge wurden zwar entfernt, aber häufig wurden wieder neue geteilt, aus einer Mischung aus Ignoranz und fehlender Quellenkritik heraus. Wo sind diese Netzwerke anschlussfähig nach links? Es ist die totale Kritik an den Medien, an der Politik, an Lobbygruppen, ihre manische Besessenheit, dieses und jenes „endlich mal wieder sagen zu können”, besonders „endlich wieder” Israel kritisieren zu können.
Seit 2010 beobachte ich, was zu befürchten war: Die Szene wuchs an, verzweigte sich immer weiter, es bildeten sich unzählige Blogs, Homepages, Facebook-Gruppen, YouTube-Konten, die sich fast ausschließlich aufeinander bezogen. Beiträge von „Truthern” (so nennt sich die US-Bewegung) wurden geteilt, auch von offenen Antisemit_innen. Offensichtliche Fehlinformationen wurden für der Weisheit letzter Schluss gehalten. Und ganz zentral: Alle, die nicht die Meinung der „Aufgewachten” teilen, werden als „Schlafschafe”, „Systemlinge” oder ähnliches betitelt. Die Diskurse innerhalb dieses Netzwerkes ähneln denen in einer Sekte: Rechts, in sich geschlossen und krass esoterisch. Führungsstrukturen wie bei neofaschistischen Parteien oder Kameradschaften gibt es nicht, aber bestimmte Personen, die in dieser Bewegung eine geradezu messianische Rolle spielen.
Nun also die „Mahnwachen für den Frieden”, die „neue Friedensbewegung”, die „neuen Montagsdemos”. Die Slogans, die dort präsentiert werden, sind mir über die Jahre immer wieder begegnet. Aber es gibt auch eine neue Qualität: Das erste Mal drängen die Mitglieder eso-faschistischer Netzwerke in dieser Massivität hinaus an die Öffentlichkeit. Sie finden Anklang bei vielen Menschen, die ein diffuses Unbehagen an dieser Gesellschaft haben, die (berechtigterweise!) Angst vor Kriegen haben. Sie werden längst nicht mehr von der Sprache der „alten” Friedensbewegung erreicht. Vielleicht nicht zuletzt, weil diese nicht Schritt halten konnte mit der Entwicklung der neuen Medien, mit Facebook, Twitter, YouTube. Mit kurzen Videoclips, knappen, einfachen Statements, einer Sprache, die die Menschen noch bewegt.
Recht schnell kamen erste Warnungen vor dieser neuen Friedensbewegung, vor ihrem antisemitischen Charakter. Besonders Jutta Ditfurth leistete eine rasche, gezielte Aufklärungsarbeit. Sie zog den Hass der „Friedensbewegten” auf sich, bekam Morddrohungen, Vergewaltigungsphantasien. „Friedensfreunde” wollten sie nach dem Ende „des Systems” in die neuen Konzentrationslager schicken. Rasch folgten klare Stellungnahmen von der „Kooperation für den Frieden”, Attac, der Partei „Die Linke”, den Piraten.
Und was tat ich? Ich begann erst einmal, die Möglichkeiten, die YouTube und die sozialen Netzwerke bieten zu nutzen: Ich schaute mir Videos von Reden an, aus Hamburg und Berlin. Sie glichen sich: Irgendwie für Frieden, gegen die „Lügenmedien”, gegen Parteien, mit der Behauptung „unpolitisch” zu sein. Dazu Berichte über die fehlende Souveränität der BRD, dass Deutschland sich immer noch im „Kriegszustand” befände, über „Chemtrails” oder dass Michael Jackson „das” alles ja habe kommen sehen - und deshalb umgebracht worden sei.
Und natürlich die FED. Sie sei schuld an allen Kriegen der letzten hundert Jahre - so Lars Mährholz, Initiator und Ideengeber der Mahnwachen. Hinter der FED stünden die „Rothschilds”. Ein antisemitisches Konstrukt sondergleichen, ohne direktes Artikulieren des Judenhasses. So wird es möglich, den antisemitischen Kern abzustreiten und anschlussfähig nach allen Seiten zu bleiben. Keinem der Redebeiträge wurde widersprochen, mochten sie auch noch so weit hergeholt erscheinen. Alles war egal im allgemeinen Wir-Gefühl. Selbst die Anwesenheit von NPD-Mitgliedern wurde geduldet.
Am Montag, 28. April, sollte es dann soweit sein: die erste „Mahnwache für den Frieden” in Kiel. Wir mobilisierten im Vorfeld. Auf dem Asmus-Bremer-Platz fand sich dann auch ein erkleckliches Grüppchen aus Mitgliedern des Runden Tisches gegen Rechts, von Attac, Antifa und Mitgliedern der Partei „Die Linke” ein. Aber wo war die Mahnwache? Ein paar junge Leute, recht alternativ gekleidet, standen etwas desorientiert in der Gegend herum. Von uns angesprochen, gaben sie sich als Initiator_innen der Mahnwache zu erkennen.
Was wir von ihnen zu hören bekamen, war haarsträubend: Die BRD sei eine „Kolonie” der USA, Angela Merkel würde alles machen, was die USA wollten. Sie, die dort stünden, seien „das Volk”. Sie würden alles dafür tun, dass immer mehr Bürger_innen erwachten, um die Herrschaft der USA zu beenden. Und wenn wir sagten, Nazis dürften kein Rederecht auf Friedensdemos bekommen, seien wir die wirklichen Nazis. Wenn Nazis dort auftauchten, könnten sie natürlich reden, solange sie sich nicht als Nazis zu erkennen gäben. Überhaupt: USA? Nazi-Staat! Israel? Nazi-Staat! Und zwischen links und rechts gäbe es keinen Unterschied. Über zwei Stunden versuchten wir sie durch geduldiges Argumentieren von der Sinnlosigkeit ihrer Wahngebilde zu überzeugen. Doch das war selbst: sinnlos. Immerhin konnte die Mahnwache nicht wie geplant stattfinden.
Bei der zweiten Mahnwache waren wir unvorbereitet und hatten nicht mobilisiert. Am Kieler Hauptbahnhof fanden sich um die 120 Menschen ein, eine Verzehnfachung der Teilnehmer_innenzahl. Es ging um unendliche Liebe, Frieden, Kollektiv-Sein, Unpolitisch-Sein, böse Parteien und Medien, BRD ohne Souveränität, Grass und Herman als Vorkämpfer der Meinungsfreiheit, die böse FED, und überhaupt die Rothschilds. So richtig aus der Deckung wagte sich niemand. Einer der Hauptredner, der sich zeitweise als Moderator gab, versuchte die Gruppe der Kritiker_innen herauszufordern: Wir sollten doch etwas sagen, unsere Kritik laut äußern. Er fragte, ob jemand im Publikum rechts sei und nahm dann den Einzigen, der sich als rechts outete, demonstrativ in den Arm. Wir waren in die Defensive geraten, fassungs- und ratlos. Also setzten wir uns zusammen und beratschlagten, was zu tun sei.
Bei der dritten Montagsdemo waren wir besser vorbereitet. Wir malten Transparente mit satirischen Aufschriften, bastelten Aluhüte gegen Mikrowellenstrahlung (ein Hinweis auf den wahnhaften Charakter der Veranstaltung). Wir waren deutlich als nicht dazugehörig zu identifizieren. Wer aus dem Hauptbahnhof kam, sah zuerst uns, nicht die Mahnwachenden, sprach uns an. Zudem verteilten wir einen Flyer mit Zitaten, beispielsweise von den Berliner Initiatoren der „Mahnwachen für den Frieden”, in denen diese die FED allein für alle Kriege verantwortlich machten (Lars Mährholz) oder den Holocaust relativierten (Ralf Schurig, Mitorganisator der Berliner Mahnwache). Garniert das Ganze dann mit ein paar Zitaten von Seiten, die auf der Mahnwache der Vorwoche beworben waren: Diskussionen über die Präsenz von Aliens, über die Echtheit der „Protokolle der Weisen von Zion”, über die Verschwörung der „Rothschilds”. Ich würde unser Vorgehen als „subversive Intervention” bezeichnen: Mit Flyern, Aluhüten und Transparenten stießen wir die Anwesenden bewusst vor den Kopf, um einen Denkprozess anzuregen.
Wir hielten Reden, versuchten all ihre kruden Thesen nach Strich und Faden auseinanderzunehmen. Die Folge: Wir bekamen, neben Buhrufen und hysterischem Lachen, aus den Reihen der Kundgebung Applaus. Im Anschluss an meine Rede kam der eine oder die andere auf mich zu, beglückwünschte mich dazu, äußerte ähnliche Bedenken. In den folgenden Tagen bekam ich über Facebook persönliche Nachrichten. Darunter auch eine, die mich vor der Präsenz „echter Nazis” auf der Mahnwache warnte. Sie verwies auf einen entsprechenden Facebook-Account und äußerte, sie habe selbst Angst. Es sei nicht der einzige Rechte dort.
Der Teilnehmer der Mahnwache, vor dem ich gewarnt wurde, war der „Moderator” des letzten Mals. In der vermeintlichen Anonymität des Internets äußert er sich wenig zimperlich: Er fordert, alle Politiker_innen müssten „hängen”, „am besten noch vor Ablauf 2014”. Und am Antisemitismus sei das „angebliche ‚Opfervolk’” selbst schuld. Das Ziel der „Zionisten”, „in Verbindung zur jüdischen Hochfinanz, u.a. der Familie Rothschild und deren Kontakten”, sei „die Unterdrückung und Versklavung des deutschen Volkes”. Das alles war frei zugänglich für alle, die sich informieren wollten.
Auf einen weiteren Account stießen wir, den wir ihm zuordnen konnten. Darin wird er noch einmal deutlicher. Über „kriminelle Ausländer” schreibt er: „Die Idioten sollte man zwingen, ein tiefes Loch auszuheben, Kugel in den Schädel und Leiche mit Löschkalk abdecken.” Man müsse „in organisierten Gruppen losziehen und einfach random irgendwelche Ausländer (aller Nationalitäten) totschlagen [...] bis es endlich wieder eine gerechte Rechtsprechung in Deutschland gibt.” Und wie stellt er sich den friedensbewegten Umgang mit Antifaschist_innen vor? Was in so manchem Mahnwachenden im Stillen vorgeht, spricht er offen aus: Sie seien „mit der Nazikeule bewaffnete Trolle”, die nachts „ass to mouth Spielchen spielen und sich als konzernfaschistische Huren gegenseitig ‚Zion’ ins Gesicht quieken!” Und fehlen darf schließlich auch nicht die Holocaust-Leugnung: „Es gibt eine Million Beweise gegen dieses angeblich singuläre Ereignis ‚Holocaust’ und nicht einen einzigen Beweis dafür.”
Doch wie war die Reaktion der Mitglieder der „Mahnwache für den Frieden”, als sie von den ersten beiden Zitaten hörten? Dem antisemitischen Redner gaben sie in ihrer Facebook-Gruppe noch einmal lang und breit die Gelegenheit sich zu äußern. Damit nicht genug, sein Beitrag wurde geliked, die Kritker_innen wurden als „dogmatische Hunde” abgekanzelt. Es steht zu befürchten, dass bei der vierten Mahnwache der Kritisierte noch einmal Rederecht bekommt, zumindest aber, dass sich die Organisator_innen und die Teilnehmer_innen mit ihm solidarisieren und damit dem offenen, aggressiven Antisemitismus weiter Tür und Tor öffnen. Und ob die zaghaften, verängstigten internen Stimmen gegen den Wahn laut werden? Noch zweifle ich.
Wie lautet mein vorläufiges Fazit? Ich wurde als „Volltrottel” und „Systemnutte” beschimpft. Mir wurde geschrieben, ich solle mich „ficken” und an meinem „Erbrochenen ersticken”. Das alles, weil ich es gewagt habe, den Mahnwachenden zu widersprechen und einen radikalen Antisemiten als solchen zu bezeichnen. Und trotzdem: Gemeinsam mit hoffentlich noch mehr Antifaschist_innen werde ich auch bei der vierten Mahnwache laut und deutlich meinen Protest kundtun: Eine Friedensbewegung mit Antisemit_innen und Holocaust-Leugner_innen ist keine. Die Parole „Nie wieder Krieg!” ist für uns nicht ohne „Nie wieder Faschismus!” denkbar. Die Unterstützung für die mittlerweile über sechzig Mahnwachen deutschlandweit durch AfD und NPD ist kein Zufall.
Aktivisten wie Pedram Shahyar (ehemals Attac) oder Prinz Chaos II. haben sich entschieden, Teil der „Mahnwachen” zu werden. Ich halte das für einen großen Fehler. Überall haben Menschen mit Bezügen zu eso-faschistischen Netzwerken, wie Lars Mährholz, das Heft in der Hand. In Erfurt wurde jüngst das Organisationsteam der dortigen Montagsdemo abgesetzt, in dem Mitglieder der Partei „Die Linke” sich um einen anderen Kurs bemüht hatten. Wer den Mahnwachenden widerspricht, wird mit harter Hand zur Ordnung gerufen.
Also: Widersprechen, laut und offen. Nicht Teil der Bewegung werden, sondern Aufklärungswillige herausbrechen. Präsenz zeigen, klarer in den eigenen Aussagen werden und anschlussfähige Satzbausteine unterlassen. Für Bildung in den eigenen Reihen sorgen und Alternativen entwickeln. Das allein wird nicht ausreichen!
Selbst wenn die Mahnwachen in absehbarer Zeit in sich zusammenbrechen, das reaktionäre Potential bleibt erhalten: Eine Bevölkerungsgruppe, die bereits jeglichen Glauben an alles verloren hat, was für sie aus dem „System” kommt, die von politischen Diskussionen längst nicht mehr erreichbar ist. Die aber ihr Heil in diversen sozialen Netzwerken sucht, bei eingängigen YouTube-Videos oder Liedern. Die große Frage ist: Wie können wir diese stetig wachsende Gruppe von Abgehängten - nicht im Sinne von sozial abgehängt; die Zusammensetzung reicht von Angestellten, Arbeiter_innen bis zu Studierenden - wieder erreichen, und wie verhindern wir, dass dort ein Potential heranwächst, das irgendwann für noch Schlimmeres als für diese „Mahnwachen für den Frieden” mobilisiert werden kann?
Lorenz Gösta Beutin
Lorenz Gösta Beutin ist Historiker und Mitarbeiter des Regionalbüros Nord der LINKEN. im Bundestag.
Weitere Informationen finden sich auf seiner Homepage www.lorenz-goesta-beutin.de oder bei www.facebook.com/lgbeutin.