(Gegenwind 175, April 2003)

Debatte im Landtag

Ohne Verbesserungen nur Pleite- statt Prozesswellen

Nachdem im Mai des vergangenen Jahres der Tierschutz als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen wurde, kämpfen Tierschutzverbände seitdem für die konsequente Umsetzung ihrer Ziele und die Ausgestaltung der Möglichkeiten, die die neue Rechtslage nun bietet. Kirsten Heinze vom Landesverband Schleswig-Holstein des Deutschen Tierschutzbundes entwarf dazu einen "Aktionsplan Tierschutz", der Mitte Februar diesen Jahres vom Landtag - allerdings in stark gekürzter Form - verabschiedet wurde.

"Verfasst hatte ich ursprünglich einen 13-Punkte-Plan, der Verbesserungsmaßnahmen für den Tierschutz enthielt", so Kirsten Heinze. "Maßnahmen zur Verbesserung des Tierschutzes" - so hieß dann auch der Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, der auf eine Beschlussempfehlung des Umweltausschusses folgte. Inhaltlich wurde aber nicht konsequent für den Tierschutz angetreten, sondern nur konsequent der Rotstift angesetzt: Enthielt der Katalog vorher 13 Punkte, bestand er danach nur noch aus acht. Einer der verabschiedeten Punkte forderte "die Einbeziehung des Tierschutzbeirates des Landes in alle tierschutzrelevante Entscheidungen". Vergaß das Parlament aber doch tatsächlich, den Tierschutzbeirat zu informieren, dass über einen neuen Maßnahmenkatalog abgestimmt wurde…

Besonders kontrovers wurde die Einführung eines Verbandsklagerechtes für Tierschutzvereine diskutiert. Jutta Scheicht, Abgeordnete der CDU-Landtagsfraktion, befürchtete eine eintretende "Prozessflut, die man ernsthaft doch nicht lostreten wolle". Holger Sauerzweig-Strey, Vorsitzender des Tierschutz-Landesverbandes, betonte dagegen, dass es ein Verbandsklagerecht im Naturschutz schon gebe und dieses durchaus positiv zu bewerten sei. Außerdem werde nicht jedem Verein dieses Recht eingeräumt, sondern nur wirklich kompetenten Verbänden.

Der derzeitige Schwerpunkt der Arbeit des Landesverbandes liegt auf dem Thema Tiertransporte. "Alle Transporte, die aus Dänemark in die südlichen Länder fahren und nicht die Routen über Rügen oder Polen benutzen, kommen durch Schleswig-Holstein", erklärt Sauerzweig-Strey. "Die Kontrollen in unserem Land, vor allem in Neumünster, sind zwar sehr gut, aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir global über eine gut funktionierende Kühlkette verfügen, die eine ernst zu nehmende Alternative darstellt", so Sauerzweig-Strey weiter. Die Rechtslage für die Durchsetzung eines praktischen Tierschutzes ist in Schleswig-Holstein sehr gut; dennoch wird sie von den Ordnungsbehörden meist unterlaufen. "Wir haben einen gesetzlichen Anspruch, entstehende Unkosten der ersten 28 Tage - etwa von Fundtieren - ersetzt zu bekommen. Doch meistens warten wir vergebens auf das Geld und müssen es einklagen", bedauert Sauerzweig-Strey. Deshalb gibt es auch so viele Pleiten, weil vor allem die Kosten für Tierärzte sehr hoch sind. "Und selbst wenn Tierärzte ehrenamtlich helfen wollen, bekommen sie Repressalien von der zuständigen Kammer aufgedrückt", weiß Sauerzweig-Strey.

Die Arbeit in den Vereinen und Tierheimen basiert meist auf ehrenamtlicher Tätigkeit, trotzdem ist qualifiziertes Personal vonnöten. "Wir suchten einige Tierpfleger und bekamen rund 120 Bewerbungen zugesandt. Das zeigt meiner Meinung nach deutlich, dass der Bedarf enorm hoch ist", bemerkt Sauerzweig-Strey. Momentan stagniere aber die Entwicklung im Tierschutz von politischer Seite, da die Grünen sich leider selten uneingeschränkt durchsetzen konnten.

Einen besonderen Service bieten die Tierheime des Landesverbandes ebenfalls. Da in Schleswig-Holstein die Nachfrage nach Hunden "mittlerer Größe" besonders hoch ist, aber meist nur größere Hunde in den Heimen leben, holen Mitglieder der Tierschutzvereine kleiner Vierbeiner aus Polen. "Die Hunde dort leben in katastrophalen Verhältnissen; es gibt zu wenig Futter und im Winter erfrieren sie einfach. Da liegt es nahe, sie nach Deutschland zu bringen, wo sie weitaus bessere Vermittlungschancen haben", erklärt Kirsten Heinze, die sich momentan um Atman kümmert, der frisch aus Polen eintraf.

Grundgesetz-Änderung

Am 17. Mai 2002 stimmte der Bundestag mit Zwei-Drittel-Mehrheit, die zu einer Verfassungsänderung notwendig ist, zu, den Tierschutz als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern. Geändert wurde Art. 20a GG, indem er mit dem Zusatz "und die Tiere" ergänzt wurde. Die neue Fassung des Artikels der "Natürlichen Lebensgrundlagen" lautet nun in Kurzfassung: "Der Staat schützt [auch in Verantwortung für die künftigen Generationen] die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung [durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtssprechung]."

Exkurs: Verbandsklage im Naturschutz

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Tierschutzpolitische Gespräche" der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grüne fand am 6. März diesen Jahres im Kieler Landeshaus ein Themenabend zur Verbandsklage im Tierschutz statt. Einer der Referenten war Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des Landesverbandes NABU Schleswig-Holstein, der die Situation im Naturschutz positiv bewertete. "Seit 1994 ist das Verbandsklagerecht gemäß des Bundesnaturschutzgesetzes anerkannt. Im NABU gibt es speziell dazu eine Landesgeschäftsstelle, die sich ausschließlich mit eingehenden Klagen beschäftigt", erklärt Ludwichowski. Im Jahre 2002 gab es im Naturschutz 740 registrierte Verfahren und davon 378 Stellungnahmen des NABU. Gemäß der Verbandsklage wurden im gleichen Jahr zwei bis drei Verfahren geführt, die vom Vorstand abgesegnet wurden und die durch das Hinzuziehen von spezialisierten Anwälten sowie die Zusammenarbeit mit anderen Verbänden charakterisiert waren. "Verlorene Verfahren sind sehr kostspielig, deshalb hat sich die Vision von Prozessfluten nicht bewahrheitet. Die Verfahren im Naturschutz sind aber auch überdurchschnittlich erfolgreich", so das Fazit von Ludwichowski.

Der Tierschutz und die "Schwarzen Schafe"

Jutta Scheicht von der CDU-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein sah sich und ihre ParteifreundInnen als Retter der Tiere in Not und übergoss in ihrer Landtagsrede am 21. Februar diesen Jahres alle mit Lob, die der schwarzen Clique angehören. Nur ihnen sei zu verdanken, dass der Tierschutz in Deutschland "im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz einnimmt" (dass dies de facto nicht der Fall ist, weiß jeder, der vor der Praxis nicht die Augen verschließt). Vor allem unter der CDU-Bundesregierung von 1982 bis 1998 sei der Tierschutz auf Bundesebene "systematisch ausgebaut" worden, worauf sie nun "zu Recht stolz sein" könnten.

Die Verblüffung erreichte einen Höhepunkt, als Jutta Scheicht es einem Verdienst Helmut Kohls anrechnete, "mit dem deutschen Tierschutzgesetz ein hohes Ansehen in Europa bekommen zu haben" und dass "noch nie vorher soviel für den Tierschutz in Deutschland getan wurde". Wie, fragte ich mich, würde es Frau Scheicht erklären, dass der Antrag, den Tierschutz in die Verfassung aufzunehmen, zweimal von der Union auf Bundesebene blockiert wurde? Oder dass der schrittweise Abbau der Legebatterien bis 2012 der Verdienst einer rot-grünen Bundesregierung ist? Oder dass auf eine Initiative von Rot-Grün ein einheitliches Biosiegel zur Kennzeichnung ökologischer Landwirtschaft und artgerechter Tierhaltung eingeführt wurde? Oder dass eine Landtagsinitiative zum Verbot der Pelztierhaltung von Irene Fröhlich, Bündnis 90/Die Grüne, eingebracht wurde? Oder, oder, oder… Wieso hat sich denn die Union unter Helmut Kohl nicht bemüht, die Massentierhaltung schrittweise durch ökologisch wirtschaftende Betriebe zu ersetzen, statt lediglich die Dauer von Schlachtviehtransporten auf acht Stunden zu begrenzen? Ist das Ursachenbekämpfung oder nachhaltige Politik?

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, dankte Jutta Scheicht doch den "vielen Tierschützern und Tierfreunden vor Ort, die einen unverzichtbaren Beitrag zum praktischen Tierschutz leisten und sich zumeist ehrenamtlich, mit viel Idealismus sowie großem persönlichen Einsatz der in Not geratenen Tiere annehmen". Sollte dieses Schlusswort nun verdeutlichen, dass die CDU es zwar billigt, wenn sich Menschen im Tierschutz engagieren, sich jedoch nicht um rechtliche Sicherheit und damit größere Handlungsspielräume bemühen? Oder haben unsere schwarzen Gegenspieler schlicht kein Interesse, sich gegen eine starke Lobby der Industriewirtschaft aufzulehnen, weil sich gerade dieser Lobby ihre liebsten Freunde und Wähler zurechnen lassen? Und weil die so schön konservativ sind und sich so ungern zu neuen Ufern aufraffen! Aber sei's drum: Lassen wir die CDU einfach in ihren Träumen, die Welt mit ihrer Politik zu verbessern, denn wachrütteln kann man sie wahrscheinlich eh nicht. Schwarz bleibt also auch weiterhin die Farbe des Sensenmannes.

Janine Gaßmann

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