(Gegenwind 189, Juni 2004)

 

Bedrohung für die Landwirtschaft heißt ganz bestimmt nicht "Vogelschutz"

Bündnis 90/Die Grünen Nordfriesland engagieren sich - als wohl einzige Partei in Nordfriesland - FÜR die Ausweisung Eiderstedts als Vogelschutzgebiet.

NABU-Vertretern und anderen Ökobürokraten ist der Zutritt verwehrt!

Die Landschaft Eiderstedt ist von der engen Verzahnung von Meer und Land geprägt. Auch wenn die Deiche ein sicheres Bollwerk sind, ist der Boden im Binnenland Marschboden, der recht feucht ist. Schließlich handelt es sich um ehemaligen Meeresgrund der, bis die heutige Deichlinie im vergangenen Jahrhundert erbaut wurde, immer wieder überflutet wurde.

Die Kulturlandschaft wurde über Jahrhunderte von Ochsenhaltung auf Weideland geformt. Die großen Tiere waren fast ganzjährig auf diesen Wiesen, es gibt zahlreiche Gräben, die in vergangenen Jahrhunderten zum Teil sogar bis weit ins Binnenland mit kleinen Kähnen schiffbar waren. Tränkekuhlen für das Vieh bieten auch heute Lebensraum für zahlreiche andere Tierarten, wie Amphibien, Insekten und Vögel.

Diese einzigartige Umgebung, die auf natürliche Weise eine enorme Vielfalt an dicht nebeneinander liegenden Lebensräumen bietet, ist auch für viele Vogelarten attraktiv. Gerade Wiesenvögel, die auf feuchtes Grasland angewiesen sind, haben es heute in der eher industriell geprägten Agrarlandschaft anderswo sehr schwer. Sie benötigen die auf feuchten Wiesen lebenden Insekten und Würmer um ihre Jungen großzuziehen, bedroht werden sie u.a. durch das Walzen und Mähen der Wiesen während der Brutzeit. Andere Arten nutzen das Weideland zur Rast, so wechseln zum Beispiel Nonnengänse häufig zwischen den Salzwiesen im Außendeichsbereich und den Ländereien im Binnenland. Da auf Eiderstedt beides in enger räumlicher Nähe vorkommt, rasten besonders viele Wildgänse auf ihrem Zugweg zwischen den Brutstätten in Sibirien und den Überwinterungsgebieten in den Niederlanden hier.

Insbesondere für die bedrohten Arten Trauerseeschwalbe, Uferschnepfe und Goldregenpfeifer, aber auch für Kiebitz und Nonnengans ist Eiderstedt eines der herausragenden Gebiete in Schleswig-Holstein. Die Europäische Union hat ihre Mitgliedsländer verpflichtet, die jeweils fünf bedeutendsten Gebiete für eine ausgewählte Liste von vom Aussterben bedrohten Arten unter Schutz zu stellen. Diese Gebietsausweisung ist bislang nicht in ausreichendem Maße geschehen, obwohl die Vogelschutzrichtlinie im kommenden Jahr 25 Jahre alt wird. Um einer möglichen Bußgeldzahlung in empfindlicher Höhe zu entgehen, sind die Länder gehalten, ihrer Ausweisungspflicht nachzukommen. Angesichts leerer Staatskassen empfiehlt es sich nicht, das Risiko einer solchen Bußgeldzahlung einzugehen.

Eiderstedt lebt auch vom Tourismus - Menschen aus den Ballungsgebieten, die sich in der grünen Landschaft erholen wollen - Maisäcker und Ackerlandschaften wären auch für sie nicht attraktiv, auch hier drohen bittere finanzielle Einschnitte.

Trotzdem ist das Vogelschutzgebiet umstritten. Ähnlich wie bei der Diskussion um die Novellierung des Nationalparkgesetzes vor sieben Jahren gehen die Wogen sehr hoch. Nicht nur der Umweltminister, sondern auch NaturschützerInnen und Menschen, die sich lediglich positiv zum Schutzgebiet äußern, werden bedroht. Insbesondere der NABU, der die Gutachten und Vogelzählungen erstellt hat, die den Schutzbemühungen von Seiten des Ministeriums zu Grunde liegen, ist Ziel der Beschimpfungen und Angriffe.

Grund für die Auseinandersetzung sind vordergründig die Ängste und Befürchtungen der LandwirtInnen, deren Land betroffen ist. Auch wenn bereits vorhandene Getreideäcker, Straßen, Bebauungen und Hofanlagen selbstverständlich von der Unterschutzstellung ausgenommen sind, so wird über die Details der Gebietskulisse noch diskutiert. Konkret soll es für die Weideflächen, die im Vogelschutzgebiet liegen, nur zwei Einschränkungen in der Bewirtschaftung geben: der Wasserstand in den Gräben darf nicht unter das Niveau von 2003 gefahren werden, damit feuchte Wiesen nicht austrocknen, und Weiden dürfen nicht zu Ackerland umgebrochen werden. Für diese beiden Maßnahmen, die der Erhaltung des Status Quo dienen, wird eine Entschädigung von 77 Euro/Hektar pro Jahr gezahlt. Weitere, zusätzliche Naturschutzmaßnahmen, die dem Erhalt einzelner Arten, wie z.B. der Trauerseeschwalbe dienen, sollen gegebenenfalls über den Vertragsnaturschutz zusätzlich vergütet werden und allein auf Grund freiwilliger Vereinbarungen zustande kommen.

Die Landwirtschaft auf Eiderstedt hat es zur Zeit besonders schwer. Zum einen ist sie durch Umstrukturierungsmaßnahmen bei den Subventionen der EU besonders hart getroffen, da es den Grünlandbauern schlechter geht. Eiderstedter Rindermäster sind zudem noch besonders von der BSE-Misere betroffen, da die Tiere bei einer Weidemast länger bis zur Schlachtreife brauchen, sich heute aber nur noch das Fleisch von Jungtieren gut vermarkten lässt, da diese keinen teuren BSE-Test brauchen.

Hinzu kommt noch, dass die Landwirtschaft insgesamt vor großen Problemen steht. Verbraucherinnen und Verbraucher geben immer weniger Geld für ihre Ernährung aus und es ist ihnen weitgehend egal, woher ihre Nahrung kommt und wie sie produziert wird. Gleichzeitig erhalten die Landwirte für ihre Produkte immer weniger Geld.

Diese Sorgen wiegen schwer, doch all dieses wird keineswegs durch den Vogelschutz verursacht. Vielmehr kann der Naturschutz mit adäquaten Mitteln und Programmen als zusätzlicher Erwerbsquelle bei der Existenzsicherung helfen und ein unterstützender Rettungsanker sein. Das Vogelschutzgebiet kann mit konkreten Lösungen für Natur UND Mensch für beide Seiten ein Gewinn werden.

Kerstin Mock-Hofeditz

Bündnis 90/Die Grünen, KV Nordfriesland

Weiter mit "Es grünt so grün auf Eiderstedt"...

Zur Startseite Hinweise zu Haftung, Urheberrecht und Datenschutz Kontakt/Impressum