(Gegenwind 245, Februar 2009)

Vier Jugendliche aus verschiedenen Erdteilen ermahnen die Politiker im offiziellen Plenum der UN-Klimakonferenz in Polen an ihre Verantwortung für die folgenden Generationen.
Vier Jugendliche aus verschiedenen Erdteilen ermahnen die Politiker im offiziellen Plenum der UN-Klimakonferenz in Polen an ihre Verantwortung für die folgenden Generationen. (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_6.jpg)

Junge Klima-Aktivisten aus Schleswig-Holstein berichten

UN- Klimakonferenz hautnah

Abschmelzende Gletscher und Polkappen, Rückgang der Eisschilde auf Grönland und der Antarktis, ansteigender Meeresspiegel, zunehmende Überschwemmungen, versalzenes Grundwasser, mangelndes Trinkwasser, steigende Durchschnittstemperatur, vermehrte Dürren, Hungersnöte, Hitzewellen und die Ausbreitung von Krankheiten. Die ersten Folgen des globalen Klimawandels spüren wir schon heute. Wenn wir nicht schnell handeln, konsequent CO2 einsparen und in klimafreundliche Technologien investieren, ist es zu spät. Besonders junge Menschen werden die Bedrohungen durch den Klimawandel immer mehr zu spüren bekommen. Aus diesem Grund sind es gerade Jugendliche, die aktiv werden, etwas gegen den Klimawandel tun, sich genauer informieren und andere Menschen zum Umdenken bewegen.

Darum sind im Dezember 500 junge Menschen aus über 50 verschiedenen Ländern zur UN- Klimakonferenz nach Polen gefahren. Ihr Ziel war es, den Politikerinnen und Politikern bei der Konferenz deutlich zu machen, dass man die Jugend, also rund 50% der Weltbevölkerung, nicht einfach ignorieren und ihre Forderungen übergehen kann. Mit sechs jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten aus Schleswig- Holstein waren auch wir für zehn Tage mit dabei. Als akkreditierte Beobachter von "Friends of the Earth" hatten wir Zugang zum gesamten Konferenzgelände und damit die Möglichkeit, viele verschiedene Veranstaltungen und Ministerreden zu besuchen.

Junge Klimaaktivisten aus Schleswig-Holstein bei einer gemeinsamen Aktion mit "Young friends of the Earth Europe", von links nach rechts: Marika Fiedler, Björn Obmann, Sarah Holzgreve, Marina Wieling, Hannah Bahr
Junge Klimaaktivisten aus Schleswig-Holstein bei einer gemeinsamen Aktion mit "Young friends of the Earth Europe", von links nach rechts: Marika Fiedler, Björn Obmann, Sarah Holzgreve, Marina Wieling, Hannah Bahr (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_3.jpg)

Gleich an unserem ersten Wochenende haben wir uns zum Global Action Day am 6. Dezember an der großen, vielfältigen und bunten Demo beteiligt. Unter den wachsamen Augen der polnischen Polizei zogen über 1000 Menschen und unzählige Rebel Clowns, Eisbären und Pinguine tanzend und rufend durch Poznan (Posen). Am Montag starteten wir direkt mit dem Lobbyismus für den Klimaschutz. Gemeinsam mit weiteren deutschen Jugendlichen hatten wir ein Treffen mit der offiziellen deutschen Delegation. Die Leiterin Nicole Wilke erzählte uns viel über die Arbeitsweisen der Delegationen, informierte uns über den aktuellen Stand der Verhandlungen und wir stellten kritische Fragen. Beispielsweise interessierte es uns, was sie über die einstige Vorreiterrolle Deutschlands innerhalb der EU in Sachen Klimaschutz denkt und wie es um die versprochene Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 bestellt ist. Wie nicht anders zu erwarten, hielt sie Deutschlands Position weiterhin für vorbildlich und die gesteckten Ziele für realistisch.

Symbolisches Massensterben auf der Demo zur UN-Klimakonferenz in Polen
Symbolisches Massensterben auf der Demo zur UN-Klimakonferenz in Polen. (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_7.jpg)

Während der zweiten Verhandlungswoche in Poznan wurde zeitgleich in Brüssel das EU-Klimapaket verabschiedet, welches auch für die internationalen Verhandlungen eine wichtige Signalwirkung hat. Aber bereits früh zeichnete sich ab, dass Deutschland, Polen und Italien an vielen Punkten rütteln wollten und die Wirtschaft über den Klimaschutz stellten. Deshalb fuhren wir mit 150 weiteren Klimaaktivisten nach Warschau, um bei einem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel und dem polnischen Premierminister Tusk zu demonstrieren. Auf der Zugfahrt drehten wir einen kurzen Film, der dazu aufrief, Angela Merkel anzurufen und ein starkes Klimapaket zu fordern. Auch andere europäische Jugendliche forderten ihre Regierungsvertreter auf, sich für ein starkes Klimapaket einzusetzen. Am nächsten Tag haben wir die Internetlinks zum Film in emsiger Arbeit an Menschen in ganz Deutschland und Europa verschickt. Im Kanzleramt klingelten daraufhin 24 Stunden lang die Telefone Sturm und die Mitarbeiter merkten nur noch kurz an, man solle sich schriftlich an Merkel wenden. Das Ergebnis in Brüssel erwies sich wie zu befürchten als sehr enttäuschend: energieintensive Industrien bekommen auch weiterhin freie Verschmutzungsrechte und zwei Drittel der CO2-Reduktionen können durch Ablasszahlungen in Entwicklungsländern geleistet werden anstatt die eigenen Industrieanlagen zu modernisieren und den verschwenderischen Lebensstil zu ändern. Bis 2016 können außerdem 15 Prozent der Gewinne aus dem Emissionshandel zur Subventionierung von neuen Kraftwerken, einschließlich Kohlekraftwerken, verwendet werden. Das wird nicht gerade zu einem Umstieg auf effizientere Energienutzung und Erneuerbare Energien in Europa führen.

Franziska Seer (23) sucht sich vor dem Plenarsaal aus dem Überangebot des "daily programme" die wichtigsten und interessantesten Veranstaltungen heraus.
Franziska Seer (23) sucht sich vor dem Plenarsaal aus dem Überangebot des "daily programme" die wichtigsten und interessantesten Veranstaltungen heraus. (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_2.jpg)

Die größte und wohl auch erfolgreichste Aktion der internationalen Jugend war die so genannte "Survival-Aktion", die in Zusammenarbeit mit AOSIS (Alliance of Small Island States) entstanden ist. Schon heute steht vielen dieser kleinen Inselstaaten das Wasser förmlich bis zum Hals. Durch den zunehmenden Meeresspiegelanstieg gelangt immer mehr Salz in das Grundwasser. Dies führt dazu, dass nicht mehr genug Trinkwasser für die dort lebenden Menschen und Tiere zur Verfügung steht und Plantagen nicht mehr ausreichend bewässern werden können. Ihrer Lebensgrundlage beraubt bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als ihre Heimat zu verlassen. Aber nicht nur der Wassermangel sondern auch die sich häufenden extremen Wetterereignisse zeigen, dass die kleinen Inselstaaten besonders vom Klimawandel bedroht sind. Aus diesem Grund fordert AOSIS, dass der Anstieg der Durchschnittstemperatur auf 1,5° C begrenzt werden muss und dass langfristig die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf maximal 350 ppm (parts per million) reduziert werden muss - also dem Niveau von vor 20 Jahren Gemeinsam mit AOSIS hat die internationale Jugend bei der Konferenz folgende Forderung aufgestellt: "Safeguard the survival of all countries and peoples", was soviel heißt wie "Das Überleben aller Länder und Völker muss gesichert sein"(gesamte Petition unter: www.350.org/survival_de.html).

Lobbyarbeit beim Umweltminister: von links: Hannah Bahr, Marina Wieling, Sigmar Gabriel, Marika Fiedler
Lobbyarbeit beim Umweltminister: von links: Hannah Bahr, Marina Wieling, Sigmar Gabriel, Marika Fiedler (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_4.jpg)

Daraufhin haben wir die PolitikerInnen auf den Gängen angesprochen und aufgefordert, diese Aussage zu unterstützen und die Petition zu unterschreiben. Außerdem haben wir sie gebeten, den Satz in der informellen Ministerrunde einzubringen und zum Zeichen der Solidarität kleine Tischschilder aufzustellen. Viele der Politiker waren von unserer Aktion begeistert und der Satz wurde in das offizielle Protokoll der informellen Ministerrunde aufgenommen. Schade ist, dass es dort "people" - also Menschen - und nicht "peoples" - also Völker - heißt. Die Rechte der indigenen Völker auf ein Überleben ihrer Heimat und ihrer Kultur wird also auch weiterhin nicht zugesichert. Trotzdem haben in nicht einmal 48 Stunden 80 Länder die Petition unterschrieben.

Franziska Seer (23) holt sich vom deutschen Botschafter von Lesotho eine Unterschrift für die Aktion "Survival"
Franziska Seer (23) holt sich vom deutschen Botschafter von Lesotho eine Unterschrift für die Aktion "Survival" (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_5.jpg)

Am letzten Tag der Verhandlungen hat die internationale Jugend beim offiziellen Plenum zwei Minuten Redezeit nach den Politikerinnen und Politikern und vor den VertreterInnen der NGOs (Nichtregierungsorganisationen) bekommen. Vier junge KlimaaktivistInnen aus verschiedenen Teilen der Erde haben vorne gestanden und unseren Forderungen gegenüber den Delegierten eindringlich Nachdruck verliehen. Während ihrer ergreifenden Rede hielt es die ca. 250 Jugendlichen im Saal nicht mehr auf ihren Sitzen und im Anschluss gab es langen und lauten Applaus, der den Vorsitzenden des Plenums etwas irritierte, aber die Solidarität der Jugend mit den Schwächsten im Kampf gegen den Klimawandel deutlich machte.

Und was hat die ganze Klimakonferenz nun dem Klima gebracht? Leider gibt es noch immer keine Einigung auf eine konkrete Zahl der zu reduzierenden Treibhausgase. Zu begrüßen ist, dass die rechtlichen Grundlagen des Anpassungsfonds für Entwicklungsländer geklärt sind, der den Ländern helfen soll, die Folgen des Klimawandels abzumildern und auch bei sich klimafreundliche Technologien zu nutzen. Allerdings finanziert sich dieser aus den Gewinnen des internationalen Emissionshandels, der bisher nur innerhalb der EU existiert. Ferner gab es beim Thema Waldschutz keine weiteren Fortschritte. Dies ist traurig in Anbetracht dessen, dass 20 bis 25 Prozent des CO2 durch die fortschreitende Waldvernichtung entstehen.

Sechs Jugendliche aus Schleswig-Holstein waren bei der UN-Klimakonferenz in Posen (Polen) dabei: von links nach rechts: Marina Wieling (20), Hannah Bahr (20), Marika Fiedler (23), Franziska Seer (23), Sarah Holzgreve (18) und Björn Obmann (29)
Sechs Jugendliche aus Schleswig-Holstein waren bei der UN-Klimakonferenz in Posen (Polen) dabei: von links nach rechts: Marina Wieling (20), Hannah Bahr (20), Marika Fiedler (23), Franziska Seer (23), Sarah Holzgreve (18) und Björn Obmann (29). (Quellenangabe "BUNDjugend SH": https://www.jpberlin.de/bundjugend-sh/joomla/images//un_1.jpg)

Der Klimawandel wartet nicht darauf, dass sich unsere Politiker zu Ende gestritten haben. Die Politik muss sich beeilen, denn spätestens im Dezember 2009 in Kopenhagen muss ein Nachfolgevertrag zu Kyoto beschlossen werden, wenn wir die globale Erwärmung noch auf einen Anstieg von 2° C begrenzen wollen. Darum werden wir bis dahin nicht ruhen. Wir möchten ein junges breites deutschlandweites Klimabündnis bilden, um eine große und gut vorbereitete deutsche Jugenddelegation nach Kopenhagen schicken zu können. Dafür wird es Seminare, Vernetzungstreffen und auch Gespräche mit Politikern geben. Und auch international arbeiten wir natürlich weiterhin eng zusammen, denn "the train to Copenhagen is already moving, youth are on board!" (Zitat aus der offiziellen Youth Speech - "Der Zug nach Kopenhagen bewegt sich bereits, die Jugend ist an Bord!").

Marina Wieling, Marika Fiedler
und Björn Obmann
BUNDjugend Schleswig-Holstein

Mehr Berichte von der UN-Klimakonferenz findest Du auf unserem Internetblog www.klimaretter.blogspot.com. Wenn Du dabei sein möchtest, informier Dich über Seminare und Treffen auf www.bundjugend-sh.de oder melde Dich bei der BUNDjugend: info@bundjugend-sh.de.

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