(Gegenwind 173, Februar 2003)

Privatisierung

Stadtwerke Lübeck verkauft - kein Bürgerentscheid

Nachdem im Gegenwind 169 schon über die anstehende Privatisierung der Stromversorgung und des Busverkehrs in Lübeck und die damit verbundenen Gefahren für die Bürger und Beschäftigen berichtet wurde, sollen an dieser Stelle die Ereignisse der letzten Wochen dargestellt und bewertet werden.
Schleswag und Hamburger Hochbahn sichern sich Lübeck

Nachdem die Investmentbank Sal. Oppenheim und die Aufsichtsräte einen Verkauf der Stadtwerke empfohlen hatten, beschloss die Bürgerschaft auf ihrer November-Sitzung unter Ausschluss der Öffentlichkeit den Verkauf von 49,9 Prozent der Energiesparte an den Rendsburger Energieversorger Schleswag sowie von ebenfalls 49,9 Prozent der ÖPNV-Sparte an ein Konsortium aus Hamburger Hochbahn und Pinneberger Verkehrsgesellschaft. Kurz vor Weihnachten unterzeichneten dann Bürgermeister Saxe (SPD) und Stadtwerke-Geschäftsführer Kuhn die entsprechenden Verträge mit den "strategischen Partnern". Der tatsächliche Einstieg wird im Frühjahr 2003 vollzogen werden, nachdem der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2002 festgestellt worden ist.

Tafelsilber verhökert?

Für Bürgermeister Bernd Saxe stellt die Teilprivatisierung sowohl einen Erfolg als auch eine Niederlage dar. Bereits in den neunziger Jahren trommelte Saxe, damals als einziger in der SPD, für die Umgründung der Stadtwerke. Im Jahr 2000 wurden die Stadtwerke vom Eigenbetrieb in eine GmbH umgewandelt, und drei Jahre später glückte dem Bürgermeister dann die richtige Privatisierung. Jedoch fließen die Verkaufserlöse des Energiebereichs von insgesamt 185 Millionen Euro nicht in den städtischen Haushalt, sondern gehen vor allem als Kapitalerhöhung (132 Millionen Euro) wieder an die Stadtwerke. Damit ist das immer propagierte Ziel der Haushaltssanierung nicht erreicht worden (m.E. ist dies nicht schlimm - Haushaltssanierung ist kein Selbstzweck). Für den Verkehrsbetrieb wurden keine Verkaufserlöse erzielt, da hier jährlich Verluste eingefahren werden.

Wie ist der Verkauf zu werten? Die Beteiligung der Schleswag und der Hochbahn weisen auf eine Regional-Lösung hin. Beiden Unternehmen ging es mit der Beteiligung an den Stadtwerken darum, sich den für Norddeutschland nicht kleinen Markt Lübeck zu sichern und das jeweilige regionale Monopol zu sichern. Es ist daher - anders als beim Fall der Kieler Stadtwerke, wo der US-Energieversorger TXU den Einstieg in deutschen Markt versucht hat - nicht davon auszugehen, dass die Lübecker Stadtwerke in eine ähnlich schwierige Lage wie das Unternehmen in der Landeshauptstadt kommen werden (vgl. Gegenwind 172, Seite 17). Gleichwohl ist in der nächsten Zeit mit einer deutlichen Reorganisation beider Unternehmensteile zu rechnen. Im Energiebereich soll das Unternehmensergebnis kurzfristig um 6 Millionen Euro verbessert werden. Bis 2010 soll das Defizit des Verkehrsbetriebs halbiert werden und ein um 12 Millionen Euro verbessertes Ergebnis realisiert werden. Klar ist, dass dies vor allem durch einen Mix aus Angebotsanpassungen (Linienkürzungen, Energiepreisanstieg) und Druck auf die Beschäftigten realisiert werden soll.

Den Beschäftigten und Ver.di ist es im Verfahren gelungen, die paritätische Mitbestimmung zu sichern und betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2010 auszuschließen. Doch scheint es beispielsweise im Busverkehr wahrscheinlich, dass Busfahrer ggf. auch im Hamburger Raum eingesetzt werden können. Für eine detaillierte Bewertung der Reorganisationsmaßnahmen ist es an dieser Stelle aber noch zu früh.

Bürgerentscheid - leider gescheitert

Die politische Gefechtslage in der Bürgerschaft war eindeutig, sowohl CDU als auch SPD sprachen sich für die Privatisierung aus. Die Grünen, eine parteilose Abgeordnete und der Autor sprachen sich gegen den Verkauf des kommunalen Eigentums aus. Unter Federführung von Attac sollte dann ein Bürgerentscheid initiiert werden. Innerhalb von vier Wochen nach der Beschlussfassung im Rathaus mussten Unterschriften von zehn Prozent der wahlberechtigten LübeckerInnen gesammelt werden. Zwar wurden mehrere tausend Unterschriften gesammelt und durch vielfältige Aktionen auf das Thema aufmerksam gemacht, doch reichte es am Ende nicht für die ca. 17.000 Unterschriften. In den Medien fand die Privatisierung der Stadtwerke ein gewisses Echo: Die Stadtzeitung berichtete ausführlich und mit kritischen Punkten. Die Lübecker Nachrichten griffen die verfehlte und empörende Äußerung eines Bürgerschaftsabgeordneten auf, der die Veröffentlichung von Bürgerschaftsabgeordneten und ihres Stimmverhaltens auf der Attac-Homepage mit Nazimethoden verglich.

Die Bewertung über den Ausgang der Unterschriftensammlung fällt unterschiedlich aus. Stellte Attac vor allem die formalen Hürden - 10 Prozent der Lübecker in vier Wochen zur Unterschrift zu bewegen - ins Zentrum der Kritik, so wird an dieser Stelle eine selbstkritischere Haltung vertreten. Zwar haben wir Privatisierungsgegner gute Argumente auf unserer Seite, doch war man offensichtlich nicht kam­pagnenfähig genug, um eine über den Kreis der "immer Aktiven" hinaus reichende Ausstrahlungsfähigkeit zu erreichen. Das Hauptdefizit ist darin zu sehen, dass weder die Betriebsräte noch Ver.di in die Reihe der Privatisierungsgegner fanden. Die Unsicherheit über die Zukunft des eigenen Arbeitsplatzes und der Stadtwerke Lübeck im Wettbewerb wirkte für eine Mobilisierung wohl zu schwer. So blieb es dabei, dass neben Attac und dem Mieterbund nur die anderen linken Gruppen für den Bürgerentscheid eingetreten sind. Dies reichte nicht, es fehlten die Beschäftigen als Multiplikatoren für eine erfolgversprechende Kampagne.

Angesichts dieser Defizite kann man zwar die formalen Hürden in den Mittelpunkt stellen, doch im Falle eines tatsächlich abgehaltenen Bürgerentscheids hätten wir neben den inhaltlichen, organisatorischen und finanziellen Herausforderung eine deutlich weitreichende Sprachfähigkeit beweisen müssen.

In den nächsten Monaten gilt es den Reorganisationsprozess kritisch zu verfolgen und mögliche Verschlechterungen für die Menschen in Lübeck in die Öffentlichkeit zu tragen.

Kai Burmeister
Juso &Mitglied der Lübecker Bürgerschaft

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