(Gegenwind 249, Juni 2009)

Fotos auf dieser Seite: 8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.
Fotos auf dieser Seite: 8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.

Zu den momentanen Naziaktivitäten in Kiel sowie der Informationspolitik der Stadt Kiel, der Polizei Kiel und der Kieler Nachrichten

"Mutmaßlich aus dem rechtsextremen Spektrum"

In den letzten Wochen haben die Aktivitäten der sich selbst als "Autonome Nationalisten" bezeichnenden Aktionsgruppe Kiel, die von Flugblattverteilaktionen über Schmierereien mit faschistischem Inhalt bis zu Anschlägen auf linke und vermeintlich linke Zentren sowie gewalttätigen Übergriffen mit einem schwerverletzten Tänzer des Kieler Balletts reichen, einen vielfältigen antifaschistischen Widerstand hervorgerufen.

Der bisherige Höhepunkt dieser Ereignisse fand am Samstag den 18. April in der Kieler Fußgängerzone statt. Für Vormittags hatten die Nazis eine Kundgebung im Stadtteil Gaarden angemeldete, die aufgrund massiver und breiter antifaschistischer Proteste von der Polizei untersagt werden musste. Am Nachmittag versammelten sich AntifaschistInnen an einem Infotisch des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus Kiel auf dem Asmus-Bremer-Platz um die Passanten über die Neonaziaktivitäten der letzten Monate in Kiel zu Informieren. Der Infotisch verlief bunt und ruhig, bis zu dem Zeitpunkt an dem sich Neonazis in der Nähe des Platzes zu einem Angriff sammelten. Nur ein couragiertes und beherztes Eingreifen von AntifaschistInnen stoppte den Angriff der Kieler Nazitruppe, bevor die Besucher des Infotisches auf dem Asmus-Bremer-Platz Schaden nehmen konnten.

Nur kurze Zeit später schlugen die Neonazis einen unbeteiligten Passanten - einen Balletttänzer - der anscheinend vom Aussehen her nicht in ihr Weltbild passte, unter den Augen der anwesenden Polizeibeamten, nieder und verletzten ihn dabei lebensgefährlich. Einer der Nazis wurde als Täter festgenommen.

8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.

Die Kieler Ratsversammlung und die "Extremisten von Links und Rechts"

Mit Bestürzung und Ärger mussten engagierte AntifaschistInnen daher auf eine Pressemitteilung des Ältestenrates der Stadt Kiel vom 28. April reagieren, in der Frau Cathy Kietzer zitiert wird, man wolle sich von Polizei und Verfassungsschutz aus erster Hand über "extremistische Umtriebe" in Kiel informieren lassen. In einer inzwischen verabschiedeten Resolution der Kieler Ratsversammlung wird nicht eindeutig deutlich gemacht, dass hier eine Bedrohung von Nazis vorliegt, statt dessen wird auf Druck von CDU und FDP die "Extremismuskeule" auch gegen aktive Antifaschisten gezückt.

Die Aktivitäten, Anschläge und Gewaltausbrüche der Nazis in den letzten Monaten in Kiel und die antifaschistische Gegenwehr gegen diese als "extremistischen" Auseinandersetzungen darzustellen entbehrt jeglicher demokratischen Einstellung und jeglichem Verständnis unserer deutschen Geschichte! Menschen, die die immer wieder geforderte antifaschistische Zivilcourage besitzen und gegen Naziaktivitäten aufstehen und die sich dann gegen Angriffe von Nazis zur Wehr setzen müssen als "gewaltbereite Extremisten" zu diffamieren ist unerträglich!

8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.

Das Herunterspielen und Infragestellen der faschistischen Gewalt, wie in der Äußerung der Täter der den Passanten schwer verletzte stamme "mutmaßlich aus dem rechtsextremen Spektrum", obwohl bekannt war, dass der Täter ein Nazi war, ist angesichts des Schwerverletzten Balletttänzers verharmlosend und schwer zu ertragen.

Auch zweifeln wir nach den Erfahrungen der letzten Monate und den Erfahrungen im Kommunalwahlkampf im letzten Jahr daran, dass die Polizei Kiel der richtige Ansprechpartner ist um sich "aus erster Hand" über die Aktivitäten von Neonazis zu Informieren. Seit dem Kommunalwahlkampf und auch in diesem Jahr glänzte die Kieler Polizei durch Verschweigen und Herunterspielen von Naziaktivitäten in Kiel.

Ganz im Gegenteil hat sich die Kieler Polizei zuletzt durch den unnötigen und brutalen Einsatz von Gewalt gegen aktive Antifaschisten in Kiel hervorgetan. Einige Beispiel sind ein Hundeeinsatz gegen friedlich auf dem Boden sitzende Menschen am 18.4.2009 auf dem Asmus-Bremer-Platz oder ein brutaler Schlagstockeinsatz gegen Menschen die lautstark aber ohne aktive Gewalt gegen die Nazispontandemonstration am 7.4.09. am Hauptbahnhof protestierten. Des weiteren Fragen wir uns, wie es zu den von der Polizei völlig unbemerkten Angriffen auf Menschen nach den Naziversammlungen am 7.4. und 18.4. 2009 kommen konnte, obwohl jeweils ein Polizei-Großaufgebot in Kiel war.

Der Ältestenrat, Frau Cathy Kietzer und alle anderen Interessierten inklusive der Kieler Nachrichten wären gut beraten auf sich an den Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel zu wenden, wenn fundierte Informationen "aus erster Hand" über faschistische Aktivitäten in Kiel benötigt werden. Beim Runden Tisch können sie sich auch "aus erster Hand" über geplante antifaschistische Aktivitäten informieren und darüber wie diese verlaufen sind.

Insbesondere nach den Streitigkeiten in der Ratsversammlung aus Anlass der nunmehr beschlossenen Resolution ist deutlich, dass ein Teil der dort vertretenen Parteien ganz offensiv die Legitimität antifaschistischer Einstellungen und Aktionen angreifen. Der massive Versuch eine Erklärung zu produzieren die sich "gegen Gewalt von links und rechts" richtet, und das letztlich erfolgte Einknicken von SPD und SSW zeigen, dass in der Kieler Ratsversammlung grundsätzliche antifaschistische Positionen keine Mehrheit haben.

8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.

Die Kieler Nachrichten - eine Klasse für sich

Die Berichterstattung der Kieler Nachrichten über die Naziaktivitäten der letzten Zeit und auch des letzten Jahres, sofern es überhaupt eine gab, ist geprägt durch eine Verharmlosung, und durch eine gezielte Desinformation der Leser. Nachdem die KN schon im Kommunalwahlkampf letztes Jahr eine Berichterstattung über die Nazigewalttaten verweigerte, bis sie von antifaschistischen Menschen durch massive Öffentlichkeitsarbeit dazu gezwungen wurde, wird diese Politik in diesem Jahr fortgesetzt. Schon im Frühjahr, als mehren linken und vermeintlich Linken Projekten , wie dem Buchladen Zapata, die Scheiben eingeworfen wurde, glänzte die KN erst ein mal durch Nichtberichten. Eine Berichterstattung hierüber erfolgte erst nachdem andere große Zeitungen und Radio über die Nazigewalttaten berichteten und die KN durch die hergestellt Öffentlichkeit zwangen auch zu berichten.

Die Berichterstattung der KN glänzt insbesondere durch die gezielte Stimmungsmache gegen antifaschistische Aktivitäten in Kiel. So Berichtete die KN in einem Miniartikel über eine Kundgebung der faschistischen Aktionsgruppe Kiel in Gaarden auf dem Vinetaplatz und bezeichnete die Nazis in diesem Artikel als Gruppe die dem "rechten Umfeld" zuzurechnen sei. Diese sogenannte Aktionsgruppe ist fest gefügt, sie ist eng verbunden mit der NPD und definiert sich als nationalsozialistisch - all das ist bekannt und beispielsweise im Internet auf deren eigener Seite nachzuprüfen. Aber dieser Verharmlosung von militanten gewalttätigen Nazis nicht genug, wurde in diesem Artikel auch noch unkritisch und eher wohlwollend über den Inhalt des von den Nazis verteilten Flugblattes berichtet.

Nachdem es zu ersten Unmutsbekundungen gegen die in der Innenstadt Nazipropaganda verteilende Faschisten kam, wurde von der KN im Stiel von "rivalisierenden Jugendbanden" berichtet und unhinterfragt die Meinung der Staatsanwaltschaft abgeschrieben.

Seinen bisherigen Höhepunkt fand diese unsägliche Berichterstattung nach dem Angriff der Nazis auf die Kundgebung am 18.4.2009 auf dem Asmus-Bremer-Platz. Hier wurde in einem Online-Artikel, kurz nach der Auseinandersetzung, zusammen mit reißerischen Bilder eines schwer Verletzten eine angebliche Auseinadersetzung zwischen "Extremisten" beschrieben. Nach kurzer Zeit und einigen deutlichen Kommentaren, sowie wohl auch anderen Interventionen von KielerInnen wurde der Artikel zwei mal geringfügig geändert. Vor der letzten Änderung schaffte es die Reporterin endlich sich auch mit VertreterInnen einer am Runden Tisch beteiligten Gewerkschaft in Verbindung zu setzten und nach dem Ablauf der Geschehnisse zu fragen. Trotzdem blieb der Grundtenor der Berichterstattung der gleiche. Vor allem weigert sich die KN hier klare Tatsachen zu schreiben und auch deutlich zu benennen: Ein bunt und bis dahin ruhig verlaufender antifaschistischen Infotisch und ein daneben ablaufendes linkes Straßenfest werden von eine Gruppe äußerst gewaltbereiter Nazis angegriffen. Man muss sich gegen diesen Angriff verteidigen. Nur dem couragierten Handeln von TeilnehmerInnen dieser Kundgebung war es zu Verdanken das nicht viel Menschen auf dem Asmus-Bremer-Platz verletzt wurden! Es war schnell bekannt, auch der KN-Reporterin, das der schwer verletzte Mensch nicht, wie in der KN stimmungsmachend berichtet, zwischen die Fronten einer Auseinandersetzung zwischen "Extremisten" geraten war, sonder von den Neonazis einige Zeit nach Ihrem misslungenen Angriff auf den antifaschistischen Infotisch unter den Augen von Polizeibeamten zusammengeschlagen, getreten und dabei lebensgefährlich verletzt wurde.

Wir sehen das als einen Versuch antifaschistischen Widerstand mit schäbigen journalistischen Mitteln zu diskreditieren. Die pauschale Gleichsetzung von Menschen die sich antifaschistisch oder vielleicht "sogar" links engagieren mit "gewaltbereiten Extremisten" ist eine Unverschämtheit. Angegriffenen AntifaschistInnen wird darüber hinaus ein Recht auf Selbstverteidigung abgesprochen. Nach dem Willen der KN sollte man sich am besten medienwirksam zusammentreten lassen um dann als Opferkuh einer scheinheiligen Betroffenheit durchs Dorf getrieben zu werden.

8. Mai 2009 in der Kieler Innenstadt - eine Gruppe Neonazis versucht ihre Propaganda zum 8. Mai zu verbreiten, bedrängt von über 100 AntifaschistInnen und geschützt durch ein großes Polizeiaufgebot.

Wie weiter?

Wir wollen und müssen nach diesen Vorkommnissen in Kiel noch ein mal ganz deutlich feststellen: Die Gewalt geht in jeder Form von rechts aus, bei allen ihren Aktivitäten! Nicht der legitime antifaschistische Protest gegen Nazis ist ein Problem sonder die Nazis und jede ihrer Aktivitäten bei denen sie Ihre menschenverachtende, gewaltverherrlichende Propaganda verbreiten, sind das Problem!

In diesem Zuge ist es auch wichtig noch ein mal festzustellen, dass uns die Geschichte Deutschlands lehrt, dass Wegschauen, Leugnen, Kleinreden oder Ignorieren das Naziproblem nicht beseitigen, nicht in Kiel und auch nicht anderswo!

Die Kieler Bevölkerung hat die letzten Versuchen der Nazis mit Aufmärschen in Kiel Fuß zu fassen durch klare antifaschistische Courage verhindert. Dem letzten Aufmarschversuch der Nazis stellten sich ca. 9000 Menschen bunt und kreativ in den Weg und zeigten damit klar und deutlich das in Kiel kein Platz für Nazis ist! Auch damals marschierten die etablierten Parteien lieber unter sich zum Landtag und diffamierten die Demonstration des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus in Kiel als gewalttätig und extremistisch. Die Bevölkerung und insbesondere die jungen Menschen in Kiel haben diese Taktik schon damals durchschaut und nicht vergessen. Es wird in den nächsten Monaten, mit den verschiedenen Wahlkämpfen darum gehen, das Recht auf antifaschistischen Protest und Gegenwehr zu verteidigen. Zivilcourage entsteht nicht hinter verschlossenen Ratstüren oder vor dem Fernseher, sondern da wo Naziaktivitäten direkt entgegengetreten wird.

Avanti - Projekt undogmatische Linke

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