(Gegenwind 186, März 2004)

Elena Chramova

Serie:

KÜSTE - Künstler-Stammtisch für Einwanderer

Neun: Elena Chramova

Eigentlich hat Elena Chramova schon immer gemalt. Früher, in der Schule, war sie die beste in ihrer Klasse. Später versuchte sie, diese Begabung zum Beruf zu machen. Drei Jahre besuchte sie in ihrer Heimat Russland die Berufsschule. Sie schloss ihre Ausbildung zur Kunstmalerin und Graveurin mit einem Diplom ab. Um zum Leben nicht auf diese eine Ausbildung angewiesen zu sein, lernte sie auch noch (allerdings nur 6 Monate) den Beruf der Friseurin. Sie zog dann nach Kirgisien um, der Liebe wegen - sie heiratete dort und bekam ein Kind. Das Malen wurde zum privat gepflegten Hobby.

Gemälde von Elena Chramova

Vor vier Jahren musste das junge Ehepaar mit dem Sohn fliehen. Elenas Mann hatte sich gegen Schutzgelderpresser gewehrt, ohne zu wissen, dass sie mit der Polizei Kirgisiens und deren russischen Ausbildern unter einer Decke stecken. So wurde er verhaftet und im Verhör fast umgebracht. Nur knapp gelang ihm die Flucht aus dem Land und nach Deutschland. Elena ging mit ihrem Sohn erst mal zu ihren Eltern nach Russland - aber nach wenigen Tagen hatte die russische Polizei, offenbar aus Kirgisien bestens informiert, sie auch dort aufgespürt. So floh sie ebenfalls nach Deutschland. Zwar wurde ihr Asylantrag abgelehnt, aber das Verwaltungsgericht ordnete ein Abschiebeverbot an.

Doch ans Malen war nicht zu denken. Das Leben in der städtischen Flüchtlingsunterkunft, stark eingeschränkte Sozialleistungen, das Lernen der deutschen Sprache und vor zwei Jahren die Einschulung ihres Sohnes nahmen Kraft, Zeit und das knappe Geld vollkommen in Anspruch. Zum Glück fand erst ihr Mann, dann sie selbst Arbeit. Ihr Mann arbeitet in der Küche eines Altersheimes, sie hat eine Teilzeitarbeit in einem Friseursalon gefunden.

Seit einem Jahr malt Elena Chramova wieder. Seit einem Jahr, das ist kein Zufall: Am 8. März 2003, zum Internationalen Frauentag, überraschte ihr Mann sie mit Farbe und Pinseln, die er von seinem ersten Lohn abgespart hatte. Die ersten Bilder, die neu entstanden (allen Besitz hatte sie bei der Flucht zurücklassen müssen), hängte sie in ihrer Wohnung auf. Die nächsten schmücken den Frisiersalon. Sie malt teils realistisch, teils mystisch.

Und nun hofft sich, auch durch ihre Beteiligung an KÜSTE, dass es auch mal mit einer öffentlichen Ausstellung klappt.

Reinhard Pohl

Kontakt über die Redaktion.



Seit Anfang 2002 treffen sich auf Einladung des Flüchtlingsbeauftragten des Landes und der AWO-Migrationsberatung (Projekt KISS) regelmäßig Künstlerinnen und Künstler, die nach Schleswig-Holstein eingewandert sind. Beim Stammtisch KÜSTE (Künstler-Stammtisch für EinwanderInnen) geht es um Fragen wie Künstlerversicherung, Organisation von Ausstellungen oder Informationen über Auftrittsmöglichkeiten.

Im Laufe der Jahre 2003 und 2004 werden wir eine Reihe von Künstlerinnen und Künstlern im Gegenwind vorstellen, vielleicht können wir damit auch Kontakte vermitteln und Auftrittsmöglichkeiten schaffen. KünstlerInnen und Künstler, die Kontakt suchen oder im Rahmen der Serie vorgestellt werden möchten, wenden sich an:

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