(Gegenwind 190, Juli 2004)

Landwirtschaft und Natura 2000

Natura 2000 heißt die Selbstverpflichtung der EU-Staaten, auf der Basis der Vogelschutz-Richtlinien und der Flora-Fauna-Habitate-Richtlinie (FFH-Richtlinie) ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten aufzubauen. Diese Gebiete sollten bis 1981 bzw. 1995 gemeldet sein. Schleswig-Holstein ist jetzt mit den Meldungen 23 bzw. 9 Jahre im Rückstand. Zur Zeit wird über mehr als 200 Gebiete diskutiert, die Ende Juni 2004 gemeldet werden sollen. Umstritten ist vor allem die Absicht der Landesregierung, die gesamte Halbinsel Eiderstedt zu melden. Um die Positionen darzustellen, haben wir in der vorigen Ausgabe Beiträge des NABU, des SSW Nordfriesland und der Grünen Nordfriesland dokumentiert. An dieser Stelle folgt nun wie angekündigt ein Artikel der Initiative "Pro Eiderstedt" (Red.)

Landwirtschaft und Politik im Würgegriff der Umweltverbände

Landwirte sind für Naturschutz, der praktikabel ist und auch bereit ist, mit ihr Kompromisse einzugehen. Veränderungen in der Natur hat es und wird es immer geben (Schutzgebiete halten diese natürlichen Veränderungen eben auch nicht auf).

Die Landesregierung sollte so viel wie nötig und so wenig wie möglich nach Brüssel melden, denn jeder staatliche Eingriff bringt enorme Bürokratie, wirtschaftliche Nachteile und steuerliche Belastungen mit sich. Eigenverantwortlicher Vogelschutz (siehe Trauerseeschwalbe) ist wirkungsvoller. In den letzten Jahren haben nämlich die Trauerseeschwalben in den ausgewiesenen Schutzgebieten abgenommen und auf Eiderstedt durch freiwilligen Schutz zugenommen. Laut eigenen Angaben des Ministeriums weicht man bei einer Ausweisung von ganz Eiderstedt vom eigenen Konzept ab und begründet eine Fläche von ca. 25.000 ha ausschließlich mit Anhang-2-Arten (Wiesenvögeln).

Die Angst vor der ordnungsrechtlichen Keule ist groß, denn in vielen Veröffentlichungen ist zu erkennen, was Naturschutz ohne Rücksicht auf wirtschaftende Betriebe vor hat. Da wird von Verwallungen und großflächigen Vernässungen gesprochen, diese Kernzonen sollen von extensiven Flächen umgeben werden und uns Landwirten wird eine Veränderung des Bodenreliefs verboten. Es ist bald an der Zeit, die Eingriffsregelung (LNatSchGes.) auch in der umgekehrten Richtung zu fordern.

Der staatliche Naturschutz, das zeigen viele Beispiele, hat nicht die Effektivität, ist zu teuer und nimmt Einwände und Ratschläge der Menschen vor Ort nicht ernst genug.

Schon beim Artikel 1 der Vogelschutzrichtlinien, in der es heißt, den Schutz, die Regulierung und die Bewirtschaftung der Bestände, scheiden sich die Geister. In der Rabenkrähen-Diskussion wird dies besonders deutlich. Vor diesem Hintergrund ist wenig Vertrauen vorhanden.

Die Angst der Bauern, die in einem Vogelschutzgebiet wirtschaften müssen, vor überzogenen Maßnahmen sitzt tief. Sich als Unternehmer an den staatlichen Tropf zu hängen, der ohnehin pleite ist, ist unverantwortlich.

Natur- und Vogelschutz mit Wertschöpfung auf den Flächen ist meiner Meinung nach die Lösung. Das Locken mit Geld wird die Inanspruchnahme von Programmen nur bedingt fördern.

Der Einsatz von Modulationsmitteln in Höhe von 4,6 Millionen Euro (2,3 Mio. aus der Taschen der Bauern und 2.3 Mio. Landesmittel) lässt in ganz Schleswig-Holstein nur eine Förderfläche von ca. 10.000 bis 15.000 ha zu.

2,3 Millionen Euro Landesmittel als Direktzahlung für Vogelschutz, aber 15 bis 30 Millionen Euro für Bürokratie und Verwaltung stellen die Verhältnismäßigkeit des Mitteleinsatzes auf den Kopf. Dieser Mitteleinsatz ist nicht an eine Schutzgebietsausweisung gebunden. Wenn dem Naturschutz also Eiderstedt wichtig ist, dann kann über freiwilligen Vertragsnaturschutz effektiv Wiesenvogelschutz betrieben werden.

Einige Mitarbeiter des Umweltministeriums äußern hin vorgehaltener Hand ebenfalls Bedenken, ob es zwingend und sinnvoll ist, Eiderstedt zu melden. Aber wie es so ist, wessen Brot ich esse, dessen Lied ich singe.

Argumente, die gegen eine Ausweisung sprechen:

  1. Die Trauerseeschwalbe ist zu 40-50 % bereits in Schutzgebieten geschützt, mit teils negativer Bestandsentwicklung. Auf Eiderstedt wird die Trauerseeschwalbe vertraglich geschützt mit positiver Bestandsentwicklung. Beide Varianten weiter zu beobachten, wäre auch einer Kommission in Brüssel zu vermitteln.
  2. Nonnengans und Goldregenpfeifer: Beide Arten sind an der Westküste weit verbreitet und haben geringe Habitatsansprüche und sind von 50 - 90% bereits in Vogelschutzgebieten geschützt.
  3. Anhang-2-Arten (Wiesenvögel): Der Wiesenvogelschutz ist am besten über vertragliche Vereinbarungen zu gewährleisten, denn für die Entwicklung einzelner landwirtschaftlicher Betriebe ist es unbedingt erforderlich, dass Intensitätsverlagerungen möglich sind. Hierzu ein Beispiel: Gibt ein Landwirt seinen Betrieb auf, ist es wichtig, dass seine Rinderproduktion für den Grünlanderhalt auf Eiderstedt bleibt. Der übernehmende Landwirt muss also um seinen Betrieb herum Flächen intensivieren (Milchvieh). Auf dem übernommenen Betrieb werden die intensiven Milchkuhweiden dann zu extensiven Jungviehweiden. Deshalb kann ein Landwirt auch nur fünfjährige Verträge abschließen. Die Vögel fliegen dort hin, wo für sie optimale Bedingungen sind. In einem Vogelschutzgebiet wäre dies nicht möglich, weil mit dem Verschlechterungsverbot nicht vereinbar. Dieser Landwirt müsste aufgrund des verwehrten Strukturwandels über lang auch aufgeben. Am Ende müsste der Steuerzahler Landschaftspflege finanzieren und die Region wäre am Ende.
Eiderstedt brennt!
Proteste der Initiative "Pro Eiderstedt" am 18. Juni vor dem Kieler Landeshaus

Das Mahnschreiben aus Brüssel haben wir dem NABU zu verdanken, das aus Kiel ohne Gegenwehr oder ausreichende Kommunizierung gegenüber Brüssel in der biogeografischen Konferenz akzeptiert wurde. So sorgt die Umweltverwaltung für Arbeit und Daseinsberechtigung. Den Umweltverbänden bringt es volle Auftragsbücher bei Monitoring und Gutachten. Bei unserem Besuch in Brüssel wurde deutlich, dass sehr gute Beziehungen vorhanden sind (man duzt sich).

Wo bleibt hier die parlamentarische Kontrolle?

In der LANA (Länderarbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung; Arbeitskreis der Länder) wird schon kräftig an der Auslegung des Begriffs "erhebliche Beeinträchtigung" gebastelt. In deren Papier (NuR 2004, 296-303) heißt es: Erhebliche Beeinträchtigungen müssen nicht nachgewiesen werden, es reicht, wenn sie wahrscheinlich sind. Die Beweislast liegt beim Vorhabensträger. Jede Beeinträchtigung führt zur Unzulässigkeit (auch bei Anhang-2-Arten). Auch die Beeinträchtigung von Entwicklungszielen führt zu Beeinträchtigungen.

Mit diesem letzten Satz wird der ökologischen Spielwiese auf Kosten der Bauern Tür und Tor geöffnet.

Ein faires Miteinander ist nur über freiwilligen Vertragsnaturschutz möglich. Sollte die Schutzgebietsausweisung mit der zwingenden Schutzkategorie z.B. Naturschutzgebiet folgen, ist eine Prozesslawine vorprogrammiert.

An der Diskussion um die Feuchtgebiete von Internationaler Bedeutung wird deutlich, dass die Naturschutzverbünde total überziehen. In Deutschland gibt es 30 Feuchtgebiete, die nach dem Ramsar-Abkommen gemeldet sind. Das Bundesamt für Naturschutz hält 20 weitere Gebiete in Deutschland für "ernsthaft diskussionswürdig", während die Verbände (NABU) 207 Gebiete fordern, was dem Fass den Boden ausschlägt. Ähnliches gilt für die "Important Bird Areas".

Die Akzeptanz, das Vertrauen und ein faires Miteinander stehen auf dem Spiel. Für die Vogelwelt auf Eiderstedt, den Steuerzahler, den Naturschutz, die regionale Wirtschaft wäre eine Meldung nach Brüssel kontraproduktiv und ein nicht wieder gutzumachender Fehler!

Hans Friedrichsen, Horstedt
Vorsitzender der Initiative "Pro Eiderstedt"

www.pro-eiderstedt.de
Beiträge zu Eiderstedt im Gegenwind 189

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