(Gegenwind 305, Februar 2014)

Gerhard Hoch
Gerhard Hoch auf einer Veranstaltung in der KZ Gedenkstätte Kaltenkirchen/Springhirsch. Aufnahme: Uta Körby 2012

Geschichte

Vorwürfe statt seriösem Gutachten

In der Debatte um den Landrat von Mohl und das Gutachten des IZRG - siehe auch Gegenwind 303 vom Dezember 2013, S. 48f - ist eine Frage bisher nicht verfolgt worden. Entspricht das Gutachten von Uwe Danker und Sebastian Lehmann den (selbstgestellten) wissenschaftlichen Standards? Sind die Vorwürfe Gerhard Hoch gegenüber überhaupt zutreffend? Der folgende Beitrag beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der zweiten Frage. Die Autoren unterstellen Hoch, „regionale und überregionale Literatur zu eingeschränkt und offenbar unsystematisch” (Gutachten S. 3) rezipiert zu haben.

Aber, wer dies kritisiert, sollte dann auch vorbildlich arbeiten.

Ein Beispiel: Die Ausführungen zur Zwangsarbeit entsprechen nicht im Ansatz der Realität. Lediglich fünf Lager im Kreis Segeberg sind absoluter Unsinn und das wissen die Autoren. Als Quelle nennen sie das in Buchform erschienene eigene Gutachten zur Zwangsarbeit für Schleswig-Holstein, das mit seinen nachfolgenden Publikationen Fehler im dreistelligen Bereich aufweist. Nicht einmal die Außenstelle des Konzentrationslagers Neuengamme in Springhirsch führte das IZRG 2001 in seiner Auflistung über Lager, Ausländerunterkünfte und Kriegsgefangenenkommandos auf. Sie nutzen weder die Publikation „Verschleppt zur Sklavenarbeit” aus dem Jahr 1985, in der für den Kreis zahlreiche Lager aufgelistet sind noch andere Literatur, die weitere Belege für den Kreis aufführt. Die falsche Aussage von fünf Lagern ist besonders irritierend, da die Autoren des Gutachtens diese Buchliste von 1985 in der Erstfassung ihres Gutachtens zur Zwangsarbeit veröffentlicht hatten. Dort hatten sie allerdings eigenmächtig Veränderungen an den Quellenangaben durchgeführt.

Anscheinend kennen die Autoren die Archivbestände des Kreises ungenügend, beispielsweise den Schriftwechsel des Landrats vom April 1941, in dem u. a. zusätzlich das Gemeinschaftslager Kaltenkirchen genannt wird (Landesarchiv Abt. 320 Segeberg Nr. 224), noch wissen sie, dass der Internationale Suchdienst in Bad Arolsen Unterlagen u. a. über die Beschäftigung von Zwangsarbeitern durch den Kreis Segeberg aufbewahrt. Ob die angebliche „mangelhafte Quellenlage” zur Zwangsarbeit für den Kreis (Gutachten S. 14) zutrifft, muss daher bezweifelt werden.

Der Vorwurf der fehlenden Literaturnutzung soll kurz noch einmal hinterfragt werden. Da Danker und Lehmann kein einziges Beispiel benennen, das Hoch hätte nutzen müssen und die von ihnen ausgewerteten Publikationen aus dem Zeitraum nach der Veröffentlichung des Buches von Hoch stammen, ist das eine Verurteilung ohne Beweise. Die Autoren greifen hier auf die Forschungsergebnisse anderer zurück, was Hoch noch nicht möglich war, nutzten aber selber Literatur nicht, die bereits erschienen war.

Ein weiterer Vorwurf: Fehlende Quellennachweise

Es ist auch der Vorwurf der fehlenden Quellenangaben in den Publikationen von Gerhard Hoch - siehe Anmerkung 14, es soll auf den Seiten 161-163 „jedoch kein einziger Quellenbeleg für diesen Vorgang geliefert” worden sein, im IZRG Gutachten - fraglich. Die Anmerkung Nr. 6 auf S. 161 des Buches über Kaltenkirchen mit Verweis auf die Kaltenkirchener Zeitung vom 24.7.1935 konnte (oder wollte?) von den Gutachtern in dem Zusammenhang nicht entdeckt werden. Zusätzlich sei erwähnt, dass die Autoren zeigen, dass ihnen das Verständnis für die Forschungs- und Publikationssituation in den 70er-Jahren fehlt oder sie wollten nur Negatives finden. Die Anmerkung Nr. 20 (Vgl. ebd. S. 164. Allerdings verzichtete Hoch auf Quellenbelege.) vermittelt den Eindruck, als ob Gerhard Hoch keine Belege für seine Aussagen liefert. Im Buch „Zwölf wiedergefundene Jahre” jedoch verweist Hoch auf S. 164 konkret auf datierte Schreiben vom Landrat von Mohl an das Standesamt hin. Dass Gerhard Hoch - ungewöhnlich für die damalige Zeit - Einblick in Standesamtsunterlagen hatte, belegt u. a. die Abbildung auf S. 300. (Zusätzlich werden als ungedruckte Dokumente S. 340 u.a. die Aktenbestände der Stadt Kaltenkirchen benannt.) Manche Nachweise werden eben im Text geliefert, man muss sie nur finden wollen oder können. Damit entfällt auch der kritisierenden Hinweis aus Anmerkung 21 des IZRG-Gutachtens, und der Verweis von Gerhard Hoch auf sein Buch über Kaltenkirchen ist gerechtfertigt.

Wer sich wie die Autoren mit Kritik dermaßen weit aus dem Fenster lehnt, fällt leicht heraus, oder wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Die Anmerkung 81 „Tagebuch Otto Gubitz (Kopie im Besitz des Autors) [...] Blatt 70.” ermöglicht bei zwei Autoren keine Zuordnung, wer die Kopie besitzt. Die Erläuterung „Eigene Sammlung und Auswertung der Autoren, leicht modifiziert seit 2007” überzeugt als Quellennachweis (Anm. 47) nur eingeschränkt, da der Verweis auf das Buch von Lehmann, das bereits 2007 erschienen ist, diesbezüglich nicht ausreicht. Der Literaturhinweis Fuchs: Landrat (u. a. Anm. 65) lässt sich schwerlich erschließen ohne die weiteren üblichen Angaben.

Mit Aussagen zu Anmerkungen sollten sich die Autoren also lieber zurückhalten. Sind doch schon einige Quellenwiedergaben und Anmerkungen in den Publikationen des IZRG zur Zwangsarbeit zweifelhaft, so liefert Uwe Danker in seinem Artikel im neuen Rendsburger Jahrbuch 2013, S. 93, Anmerkung Nr. 33, ein besonders „wissenschaftliches” Beispiel. Der Quellennachweis lautet „Recherche Danker e.a. (wie FN 3)” (Die von Danker genutzten Informationen stehen übrigens in einem unveröffentlichten Manuskript des Verfassers dieser Stellungnahme).

Der nächste Kritikpunkt von Danker und Lehmann an Gerhard Hoch

Hoch wähle „hochspekulativ von mehreren Deutungsmöglichkeiten jeweils apodiktisch diejenige, die von Mohl in die Nähe nationalsozialistischer Überzeugung rückt...” (S. 3). Wie ergebnisoffen verhalten sich nun die Gutachter in diesem Zusammenhang selber?

Die Urlaubsgeschichte (Gutachten, S. 17f), Abgabe von Verantwortung, „just zu einem Zeitpunkt” als sich die „nationale Revolution” in Berlin und Kiel Bahn bricht und auch in Segeberg vermeintliche Unregelmäßigkeiten von der NSDAP skandalisiert werden, deutet das IZRG überwiegend positiv zugunsten von Landrat von Mohl. Geschickt an dieser Vorgehensweise ist das Verlagern der wesentlichen Daten hierfür in den Anmerkungsapparat. Damit wird nicht sofort offenkundig, dass das IZRG Landrat von Mohl hellseherische Fähigkeiten zubilligt. Der Urlaubsantrag stammt vom 9.6.1933, die genannte Skandalisierung jedoch vom 15.7.1933. Einen Zusammenhang diesbezüglich herzustellen, ist definitiv unsinnig.

Außerdem waren zu diesem Zeitpunkt die Notverordnungen beschlossen, das „Ermächtigungsgesetz” verabschiedet, die Gewerkschaften verboten usw. Wesentliche Schritte der „nationalen Revolution” waren damit bereits abgeschlossen, so dass auch die Frage statthaft wäre, warum Landrat von Mohl erst die wesentlichen Schritte der „nationalen Revolution” abgewartet hat und danach seinen Urlaub eingereicht hat. Aber das wäre genauso spekulativ wie die Ausführungen des IZRG.

Das Bemühen, den Landrat neben der „Urlaubsgeschichte” zusätzlich von der Verantwortung im Zusammenhang mit dem Konzentrationslager Kuhlen zu entlasten, ist zu erkennen, indem Danker und Lehmann einige Informationen benennen und andere dafür verschweigen.

Das Konzentrationslager Kuhlen war vom Kreis eingerichtet worden, auch wenn als Stellvertreter des Landrats Stiehr gezeichnet hat. Landrat von Mohl hat diese Verordnung nicht aufgehoben und somit zumindest akzeptiert. Er hat sich damit die Entscheidungen seines Stellvertreters zu Eigen gemacht. Wenn jemand die Entscheidung, die in seinem Namen gefällt wird, akzeptiert, trägt er die politische Verantwortung. Initiativen, dass Landrat von Mohl sich beispielsweise für eine Auflösung, Erleichterung oder vorzeitige Entlassung von Häftlingen einsetzte, sind nicht bekannt. Der Landrat war in die Verwaltung des Konzentrationslagers eingebunden (siehe Bericht Landrat von Mohl, in: Harald Jenner, Konzentrationslager Kuhlen 1933, Neumünster 1988, S. 95). Er war genauestens informiert, denn er sandte regelmäßig Berichte. Der Landrat hat mindestens einmal das Lager besucht (Jenner, S. 119).

Für die Inhaftierung waren die Landräte als Kreispolizeibehörde, also Landrat von Mohl zuständig (Jenner, S. 20). Harald Jenner (S. 44) belegt insgesamt 38 Personen aus dem Kreis Segeberg, die ins Konzentrationslager Kuhlen verbracht wurden. Mindestens ein Fall stammt aus der Zeit, in der Landrat von Mohl nicht im Urlaub war, wie die Dokumentation von Jenner zeigt (S.49, ebenfalls aus Segeberg stammt der Fall auf S. 111ff). Das bedeutet Verhaftung durch Entscheidung des Landrats von Mohl. Gerhard Hoch verweist in seinem Buch über den Landrat von Mohl (S. 52) auf ein Dokument mit dem Hinweis auf eine Verhaftung auf Ersuchen des Landrats von Mohl. Die Autoren geben an, dass sie keine Belege dafür gefunden haben, dass von Mohl initiativ bei Verfolgungsmaßnahmen gewesen wäre. Daraus lassen sich aber keine definitiven Schlussfolgerungen ziehen. Hätte von Mohl an von Mohl schreiben sollen und eine Aktennotiz darüber anlegen sollen, dass er jemanden verhaften lassen möchte? Er konnte zeitweise alleine entscheiden. Deswegen könnte jede von von Mohl abgezeichnete Inhaftnahme eine Initiative von ihm sein, außer es finden sich Informationen, die die Initiative anderer bezeugen.

Im IZRG Gutachten (S. 18) wird darauf verwiesen, dass Landrat von Mohl seine Funktion als Kreispolizeibehörde erfüllte und „beispielsweise die Entlassung von Schutzhäftlingen verfügte”. Das Gutachten verschweigt geflissentlich die Verhaftungen und fabuliert allgemein auf S. 16 über die möglichen Initiatoren von Verhaftungen. Da auch Entlassungen auf Initiativen anderer zurückgehen konnten, wäre eine wertneutrale Formulierung, dass er Verhaftungen und Entlassungen verfügte.

Es sollten für die Häftlinge keine Kosten anfallen (siehe Erlass, Jenner, S. 87). Der Versuch, Kosten von Häftlingen einzutreiben, ist in mindestens einem Fall probiert worden (Schreiben Landrat von Mohl, Jenner, S. 90). Im Gutachten (S. 18) wird mit Bezug auf eine Publikation Hochs der Fall Gösch beschrieben. Es wird angegeben, dass der Landrat versucht hat, die Kosten vom Häftling einzuziehen. Wussten Danker und Lehmann nicht, das dies rechtswidrig war, oder warum verschweigen sie dies?

Nicht nur im Bereich des Konzentrationslagers Kuhlen haben die Gutachter Negatives einfach unterschlagen und sich für die positiven Deutungsmöglichkeiten des Handelns des Landrats von Mohl entschieden, während sie Gerhard Hoch unterstellen, immer die negative gewählt zu haben. Wo läge da der Unterschied?

Der Unterschied liegt in der vorsichtigen und fragenden Formulierungsweise von Gerhard Hoch, die von den Autoren sinnentstellend wiedergegeben wird, um ihn dann zu kritisieren. „Wenn Hoch beispielsweise schreibt, dass die lange Amtsdauer von Mohls nur verständlich sei ‚bei zunehmender inneren Übereinstimmung mit der großdeutschen Marschroute unter Hitler’ gibt es dafür keine belastbaren Belege oder auch nur begründete Hinweise” (S.3). Hoch schreibt jedoch nachdenklicher: „Das Durchhalten in der Position des Landrats [...] scheint nur verständlich bei zunehmender inneren Übereinstimmung mit der großdeutschen Marschroute unter Hitler.” (S.40). Was kann an einem „scheint” apodiktisch sein?

Quellenkritische Fehleinschätzungen und fehlende Einordnung - von wem?

Die Autoren werfen Hoch „fehlende Einordnung” (S.3) oder „quellenkritische Fehleinschätzungen” (S.2) vor. Wo haben die Gutachter Neues für den Kreis Segeberg geliefert und dabei die geforderten Ansprüche selber erfüllt? Nach neuen Informationen muss man suchen und findet wenige. Da wären auch Anträge der HJ abgelehnt worden (S.14). Aus welchen Gründen? Wie sah es im Vergleich mit den anderen Landkreisen aus? Das Gutachten liefert keine Hinweise.

Ein weiteres Beispiel: Die Autoren wollen ein „bemerkenswertes Detail” (Gutachten, S. 19) entdeckt haben. Einen Kreisinspektor Jensen gab es, der als Vertreter des Landrats Anweisungen an die Ortspolizeibehörden abgezeichnet hat. Bei dieser Selbstverständlichkeit fehlt jegliches Einordnen, und Danker sowie Lehmann verrennen sich gründlich. Dies könne bei „sehr wohlwollender Lesart” (S.19) als das Schaffen von Handlungsspielräumen gewertet werden. Wofür hat der Landrat eigentlich Mitarbeiter? Wie sah die Praxis in anderen Landkreisen aus? Nicht nur im Kreis Segeberg, sondern auch in Rendsburg und anderswo war dieses Abzeichnen von Anweisungen durch Untergebene des Landrats u. a. an die Ortspolizeibehörden gängige Praxis. Das ist allerhöchstens ein „bemerkenswertes Detail” für die Unkenntnis der Autoren, wie eine Verwaltung funktioniert. Letztlich käme niemand auf die Idee, über eine wohlwollende Sichtweise zu spekulieren, nur weil beispielsweise Heinrich Himmler nicht alle Schreiben selber abgezeichnet hat.

Eine unsinnige Kritik

Der Tippfehlerteufel schlägt besonders bei Zahlen und Daten zu. Der doppelte Hinweis (Anmerkungen 10, 91) auf ein irrtümlich falsches Datum hätte unterbleiben können, außer man will Fehler finden und sich profilieren. Gelingt es den Autoren diesbezüglich fehlerfrei zu bleiben? Das fehlerhafte Datum (3.4.1933) von Hoch für die am 3. 3. 1933 durchgeführte Vereidigung wird in Anmerkung 10 des Gutachtens mit dem 4.4.1933 wiedergegeben und das Schreiben der Landrätin kann nicht vom 18.12.2013 (S.1) stammen. Auch dürfte es von Mohl schwer gefallen sein, seinen Parteieintritt vom 1.5.1937 bereits am 2.5.1933 anzuzeigen (S.10, Anmerkung 57).

„Wohlwollende Lesart” - bei wem?

„Zumindest hielten einige Belege nicht das, was zu erwarten gewesen wäre, [...] eine Akte, die nicht den geringsten Bezug zum Thema hat” (Anmerkung 11). Nun könnte angesichts dieses Vorwurfs im Gutachten gefragt werden, welchen Bezug die Abteilung 216 (Höchste Gerichte für das Herzogtum Lauenburg, Laufzeit 1735 - 1867) des Landesarchivs (Anmerkung 79) besitzen soll. Da liegt natürlich ein Flüchtigkeitsfehler der Autoren vor und gemeint ist wahrscheinlich LAS 320 Abt. Segeberg Nr. 216. Haben die Verfasser sich die Mühe gemacht, zu berücksichtigen, ob evtl. Tippfehler im Buch von Hoch vorliegen? Vermutlich nein - hätte doch ein „wohlwollender” Blick ins Findbuch ausgereicht, um festzustellen, dass beispielsweise die Nummer 819 richtigerweise 219 lautet. Liegt vielleicht eine unglückliche Positionierung im kritisierten Satz vor - siehe Anmerkung 13? Hoch schriebe: „Die [...] Grußordnung gab von Mohl als dienstliche Anweisung an seine Beamten weiter - mit dem Zusatz: ‚Nicht-Erwiderung oder Nicht Erweisung [...] wird gewertet als Ungehorsam gegen einen dienstlichen Befehl’”. Danker und Lehmann behaupten, Hoch „erweckte damit den Eindruck als stammte dieser Satz von von Mohl selber mit dem selbstverschärfendem Zweck, Druck auf die von ihm beaufsichtigten Beamten zu erzeugen. Tatsächlich handelt es sich bei dem vermeintlichen Zusatz um ein Zitat aus Verfügung des Obersten SA-Führers ...”. Das wäre eine quellenkritische Fehleinschätzung. Wie anders klingt der Satz durch eine einfache Verschiebung? „Die [...] Grußordnung mit dem Zusatz: ‚Nicht-Erwiderung oder Nicht Erweisung [...] wird gewertet als Ungehorsam gegen einen dienstlichen Befehl’” gab von von Mohl als dienstliche Anweisung an seine Beamten weiter.

Mit dem Seziermesser suchen sie nach Fehlern bei Gerhard Hoch. Was finden sie außer der Personenverwechslung bei Wilhelm Hamkens Zweifelsfreies und Wesentliches? Zur Erinnerung: Hoch ist derjenige, der jahrelang und unermüdlich gegen das Verdrängen der NS-Vergangenheit angekämpft hat. Bereits zu einem Zeitpunkt als Danker im Studium war und Lehmann gerade eingeschult worden ist, begann er das gesellschaftliche Klima in Schleswig-Holstein mit zu beeinflussen. Er hatte Anteil daran, dass die Grundlagen u. a. für den Beschluss zur Gründung des IZRG gelegt wurden.

Wes' Geistes Kind sind die Autoren, wenn sie nun stattdessen bei der Person, die in das NS-System verantwortlich verstrickt war, von der keine Initiativen zum Widerstehen und zur späteren Aufklärung bekannt sind, nach Beispielen suchen, um eine „wohlwollende Lesart” praktizieren zu können?

Es kann nicht die Aufgabe des Verfassers sein, das komplette Gutachten mit der benutzten Literatur oder den Quellen zu überprüfen. Aber es ist nach der bisherigen Bilanz des Gutachtens anzunehmen, dass auch andere Aussagen sich bei genauerer Betrachtung als zweifelhaft bzw. falsch erweisen würden. So meinen beispielsweise Danker und Lehmann auf S. 6, dass der Mitbegründer der DDP Preuß ein sozialdemokratischer Reichsinnenminister wäre, dem von seinem Staatssekretär Freund die Mitarbeit von Mohls am 23. Oktober 1919 (Anm. 37) an der Weimarer Verfassung nahegelegt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war Preuß kein Reichsinnenminister mehr. Die Reichsverfassung wurde im August 1919 verkündet und Freund war mitnichten der Staatssekretär von ihm, sondern in der Zeit Unterstaatssekretär im preußischen Innenministerium.

Eines lässt sich aber mit Sicherheit feststellen, die Publikation von Hoch ist detailreicher und konsequent fragend aufgebaut. Hoch gibt immer wieder zu verstehen, dass er fragt und deutet. „Ob das in etwa gelungen ist, muß der Leser entscheiden” (S.67). Die Autoren des Gutachtens verlieren sich dagegen selbst. Sie überlegen auf Seite 12: „Ob der Segeberger Landrat diese Entwicklung auch als innere Hinwendung zum Nationalsozialismus vollzog, ist unbeweis- und unwiderlegbar vor dem Hintergrund seiner Sozialisation und seines Standesbewusstseins aber tendenziell unwahrscheinlich.” Überraschend konstatieren sie dann auf S. 24: „Der Segeberger Landrat Waldemar von Mohl war kein Nationalsozialist”.

Schlussbemerkungen

Wo haben die Gutachter irgendetwas Konkretes gefunden, das eine andere Deutungsmöglichkeit erzwingt als die von Gerhard Hoch? Schließlich kommt Hoch unter Berufung auf Daniel Goldhagen zu dem Schluss, von Mohl wäre ein „williger Vollstrecker” des Systems gewesen (S.7). Die Autoren formulieren anders, aber kommen im Prinzip zu keiner anderen Wertung. Sind für diese gleiche Erkenntnis die Anschuldigungen Hoch gegenüber und 6.000 € angebracht?

Bereits im Leserbrief (Segeberger Zeitung, 13.11.2013) der Fraktion der Linken wurde die Frage gestellt, warum sich die Gutachter so ausführlich mit der Publikation von Gerhard Hoch beschäftigt haben und andere Veröffentlichungen gar nicht beurteilen. Die Wortwahl und Fehlerhaftigkeit des Gutachtens (für das IZRG nicht überraschend) lassen nur die Vermutung zu, es geht um Selbsterhöhung der Autoren auf Kosten anderer. Meines Erachtens diskreditieren sie das Wirken Gerhard Hochs und treten damit in die Fußstapfen rechter Kreise, die ihn immer wieder verleumdet haben.

Die Art und Weise, wie Danker und Lehmann hier vorgehen, berührt jedoch auch eine über das Gutachten hin-ausgehende Dimension. Nicht nur die 6.000 € wurden aus Steuermittel finanziert sondern auch das IZRG und die Stellen der Autoren kosten öffentliche Gelder. Wie anders soll man das Verhalten verstehen, als das hier ein hohes qualitatives und ehrenamtliches Engagement, das sicherlich auch eine finanzielle Belastung darstellt, staatlich finanziert verleumdet wird?

Wann endlich nehmen der Wissenschaftliche Beirat des IZRG und die Landtagsabgeordneten ihre Verantwortung wahr und stoppen die (nicht erstmalige) Vorgehensweise des Diskreditierens anderer und erzwingen eine seriöse und kollegiale Arbeit? Kurzfristig sollten sie das IZRG anweisen, dieses unsägliche Gutachten sofort auf der Internetseite des Instituts zu löschen. Zusätzlich sollte man angesichts der bisherigen „Leistungen” ergebnisoffen über die Sinnhaftigkeit des IZRG in Zeiten knapper Kassen diskutieren.

Rolf Schwarz

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