(Gegenwind 281, Februar 2012)

Harald Mücke im Buchladen ZAPATA

LOKALES: Kiel

„...Leute, die ich bei uns im Buchladen ZAPATA noch nie gesehen habe...”

Vor ungefähr einem Jahr ist der Buchladen ZAPATA zum Wilhelmplatz 6 umgezogen. Wir wollten eine erste Bilanz ziehen und haben deshalb den Inhaber Harald Mücke besucht.

Gegenwind:

Seit einem Jahr bist Du jetzt in neuen Räumen. Wie hat sich der Buchladen in diesem einem Jahr entwickelt?

Harald Mücke:

Erst mal ist es so, dass wir uns hier an der Ecke Wilhelmplatz / Weißenburgstraße sehr wohl fühlen. Der Laden ist heller, freundlicher und besser zugänglich. Fast alle KundInnen finden auch, dass unser neuer Laden angenehmer und freundlicher ist. Wir haben schon viele neue KundInnen gewonnen, und die meisten Leute aus dem vorigen Laden sind mit uns umgezogen.

Schwierig sind zwei Sachen. Zum einen waren die Umzugskosten ziemlich hoch mit doppelter Miete und mit allem möglichen Material, was für Umzug & Umbau nötig war. Das ist Geld, das wir im Grunde nicht haben. Auch am Jungfernstieg waren wir ja immer kurz vor dem Aus. Dazu gab es am Anfang ziemliche Umsatzeinbrüche. Am schwierigsten ist, dass wir hier deutlich mehr Miete bezahlen und entsprechend höhere Umsätze brauchen.

Gegenwind:

Ist der Umsatz durch den neuen Laden gewachsen, übers ganze Jahr gesehen?

Harald Mücke:

Nein, leider nicht. Wir haben nach und nach über viele Monate den Umsatz den Zahlen vom Jungfernstieg angenähert, was aber für den neuen Laden wie gesagt zu wenig ist. Es gab ein gutes Weihnachtsgeschäft, aber die Weihnachtsgeschäfte mussten sowieso in den letzten zehn Jahren die schlechten Monate des Jahres ausgleichen. Und das haben wir 2011 nicht ganz geschafft, trotz langsam steigender Umsätze. Da muss noch einiges passieren.

Das alte Problem bleibt: Bei vielen Veranstaltungen mache ich einen Büchertisch, meistens im Bereich Umweltzerstörung, Globalisierung, Antifaschismus. Dort sehe ich jede Menge Leute, die ich bei uns im Buchladen ZAPATA noch nie gesehen habe. Wie kommt das eigentlich, wie erreichen wir die? Wie schaffen wir es, dass unser ureigenes Publikum auch in diesem Laden einkauft?

Gegenwind:

Merkst Du beim Umsatz etwas von den aktuellen politischen Themen? Werden Bücher gekauft, die sich mit dem Faschismus, mit der Bankenkrise oder Eurokrise, mit dem arabischen Frühling beschäftigen? Das waren ja die größten Themen des vergangenen Jahres.

Harald Mücke:

Ziemlich wenig, Das ist auch etwas, was mich immer wieder wundert. Auch nach 11 Jahren frustriert mich das immer noch, weil ich denke: Wenn nicht bei uns, wo denn dann? Es passiert natürlich mal, dass genau zu diesen aktuellen Themen nach Büchern gesucht wird, aber nur zum Thema Griechenland erinnere ich mich an häufigere Fragen.

Wir machen jetzt aber mehr Veranstaltungen, mehr Lesungen im Buchladen, zum Beispiel auch in einer guten Zusammenarbeit mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Da passiert es schon, dass bestimmte Themen von uns auch aufgegriffen werden und wir merken, dass zu diesen Themen auch Bücher gekauft werden. Aber von alleine passiert das selten.

Gegenwind:

Welche Literatur läuft denn besonders gut?

Harald Mücke:

Wir haben nach dem Umzug unsere Kinder- und Jugendbuchabteilung erweitert. Wir hatten sowieso schon Lust darauf, weil das Themen sind, die uns interessieren. Außerdem gibt es viele gute und kritische Kinder- und Jugendbücher, die man nur finden muss, auch mit politischen und philosophischen Themen. Und wir haben in unserer Gruppe einige, die sich gut damit auskennen. Leider gibt es ja den Trau-Dich-Buchladen nicht mehr, auch deshalb haben wir dieses Angebot bei uns erweitert. Das ist sehr gut angekommen.

Wir haben auch eine große Auswahl an Krimis, gerade auch Krimis mit politischen Themen als Hintergrund. Ich glaube, Kriminalromane sind das Medium unserer Zeit, mit dem alles mögliche abgearbeitet und transportiert wird, das früher in der normalen Belletristik geschrieben wurde. Es gibt viele gute Krimis mit den Themen Terrorismus, Umweltzerstörung, Nazis und Antifa. Das ist auch bei uns ein Schwerpunkt.

Wir bieten ja auch an, jedes lieferbare Buch zu besorgen. Das funktioniert oft über Nacht, sonst in kurzer Zeit. Das wird noch zu wenig genutzt, obwohl das auch abseits der politischen Themen ein gutes Angebot für Bücher zu Beruf, Studium oder Schule ist.

Gegenwind:

Ist es gelungen, auch Großbesteller zu gewinnen?

Harald Mücke:

Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben einige Großbesteller wie Bibliotheken, aber neue sind nicht dazu gekommen. Ich will versuchen, unsere Kundinnen und Kunden zu bitten, in ihren Bereichen, Familie, Nachbarschaft, politischem Umfeld oder in ihrem Beruf zu gucken, ob es noch Menschen, Firmen oder andere Einrichtungen gibt, die man auf den Buchladen ZAPATA aufmerksam machen kann. Ich habe schon mehrmals erlebt, wenn ich KundInnen darauf angesprochen habe, dass sie durchaus bereit dazu sind, aber auf die Idee noch nicht gekommen sind.

Gegenwind:

Wir wichtig ist die Beteiligung an Veranstaltungen? Ihr bietet ja auch an, zu den Themen von Veranstaltungen Büchertische zusammen zu stellen.

Harald Mücke:

Wir machen das gerne, aber der Erfolg ist sehr unterschiedlich. Ich treffe dort, wie gesagt, oft interessierte Leute, die ich hier im Laden noch nie gesehen habe. Andererseits denke ich, fast alle politisch interessierten Menschen in Kiel kennen den Buchladen ZAPATA, auch wenn sie noch nie hier waren. Die Einzigen, die unseren Laden nicht kennen, in diesem Bereich müssten wir mehr machen, sind Studierende von CAU, Muthesius- & Fachhochschule, die neu nach Kiel kommen.

Das Problem ist: Die Leute, die politische Veranstaltungen besuchen, kennen uns normalerweise, und ich weiß nicht, warum sie zum teil nicht hier im Laden ihre Bücher kaufen. Aber die Büchertische machen wir auf jeden Fall weiter, weil das nach unserem Selbstverständnis Teil unserer Arbeit ist. Wir sind Teil der Szene, deshalb wollen wir auch bei entsprechenden Veranstaltungen dabei sein.

Es bringt aber tatsächlich was, wenn wir mal außerhalb der politischen Szene Büchertische machen. Ich habe kürzlich einen Büchertisch im Studio-Kino gemacht, wo bei einer Veranstaltung des Luna-Club drei ehemalige Chefredakteure der Satirezeitschrift „Titanic” auftraten. Da waren viele Interessierte, die ZAPATA noch nicht kannten und später hierher zum Wilhelmplatz 6 kamen.

Gegenwind:

Wie wichtig ist die Schaufenstergestaltung und die Gestaltung von dem großen Tisch in der Mitte des Ladens?

Harald Mücke:

Das ist das, was zuerst wahrgenommen wird. Wir haben ja zum Schutz vor Nazi-Anschlägen Rollläden installiert, was bedeutet, dass Passantinnen und Passanten abends und nachts die Auslage im Schaufenster nicht sehen können. Wenn wir abends hier sind, arbeiten oder eine Lesung machen, dann sehen wir viele Leute, die in die Schaufenster gucken. Aber wenn keiner mehr hier ist, sind die Rollläden unten.

Es gibt aber eine gewisse Scheu, reinzukommen. Typisch ist die Frage, ob wir auch „normale Bücher” bestellen können. Manchmal gibt es eine Überraschung: „Ihr habt ja nicht nur linke Bücher!”. Wir sind eben nicht nur ein linker Buchladen oder ein Szene-Geschäft, sondern auch ein gut sortierter Stadtteil-Buchladen, das ist noch zu wenig bekannt. Wir haben wohl bei manchen noch den Ruf eines linken „Schmuddel-Buchladens”.

Gegenwind:

Wenn jemand ein populäres Buch von der Bestseller-Liste der Illustrierten haben möchte, darf er das hier bestellen oder wird er ausgelacht?

Harald Mücke:

Wir kommentieren Bestellungen nicht. Wir bestellen alles außer rassistischen oder sexistischen Büchern. Es gab in den letzten Jahren immer mal einzelne Nazis, die in den Laden kamen, um uns mit bestimmten Bestellungen zu provozieren, das lehnen wir ab. Aber wir haben Guttenberg „Vorerst gescheitert” und Sarrazin „Deutschland schafft sich ab” auch für Kunden bestellt, da muss niemand Angst haben.

Gegenwind:

Wie wichtig ist das Internet für den Buchladen ZAPATA?

Harald Mücke:

Bevor ich den ZAPATA-Buchladen übernahm, habe ich den agimos verlag gemacht. Damals waren wir einer der ersten Verlage in Deutschland mit einem eigenen Internet-Auftritt. Das hat damals aber nichts geholfen, und auch beim ZAPATA glaube ich nicht, dass es wirklich viel bringt. Es gibt immer wieder junge Leute die sagen, wir sollten was machen, wir müssen im Netz vertreten sein. Ich bin auch nicht dagegen, aber selbst bin ich kein intensiver Computer-Nutzer. Wenn jemand käme und sagt, ich mache einen richtig guten Internet-Auftritt für Euch und aktualisiere den auch regelmäßig, gerne.

Gegenwind:

Mit welchen politischen Gruppen, mit welchem Spektrum arbeitet der Buchladen zusammen?

Harald Mücke:

Prinzipiell sind wie ziemlich offen. Wir wollen mit allen linken, alternativen, kritischen Gruppen und Organisationen zusammen arbeiten, unabhängig von meiner politischen Auffassung. Wir sind auch eine heterogene Gruppe, einige sind weniger, andere mehr politisch, und von Alternativen, Grünen, Linke bis AnarchistInnen und KommunistInnen sind alle Richtungen auch bei uns vertreten. Wichtig ist der Kontakt zu anderen linken Projekten wie Hansastraße 48, Club M, LiLa oder Alte Meierei, wir gehen gerne im Subrosa esse, lesen & vertreiben natürlich auch den Gegenwind. Wir arbeiten auch mit neuen Projekten wie dem Occupy-Camp am Kleinen Kiel zusammen. Und hier im Laden findest Du Flugblätter, Broschüren und Plakate aus dem gesamten linken Spektrum.

Gegenwind:

Wie weit könnt Ihr Recherche betreiben, wenn jemand zu einem bestimmten Thema Literatur sucht? Das kann ja eine politische Gruppe bei der Vorbereitung einer Veranstaltung sein oder auch jemand, der ein Referat halten soll.

Harald Mücke:

Natürlich sind wir in dem, was wir tun, besser als alle anderen (lacht ). Aber ernsthaft: wir sind nicht nur kompetent, sondern auch engagiert. Wir wissen bei aktuellen Themen, was es an Veröffentlichungen gibt, und anderes finden wir. Das liegt daran, dass wir viele Leute sind, die alle eigene Interessen in Kompetenzen einbringen. Unsere Auszubildende zum Beispiel ist sehr interessiert an afrikanischer und südamerikanischer Literatur, eine andere Mitarbeiterin ist Skandinavistin, eine Kinder- und Jugend-Fachfrau andere haben weitere politische & literarische Schwerpunkte wie z.b. Lesbische Literatur, wo ZAPATA besonders gut sortiert ist. Auch unser Angebot an CDs & DVDs sowie lokalen und regionalen Büchern haben wir erweitert. Zusätzlich bemühen wir uns mehr als insbesondere die großen Buchhandelskonzerne. Es gibt Filialbuchläden, bei denen das nicht zum Geschäftskonzept gehört. Die gucken nur beim Barsortiment, und was nicht da ist, gibt es nicht. Wir suchen auch bei kleinen Verlagen und bestellten direkt dort, wir recherchieren im Internet nach speziellen Veröffentlichungen. Und wir haben inzwischen die Suche nach vergriffenen Büchern bei Antiquariaten professionalisiert. Das bieten wir in Kiel so als Einzige an. Und - dieser Hinweis sollte ja eigentlich komplett überflüssig sein - der Internet-Konzern mit dem „feministischen” Namen geht als Buchbestell-Möglichkeit natürlich gar nicht!

Gegenwind:

Der Grund für den Umzug war ja, dass die Vermieterin Euch wegen der Nazi-Anschläge gekündigt hat. Sind die Nazis noch ein Problem für Euch? Hat sich was geändert durch die Aufdeckung der Mordserie durch Nazis?

Harald Mücke:

Für den Rausschmiss aus den anderen Räumen waren tatsächlich die Nazi-Anschläge der einzige Grund. Später hat die Vermieterin uns noch auf absurd hohe Renovierungskosten verklagt, wir haben uns jetzt zwar vor Gericht geeinigt, aber die Summe, die wir ihr zahlen müssen, ist eine zusätzliche finanzielle Belastung, die wir tragen müssen.

Die tolle Solidarität der Spendenaktion rund um den „Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus” hat uns die Rollläden finanziert, es ist sehr viel Geld zusammengekommen. Die Rollläden konnten erst Ende April angebaut werden, und wir hatten in den Tagen vorher kein gutes Gefühl. Die Nazis haben häufig Anschläge rund um den 20. April gemacht. Wir haben einige Nachtwachen organisiert, es gab da eine tolle Unterstützung gerade junger Leute, unter anderem Punks vom Bahnhofsvorplatz. Und tatsächlich sind in den Nächten vom 19. auf den 20. und dann vom 20. auf den 21. April hier Nazis vorgefahren, und bestimmt nicht, um uns einen guten Abend zu wünschen.

Jetzt lassen wir die Rollläden runter. Das schützt den Laden, macht aber leider, wie gesagt, die Bücher im Schaufenster abends & nachts unsichtbar.

Generell scheint es ja in Kiel in letzter Zeit etwas ruhiger geworden zu sein, allerdings gibt es immer wieder Aktionen von N P D und anderen Faschisten. Und es scheint eine gewisse Konzentration von Nazi-Aktivitäten auf bestimmte Stadtteile wie Friedrichsort zu geben.

Aber zur Mordserie muss ich sagen: Natürlich ist es ein Unterschied, ob Scheiben eingeschmissen werden oder ob Menschen kaltblütig ermordet werden. Aber entscheidend finde ich, dass Nazis ja nicht damit anfangen, Leute umzubringen. Deshalb ist es so wichtig, bei Schmierereien, dem Einwerfen von Scheiben oder dem Belästigen von Leuten einzuschreiten. Das muss mehr wahrgenommen werden, und gerade bei uns war es so, wie ein Kunde mal sagte: „Von Nazi-Schweinen erwarten wir nichts anderes als solche Aktionen, aber dass Polizei, Staatsanwaltschaft und bürgerliche Politik sich wenig anstrengen, solche Taten aufzuklären und die Täter zu verurteilen, finde ich empörend.”

Ich hoffe, jetzt ist die Sensibilität höher, sodass Nazis nicht erst wahrgenommen werden, wenn sie Menschen umbringen, sondern schon vorher. Eines ist mir zum Schluss noch sehr wichtig zu sagen : die wirklich anstrengenden, sehr schwierigen Zeiten, insbesondere auch die letzten beiden Jahre, hätte ich, hätten wir ohne die enorme tolle solidarische, freundschaftliche & engagierte Hilfe von vielen einzelnen Menschen, von Organisationen & Initiativen kaum überstanden. Es gab zahlreiche Gespräche, kleine & GROSSE Unterstützungen, Geschenke & Hilfen. Es gab Geld- und andere Spenden, viele Freundinnen & Freunde haben uns beim Umzug, bei der Renovierung, der Anbringung der Rollläden & bei unzähligen anderen Dingen geholfen. Der Buchladen ZAPATA war, ist & bleibt ein Projekt von vielen Menschen - und das ist auch gut so!

Interview: Reinhard Pohl

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