(Gegenwind 177, Juni 2003)

Sozialamt bestraft Flüchtlingsfamilie

Abgelehnt, raus!

Wenn es um die Freiwillige Feuerwehr geht, spart Innenminister Buß nicht mit Lob: Ohne dieses großartige Engagement vieler tausend Menschen in unserem Land ginge viel Sicherheit verloren. Deshalb ist nach wie vor, jeder (und seit ein paar Jahren auch jede) gern gesehen, der oder die sich bei der Freiwilligen Feuerwehr meldet, um mitzumachen - vor allem an Orten, wo es keine Berufsfeuerwehr gibt. Alle außer Reyso Aba in Groß Sarau, Herzogtum Lauenburg.

Reyso Aba hat die besten Voraussetzungen, um bei der Freiwilligen Feuerwehr mitzumachen. Über 20 Jahre war er bei der Feuerwehr in Batman im Südosten der Türkei. Dort arbeitete er nicht nur als Fahrer, um bei Bränden so schnell wie möglich an Ort und Stelle zu sein, sondern er übernahm als engagierter Kurde auch kleine Aufträge: Er überbrachte Nachrichten. Was diese Nachrichten enthielten, wusste er nicht. Er bekam sie von einem Bekannten und lieferte sie bei den genannten Adressen ab. Allerdings war ihm klar, dass er damit die PKK unterstützte. Das war für ihn selbstverständlich, die ganze Familie war aktiv, die einen mehr, die anderen weniger. Aktivere hatten das mit dem Leben bezahlt, zwei nahe Verwandte waren von der türkischen Armee getötet worden, einer war verschwunden. Die Armee und Gendarmerie war auch in das Dorf nahe Batman gekommen, hatten besonders ihn und andere Mitglieder seiner Familie verhört. Denn der Name "Aba" war der Polizei geläufig.

1992 war die Familie deshalb aus dem Dorf weggezogen, direkt in die Stadt Batman. Hier engagierte sich Reyso Aba gewerkschaftlich. Das war nicht verboten, aber nicht gerne gesehen. Und bald stellte er fest, dass er auf dem Weg zur Arbeit oder nach Hause öfter als andere angehalten und kontrolliert wurde, das Nummernschild seines Autos war registriert. Trotzdem übernahm er Kurierdienste für den kurdischen Widerstand. 1996 wurde er auf der Arbeit verhaftet, bei der Polizei über Nacht übel zusammengeschlagen. Nach seiner Freilassung ging er direkt ins Krankenhaus. Aus Angst erklärte er dort seine schwere Handverletzung damit, er habe sich die Hand in der Tür gequetscht. Doch als auch noch sein Bekannter, der ihm immer die Nachrichten für die Weitergabe anvertraut hatte, verschwand, war ihm klar, er musste so schnell wie möglich verschwinden.

Ein Grund war auch die ständige Präsenz der Hizbullah, einer "islamischen" Miliz, die als Todesschwadronen für die türkische Regierung agierte. Vor allem hatte er Angst um seine beiden Töchter, damals 19 und 16 Jahre alt. Denn es war klar, dass die Hizbullah und auch die Armee nicht davor zurückschreckten, auf die fast erwachsenen Kinder zuzugreifen, um Aktivisten einzuschüchtern oder gar zu Spitzeldiensten zu zwingen.

Der Familie ging es wirtschaftlich gut, insofern hatten sie keinen Grund, ihre Heimat zu verlassen. Doch nun wurde hastig Arbeit und Wohnung aufgegeben, alle fuhren nach Istanbul und nahmen dort Kontakt mit Fluchthelfern auf. Für 23.000 Mark wurden acht Personen mit falschen Papieren ausgestattet, so konnten sie nach Hamburg fliegen und Asyl beantragen.

Der Asylantrag wurde abgelehnt, und im Februar 2002 verloren sie das Gerichtsverfahren in Schleswig. Die Begründung: Sie wären nicht glaubwürdig. Denn die deutsche Botschaft hatte sich im Krankenhaus von Batman erkundigt, ob Reyso Aba 1996 dort gewesen sei und ob er wegen Folterverletzungen behandelt worden sei. Nein, so erklärte die türkische Klinikleitung, er sei laut den Unterlagen des Krankenhauses nie dort behandelt worden. Allerdings telefonierte Reyso Aba später selbst mit dem Klinikleiter, und der erwähnte, die Unterlagen von 1996 wären bei einem Feuer im Mai 1997 in der Klinik zerstört worden. Aber die deutsche Botschaft war wohl mit der Information zufrieden, dass sie nicht weiter nachfragte. Ob er gewerkschaftlich aktiv gewesen sei, wollte die Botschaft noch von der Gewerkschaft wissen. Doch, sei er gewesen, wurde berichtet, aber nicht in einer Führungsposition, sondern nur als aktives Mitglied. Also keine Gefahr, die ganze Familie könne abgeschoben werden, so der Richter.

Das ließ sich die zuständige Ausländerbehörde nicht zweimal sagen. Die gesamte Familie, so teilten sie mit, sollten schnellstens Passfotos vorbeibringen, damit die Ausweise für die Ausreise oder Abschiebung beantragt werden könnten. Und als das nicht geschah, sagte man beim Sozialamt Bescheid. Anfang Mai bekam die Familie keine Sozialhilfe mehr, das waren zuvor 1766 Euro monatlich. Als sie sich beschwerten, hieß es, sie sollten ja sowieso ausreisen - bis dahin gibt es jetzt nur noch Gutscheine, für ungefähr 1000 Euro im Monat können sie die in bestimmten Geschäften gegen Lebensmittel eintauschen. Und 330 Euro Bargeld - für acht Personen. Klar, was damit bezweckt wird. Übrigens: Jahrelang hatten mehrere Familienmitglieder vergeblich versucht, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen und Arbeit zu finden.

Ach ja: Und bei der Freiwilligen Feuerwehr darf Reyso Aba auch nicht mitmachen. Auch nicht, wenn es mal brennt in Groß Sarau. Obwohl er einen sechswöchigen Feuerwehrkurs in Mölln gemacht und sein Ausbilder sich für ihn verwendet hat. Auch 20 Jahre Berufserfahrung in der Türkei zählen nicht.

Reinhard Pohl

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