(Gegenwind 293, Februar 2013)

Frau beim Glücksspiel
Foto: Benjamin Thorn / pixelio.de

Glücksspiel

Landtag beschließt Parallelrecht

Am 24. Januar hat der Landtag in Kiel beschlossen, das „Glücksspielgesetz” der vorigen Regierung zurückzunehmen und sich dem Staatsvertrag der 15 anderen Bundesländer anzuschließen. Damit beendet die neue Mehrheit im Landtag einen umstrittenen Sonderweg Schleswig-Holsteins - doch das ist riskant.

Das Glücksspiel war jahrzehntelang staatliches Monopol: Lotto und Toto, Glücksspirale und Fernsehlotterie waren und sind öffentlich-rechtliche Veranstaltungen. Das ist in anderen Mitgliedsländern der EU anders, und genau hier beißt sich diese Regelung mit der „Dienstleistungsfreiheit”.

Doch der neoliberale Kurs der EU, bei der die Kommission beaufsichtigt, dass Rechte von Unternehmern nicht eingeschränkt werden, ist nicht vom Himmel gefallen. Das wurde auch nicht „von Brüssel” beschlossen, wie uns unsere Politiker gerne erzählen, sondern von den Staats- und Regierungschefs rund um Angela Merkel und ihren Vorgängerinnen und Vorgängern. Das könnten diese sofort ändern, wenn sie sich einig wären.

Ein staatliches Monopol auf Glücksspiel ist in der EU auch möglich, das hat der Europäische Gerichtshof unmissverständlich klar gestellt. Allerdings nicht, wenn der Staat nur Privatunternehmer als Konkurrenten ausschließen will. Sondern nur, wenn der Schutz vor Spielsucht das wesentliche Motiv des Monopols ist. Deshalb haben seit 2011 alle staatlichen Anbieter, sogar das medial behäbig wirkende „Bingo-Lotto” (sonntags im 3. Programm) ihrer eigenen Loswerbung im Radio immer eine Warnung vor einem Suchtfaktor angeschlossen, der bei Bingo-Losen sehr künstlich wirkte und wirkt.

Die Bundesländer außer Schleswig-Holstein haben in den letzten Monaten (und Jahren) einen neuen Staatsvertrag geschlossen, der private Anbieter im begrenzten Umfang zulässt. Ob diese Begrenzung, die nicht inhaltlich erfolgt ist, sich also nicht gegen „unseriöse” Anbietet richtet, sondern rein quantitativ die Zahl der Lizenzen auf 20 beschränkt, nach dem EU-Wettbewerbrecht zulässig ist, muss die Zukunft zeigen.

Schleswig-Holsteins Sonderweg

Die vorigen Regierungsfraktionen haben 2011 mit ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit ein Glückspielgesetz durchgesetzt, das in Schleswig-Holstein private Unternehmen ohne Zahlenbegrenzung zuließ. Sie müssen einen Sitz in Schleswig-Holstein haben, Lizenzgebühren bezahlen, dürfen dafür aber Lotterien, Sportwetten oder auch Online-Poker anbieten.

Noch schwieriger ist die Bedingung, dass auch die (Online-)Kunden in Schleswig-Holstein wohnen müssen. Denn in Hamburg z.B. ist schließlich Online-Pokern nach dem Staatsvertrag verboten.

Jetzt gibt es in Schleswig-Holstein 23 Lizenzen für Online-Casinospiele für sechs Jahre (also für 2012 bis 2017/18), die im Rest Deutschlands verboten sind. Ebenso gibt es 26 Lizenzen für Sportwetten, deren Zahl im Rest Deutschlands auf 20 begrenzt ist. Mit der Aufhebung des Gesetzes am 24. Januar und dem Beitritt Schleswig-Holsteins zum Staatsvertrag (die Urkunde hatte Torsten Albig vorher unterschrieben und in Sachsen-Anhalt „deponiert”) gelten diese Begrenzungen jetzt auch in Schleswig-Holstein, wobei die nach Recht und Gesetz vergebenen Lizenzen Bestandsschutz haben.

Opposition dagegen

Die Opposition aus CDU, FDP und Piraten stimmte geschlossen gegen die Aufhebung des Gesetzes. Die Motive dafür waren allerdings unterschiedlich.

CDU und FDP sind für die Liberalisierung des Glücksspielmarktes. Sie glauben, das lässt sich innerhalb der EU ohnehin nicht verhindern, und dann will man wenigstens die Lizenzgebühren der Anbieter kassieren. Die Art und Weise, wie das Gesetz zustande kam, wurde allerdings schon damals stark kritisiert. Denn die federführenden Politiker, Hans-Jörg Arp (CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) hatten sich mit den führenden Anbietern in Westerland getroffen, und Hans-Jörg Arp hatte an einer Tagung auf Malta teilgenommen. Welche Formulierungen wirklich von Vertretern dieser Parteien stammten und welche direkt von den Wett-Anbietern, bleibt damit unklar.

Die Piraten argumentierten ebenfalls, Spiele und Wetten im Internet ließen sich nicht (mehr) verbieten. Eine Legalisierung ermögliche es dem Staat immerhin, die Anbieter zu kontrollieren.

Wie geht es weiter?

Ob es rechtlich möglich ist, dass 23 Anbieter von Online-Casinospielen wie Poker in Schleswig-Holstein für eine begrenzte Zeit erlaubt sind, im Rest Deutschlands aber verboten, ist natürlich unklar. Der Bundesgerichtshof hat es in einem parallel zur Debatte stattfindenden Verfahren bejaht, weil es in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der föderalen Struktur einige Dinge mehr gibt, die in verschiedenen Bundesländern verschieden geregelt sind. Raucher wissen das.

Wie das Problem gelöst wird, dass Schleswig-Holstein 26 zugelassene Anbieter von Sportwetten hat, der Rest Deutschlands die Zahl aber auf 20 begrenzt, ist noch nicht klar. „Mindestens sechs werden klagen”, sagt Wolfgang Kubicki. Denn alle, die in Schleswig-Holstein zugelassen sind, können nach den neuen Staatsvertrag auch in den anderen Bundesländern jetzt ihre Zulassung beantragen, aber sechs Anträge müssen allein wegen der Begrenzung der Lizenzen im Staatsvertrag abgelehnt werden.

Diese Probleme resultieren aber nicht aus dem jetzigen Beschluss des Landtages, wie uns die FDP suggerieren will, sondern auch dem Alleingang Schleswig-Holsteins in den Monaten zuvor. Das Innenministerium musste die Anträge auf eine Lizenz genehmigen, weil das schleswig-holsteinische Glücksspielgesetz einen Rechtsanspruch auf eine Lizenz vorsah, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt waren.

Werden wir jetzt reich?

Die positiven Auswirkungen des Glücksspielgesetzes der vorigen Mehrheit sind noch nicht absehbar. Die meisten Lizenzen wurden im Sommer und Herbst 2012 erteilt, noch gibt es keine Übersicht, wie viele Spieler es geben wird und wie hoch die Abgaben an das Land sind.

Während die Grünen mit einem Betrag von zwei bis drei Millionen Euro im Jahr rechnen, sieht Hans-Jörg Arp eher einen hohen zweistelligen Millionenbetrag oder sogar mehr. Allerdings werden solche Einnahmen sofort mit in den Länder-Finanzausgleich mit einbezogen, ein Teil des Geldes geht also in die „gemeinsame Kasse”.

Sicher ist eigentlich nur, dass einige Rechtsanwälte noch jahrelang an der unklaren Rechtslage verdienen werden.

Reinhard Pohl

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