(Gegenwind 177, Juni 2003)

Flüchtlingsunterkünfte in Lübeck und Neumünster

Keine Abhilfe möglich?

Im vorigen Herbst besuchte der Gegenwind mit einer 20-köpfigen Gruppe die beiden großen Flüchtlingsunterkünfte in Lübeck und Neumünster. Die einzelnen Mitglieder kamen aus teilweise Beratungsstellen und von Unterstützungsgruppen für Flüchtlinge, die Hälfte waren Dolmetscherinnen und Dolmetscher. Die Besuche hatten zwei Programmpunkte: Besichtigung der Einrichtung unter Führung der Betreiber, verantwortlich ist jeweils das "Landesamt für Ausländerangelegenheiten" und ein Wohlfahrtsverband, dann aber auch eine Versammlung, zu der die dort untergebrachten Flüchtlinge eingeladen werden. Über die Erkenntnisse und Informationen berichteten wir im Gegenwind 170 (November 2002) und Gegenwind 172 (Januar 2003). Anfang April trafen wir uns im Landesamt für Ausländerangelegenheiten mit den Betreibern der Unterkünfte, um die Kritik, die die Flüchtlinge beider Unterkünfte geäußert hatten, noch einmal vorzubringen. Das hatten wir den TeilnehmerInnen der beiden Flüchtlingsversammlungen zugesagt.

Lübeck

Viel von der Kritik, die an der Ausstattung der Räume geäußert wurde, wird vom Landesamt und dem zuständigen Wohlfahrtsverband, dem Arbeiter-Samariter-Bund, mit Verständnis aufgenommen. Trotzdem kann in den meisten Punkten keine Abhilfe geschaffen werden. Das liegt hauptsächlich daran, dass es sich um eine bundesgesetzlich vorgeschriebene Großunterkunft handelt. Hier sind 500 Menschen auf relativ engem Raum untergebracht. Die Wünsche, dass die Zimmer mit gemütlicheren Möbeln, Teppichen und Vorhängen ausgestattet werden, stoßen auf enge Grenzen. Denn gerade für solche Unterkünfte gibt es sehr strenge Vorschriften, was die Hygiene und den Brandschutz betrifft - diese sind am einfachsten zu erfüllen, wenn die Ausstattung aus Metallbetten und schlichten Holzstühlen besteht.

Der beklagte Ungezieferbefall sowie Schimmel wird auf falsche Lüftung durch die BewohnerInnen selbst sowie Lagerung "privater" Lebensmittel zurückgeführt. Allerdings gebe es regelmäßige und sehr strenge Kontrollen zum Ungezieferbefall, und wenn etwas bekannt würde, würden sofort die nötigen Maßnahmen getroffen.

Zum Essen gab es deutlich weniger Klagen als noch 18 Monate zuvor. Das wird von den Betreibern darauf zurück geführt, dass es jetzt Essenspläne gibt, die jeweils sieben Wochen lang unterschiedliche Gerichte vorsehen, erst danach käme es zu Wiederholungen auf dem Speiseplan. Außerdem erhalten jetzt alle ein Besteck als Erstausstattung (Teller, Tasse, Messer, Gabel, Löffel...), wodurch die Probleme des "Geschirrklaus" im Essensraum nicht mehr auftreten.

Die Klagen über Verständigungsschwierigkeiten beim ärztlichen Dienst wurden vom Landesamt nicht akzeptiert: Für die vier Hauptsprachen gäbe es inzwischen feste Dolmetscher-Zeiten, aber auch für die übrigen ca. 12 Sprachen würden regelmäßig DolmetscherInnen geholt, insgesamt bezahle man zwischenzeitlich 6000 DolmetscherInnen-Stunden im Jahr. Ein Problem sei aber, dass viele Flüchtlinge die vereinbarten Zeiten, zu denen dann auch die DolmetscherInnen zur Verfügung stehen, nicht einhalten.

Ebenso wurde vom Wohlfahrtsverband bestritten, man würde die Räume betreten, ohne anzuklopfen. Hierüber hatten sich mehrere Flüchtlinge beschwert, dabei kann es sich aus Sicht des ASB aber nur um Einzelfälle handeln, oder das Anklopfen wurde überhört.

Neumünster

Auf der Flüchtlingsversammlung in Neumünster hatte es einige Beschwerden über den Stil des Landesamtes gegeben, gerade von abgelehnten AsylbewerberInnen, deren Ausreise vorbereitet und denen die Abschiebung angedroht wird. Dass diese Situation nicht einfach ist, räumte das Landesamt sofort ein. Allerdings komme es nicht, wie behauptet, zu Beschimpfungen oder gar Beleidigungen einzelner Flüchtlinge - ansonsten wurde angeboten, klaren Beschwerden (wer hat wann was gesagt) sofort nachzugehen.

Allerdings wurde durchaus eingeräumt, dass auf ausreisepflichtige, also endgültig abgelehnte AsylbewerberInnen Druck ausgeübt wird, weil diese eben als "unverfolgt" gelten und laut Gesetz verpflichtet sind, an den Vorbereitungen von Ausreise oder Abschiebung mitzuwirken. Darauf würden sie bei entsprechenden Terminen im Landesamt deutlich hingewiesen.

Viele Flüchtlinge hatten sich beschwert, dass sie frühzeitig Wünsche äußerten, in welchen Kreis Schleswig-Holsteins sie verteilt werden wollten, und dann lebten sie monatelang in der Kaserne, ohne eine Antwort zu bekommen. Die Klagen über die lange Wartezeit waren dem Landesamt ebenfalls verständlich, nur sei es einfach nicht möglich, die Weiterverteilung auf einen bestimmten Kreis schon Monate vorher anzukündigen. Wer für sechs Monate in Neumünster untergebracht ist und danach auf einen Kreis verteilt wird, bekommt seine neue Adresse eben erst Tage vor dieser Verteilung. Wer also zu Beginn des Aufenthaltes wünscht, in einen bestimmten Kreis verteilt zu werden, muss auf die Antwort bis zum Schluss warten, weil die Verteilung nach festen Quoten passiert. Und Familien haben Vorrang - erst in den Tagen der Verteilung selbst stellt sich heraus, ob es Flüchtlinge mit einem Rechtsanspruch auf eine bestimmte Verteilung gibt und ob noch "Luft" in der Quote ist, um Wünsche ohne Rechtsanspruch erfüllen zu können.

Beschwerden über nächtliche Feiern und Ruhestörungen innerhalb der einzelnen Gebäude waren nicht neu, neu war aber der Wunsch vieler Flüchtlinge auf unserer Versammlung über ein Mehr an Kontrolle durch das Landesamt. So wurde gewünscht, dass die MitbewohnerInnen stärker auf Alkohol kontrolliert und dieser weggenommen werden soll. Auch hier verstand das Landesamt das Anliegen, gerade von Familien mit Kindern, wies aber auf die Rechtslage hin: Der private Wachdienst darf eben nicht Taschen und Schränke kontrollieren.

Die Beschwerden über das Essen haben sich sehr stark verändert. War vor 18 Monaten noch die Rede davon, es würde zu wenig Rücksicht auf Essgewohnheiten einzelner Gruppen genommen, beschwerten sich dieses Mal orthodoxe Christen über die zu starke Rücksichtnahme auf Moslems, die den Ramadan (Fastenmonat) einhalten. Diese Rücksichtnahme hatte dazu geführt, dass es mittags eher einen "Imbiss" und erst abends, nach Einbruch der Dunkelheit, eine "richtige" Mahlzeit gab. Hier wies der Wohlfahrtsverband darauf hin, dass man Interessen der einzelnen Gruppen so weit wie möglich berücksichtige, das bedeute allerdings auch, dass immer Kompromisse gemacht würden und auf das Verständnis zumindest der großen Mehrheit der Flüchtlinge gehofft werde.

Reinhard Pohl

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