(Gegenwind 206, November 2005)

Neue Studie

Was kostet ein Schüler? - Ein Perspektivenwechsel

In Schleswig-Holstein wird weit mehr für die Bildung ausgegeben als bisher angenommen wurde. Nach PISA wurde bekanntlich immer wieder darauf hingewiesen, Deutschland gebe im Vergleich zu anderen Ländern - insbesondere zu seinen europäischen Nachbarn - zu wenig für die Bildung aus.

Nun stellten am 6. Oktober Wissenschaftler des renommierten Heidenheimer "Steinbeis-Transfercentrums" in Kiel eine umfangreiche Studie vor, die eine ganz andere Perspektive einnimmt: Für Schule wird nämlich weit mehr ausgegeben, als bisher bekannt war. Ob das Geld allerdings effizient, also im Sinne einer zukunftsgerichteten Schulentwicklung, ausgegeben wird, ist eine andere Frage.

In ihrer Untersuchung berücksichtigten die Wissenschaftler erstmals alle tatsächlich anfallenden Kosten, die für die Beschulung der Schülerinnen und Schüler Schleswig-Holsteins jährlich aufgewendet werden. "Tatsächlich" deshalb, weil die Untersuchung auch "versteckte" Kosten, wie die Verwaltungskosten, Pensionslasten, Abschreibungen für Gebäude und anderes in ihre Berechnungen einbezog. Diese Kosten sind auf die verschiedenen Haushalte des Landes, der Kreise und der Kommunen verteilt und wurden in der Steinbeis-Studie erstmals zu einer Gesamtbetrachtung zusammengetragen, wie sie den Grundsätzen der modernen Betriebswirtschaft entspricht.

Die Ergebnisse sind in der Tat erstaunlich: Während das Statistische Landesamt ermittelte, Schule habe im Jahr 2002 für einen Grund- und Hauptschüler im Mittel 3900 Euro gekostet, kommt die Studie auf 4404 Euro für einen Grundschüler und 4990 Euro für einen Hauptschüler. Ähnlich das Bild bei den Realschulen: 6023 Euro berechneten die Wissenschafter, während die Statistiker auf 4400 Euro pro Schüler und Jahr kamen. Für einen Gymnasiasten gab das Land im Jahr 2002 nicht 5500 Euro, sondern 6869 Euro aus. Am deutlichsten wird der Unterschied der Berechnungsmethoden bei den Gesamtschulen, denen das Steinbeis-Institut Kosten von 7247 Euro je SchülerIn attestierte, während das Statistische Landesamt 4530 Euro berechnet hatte.

Wer nun erwartet hatte, dass das Bildungsministerium erfreut darauf verweisen würde, damit sei das Argument, die Politik tue nicht genug für die Schulen, zumindest in finanzieller Hinsicht entkräftet worden, wurde enttäuscht: Die bisherigen Reaktionen fielen eher zurückhaltend aus, und das nicht ohne Grund. Denn mit den Zahlen dieser Studie wurde zugleich etwas anderes deutlich: Es gibt bisher überhaupt keine betriebswirtschaftlich transparenten Untersuchungen darüber, wie viele Steuergelder in der Verwaltung statt in der pädagogischen Verlebendigung der Schulen versickern.

Brisant: Die Schulen in freier Trägerschaft, die schon immer für Innovationen und eine "schlanke" Verwaltung standen, sehen sich durch die vorgelegte Studie in ihrer immer wieder vorgetragenen Kritik bestätigt, dass ihnen seit Jahren Zuschüsse vorenthalten werden, auf die sie einen legitimen Anspruch hätten. Bernd Hadewig, der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen, brachte es auf den Punkt: "Wir können nicht auf Dauer 100% Schule mit 60% der Mittel machen." Obwohl im Schulgesetz steht, dass die freien Schulen einen Anspruch auf Erstattung von 80 % der Kosten haben, welche die Schüler vergleichbarer staatlicher Schulen verursachen, bekommen sie in der Realität nur knapp 60 % erstattet. Die Folge davon ist, dass die freien Schulen nur durch unverhältnismäßig große finanzielle Opfer ihrer Eltern und Lehrer betrieben werden können. Kein Wunder, dass Schleswig-Holstein bundesweit das Schlusslicht bei der Bereitstellung "freier" Schulplätze bildet - und dies trotz einer stetig wachsenden Nachfrage von Eltern, die eine Alternative zum staatlichen Angebot suchen.

Übrigens: Das Grundgesetz wendet sich in Artikel 7, Absatz 4 ausdrücklich gegen ein staatliches Schulmonopol und legt fest, dass die freien Schulen für Kinder aus allen sozialen Verhältnissen zugänglich sein müssen ("Sonderungsverbot"). Bereits 1987 stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass dies nur mit einer angemessenen staatlichen Bezuschussung gewährleistet werden können, zu der die Länder verpflichtet seien.

Nach Aussage der Wissenschaftler beruhen die Ergebnisse ihrer Untersuchung auf so vorsichtigen Berechnungen, dass sie "jeder Überprüfung standhalten". Möge diese Überprüfung stattfinden! Vor allem aber muss die Politik jetzt schnell reagieren und die Zuschüsse für die freien Schulen - die ja mit nur 80 % Zuschüssen zu den tatsächlichen Kosten auch auf einer richtigen Berechnungsbasis schon äußerst knapp kalkulieren müssen - auf das ihnen zustehende Niveau anheben. Der Hinweis auf die leeren öffentlichen Kassen taugt als Gegenargument ebenso wenig wie er dafür taugen würde, aus Kostengründen das Wahlrecht für einzelne Bevölkerungsgruppen abzuschaffen: Es geht hier keineswegs um Zuwendungen nach Gutsherrenart (Haushaltslage), sondern um die praxisgerechte Verwirklichung von Grundrechten. Die Schulen in freier Trägerschaft sind ein sehr innovativer Bestandteil unseres öffentlichen Schulwesens und keineswegs private Nischenschulen. Sie angemessen zu fördern, bedeutet eine Belebung des gesamten Schulwesens und ist zugleich Ausdruck einer zivilgesellschaftlich orientierten Bildungspolitik.

Henning Kullak-Ublick (Aktion mündige Schule)

www.freie-schule.de
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