(Gegenwind 173, Februar 2003)

 

Mit Popcorn gegen die EU und Biopiraterie

LIFE is NOT for SALE - STOP BIOPIRACY

Europäische AktivistInnen setzten mit einer Auftaktaktion im Rahmen der Proteste rund um den EU-Gipfel in Kopenhagen den Anfang zu einer zweijährigen Kampagne gegen Biopiraterie. Diese beinhaltet neben vielen lokalen Aktionen auch zwei große Aktionstouren mit dem Segelschiff Lovis in Ost- und Nordsee.

In Kopenhagen trafen sich die Mächtigen der EU, die in ihrem undemokratisch legitimierten Stil über die Osterweiterung der EU entschieden. Der Wille der Menschen wird wieder einmal mit Füßen getreten, wenn es um die Interessen von Macht und Kapital der EU geht. In der Diskussion rücken die extremen sozialen Einschnitte innerhalb der EU und der Abschottungspolitik ins Visier des Widerstandes der Menschen. Die Strategie der EU-Außenpolitik bleibt, obwohl die EU einer der wichtigsten weltpolitischen Spieler - mit Ausnahme des drohenden Irakkrieges - ist, weitgehend unberücksichtigt. Dabei läuft ohne den Willen der EU auf globaler Ebene nichts mehr, wie z.B. die WTO zeigt.

Konzerne des Nordens nutzen die natürliche Biodiversität (biologische Vielfalt) des Südens kommerziell und nur für ihre Zwecke. Im Zuge der Globalisierung abgeschlossene Abkommen, wie z.B. das TRIPS-Abkommen (ein Abkommen zwischen den WTO-Mitgliedsländern) über intellektuelle Eigentumsrechte, macht es den Biopiraten wie den Life-Science-Firmen Monsanto, Novartis oder Syngenta noch leichter, auch ohne Patente Eigentumsrechte auf Leben geltend machen zu können. Die Menschen, die unter solcher Politik leiden, sind vor allem indigene Gemeinden und Menschen im Süden. Durch Biopiraterie haben sie in weiten Teilen offiziell das Recht verloren, Heilpflanzen und Kräuter zu benutzen, welche sie schon Jahrtausende nutzen, oder Pflanzen anzubauen, welche sie schon landwirtschaftlich genutzt haben, lange bevor diejenigen Firmen überhaupt gegründet wurden, die ihnen nun dieses Recht als offizielle Eigentümer der Pflanzen streitig machen wollen.

Die europäische Union ist ein großer Unterstützer der Lizenzen und Patente auf Leben. Das Europäische Patentamt in München hat schon viele Patente zugelassen, welche Firmen das Recht geben, Leben zu besitzen. Im Zuge der EU-Osterweiterung müssen auch die Beitrittsstaaten diese Patente und Lizenzen akzeptieren. Gebühren auf das Aussäen von patentiertem Getreide, so genannte Nachbaugebühren hätten katastrophale Auswirkungen auf den wirtschaftlich wichtigen Agrarsektor dieser Länder.

PATENTED

Auftaktaktion

Ein langer Weg führte das Bildungsschiff "Lovis" zum EU-Gipfel im Dezember nach Kopenhagen, denn die Kogge "Lovis" ist auf der Verfolgung des Biopiraten EU. Schon mehrere Tage vor dem EU-Gipfel trafen sich einige der Aktivisten in Greifswald und bestiegen die Lovis. Mit gutem Wind und eisigen Temperaturen unter dem Gefrierpunkt machten sie sich auf den Weg nach Kopenhagen, mit Zwischenstopps in Stralsund und Falsterbo (Schweden) kamen sie rechtzeitig in Kopenhagen an und machten im Stadthafen fest.

Mit Popcorn wurde auf die Machenschaften der EU bei der Inwertsetzung der biologischen Vielfalt aufmerksam gemacht. Rund sechs Kilogramm Popmais wurde gepoppt und in kleine Tütchen abgefüllt, um diese auf der zentralen internationalen Demo zu verteilen. Aber warum gerade Popcorn?

Dem Biotech-Konzern DuPont wurde 2000 ein Patent vom Europäischen Patentamt auf alle Maispflanzen erteilt, die einen erhöhten Ölgehalt aufweisen (Patent-Nr. EP 744 888). Es fallen nicht nur genmanipulierte Maissorten unter dieses Patent, sondern alle existierenden Sorten mit erhöhtem Ölgehalt. In der Natur kommt Mais mit erhöhtem Ölgehalt vor, und genau diese Maissorten gehören jetzt über dieses Patent der Firma DuPont. Diese Maissorten, von denen viele in der Herkunfts-region Mexiko vorkommen, wurden von den indigenen Gemeinden Jahrhunderte lang gezüchtet und angebaut. Nach Schätzungen fallen etwa ein Drittel aller Maissorten unter diese Kriterien. Dabei wird klar, dass DuPont nicht der Erfinder dieser Maissorte ist, sondern es ist die Natur zusammen mit dem Wirken vieler, vieler Menschen. Die Bedeutung der Patentierung von Saatgut werden die Landwirte weltweit durch den Verlust von Vermarktungsrechten, Handelsbeschränkungen und Lizenzgebühren zu spüren bekommen, die ihre Existenzgrundlage gefährden - nicht nur die der Bauern im Süden, sondern auch der Bauern des Nordens.

Die indische Wissenschaftstheoretikerin und Trägerin des alternativen Nobelpreises Vandana Shiva bringt die Kritik an der Patentierung von Lebewesen deutlich auf den Punkt: "Die Gentechnik und die Patentierung von Leben stellt jede Form des Kolonialismus, die wir bislang kannten, in den Schatten. Es werden heutzutage Räume kolonialisiert, von denen man früher nie zu träumen wagte. Lebensgrundlagen, Zellen, Tiere, Pflanzen. Alles aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten. Es ist eine neue Invasion. Die Genpatente sind die Kanonenkugeln von heute."

Diese Art des Neokolonialismus gingen die AktivistInnen von der Lovis mit ihrer Popcornaktion auf der internationalen Demo im Zuge der Proteste während des EU-Gipfels an. Es sollten vor allem die Aktivisten angesprochen werden, da die Kritik an der EU stark auf die "innenpolitischen" Aspekte abzielt. Es sollte ein Bewusstsein für die Notwendigkeit der Ausweitung der Kritik an der EU in Bezug auf ihre Außenpolitk als einer der wichtigsten Global Player geschaffen werden. Insofern stellte sich die Internationale Demo als beste Möglichkeit für den Ort der Aktion dar. Sie stellte alle Demos der Vortage mit einer unglaublichen Menschenmasse in den Schatten. Verschiedenste Gruppen aus Europa vor allem aus den nördlicheren Ländern waren angereist. Als dritte Rednerin trat Vandana Shiva ans Rednerpult. Dies war die Gelegenheit der Lovis-Leute, die Maistütchen unter die Leute zu bringen nach dem Motto: "Biodiversity is not for sale" und "No patents on Life". Wegen des Hinweises auf die Patentierung und des illegalen Verzehrs wurde das Popcorn zuerst sehr skeptisch angenommen, erst das mitverteilte Flugi sorgte dann für die nötigen Hintergrundinfos.

NO PATENTS on LIFE - STOP BIOPIRATES in EU, WTO Nach der erfolgreichen Aktion und der Kontaktaufnahme mit anderen Gruppen und interessierten Aktivisten ging es auf die Rückfahrt, natürlich wieder mit der Lovis, die diesmal nicht soviel Glück wie auf der Hintour hatte, da der Wind nicht so gut stand. Auch jetzt legten sie zwischenzeitlich in Falsterbo an, dann ging es weiter nach Klintholm, von dort dann in Richtung Stralsund. Wegen des Eises auf der Ostsee konnte erst mal nicht nach Stralsund, geschweige denn nach Greifswald gesegelt werden, deswegen musste für eine Nacht noch der kleine Hafen Barhöft angelaufen werden. Am nächsten Tag spielte die Lovis dann Eisbrecher und schaffte es nach Stralsund. Noch zwei Tage und eine Menge gebrochenes Eis brauchte es, bis die Lovis wieder im Museumshafen in Greifswald festmachten konnte und nun dort überwintert, um in der nächsten Segelsaison die erste Aktionstour gegen Biopiraterie zu starten.

In diesem Sommer vom 2.8.-29.8. wird das Segelschiff Lovis (www.lovis.de) gegen die Biopiraten auf der Ostsee von der schwedischen und finnischen Küste bis hoch in den Norden nach Ümeå segeln. Die Kampagne führt von Hafen zu Hafen rund um die Ostsee, in denen lokale Gruppen Seminare, Aktionen, Ausstellungen u.ä. vorbereiten.

Kathi Labrenz, Anne Lanfer und Johannes Richter

Kontakt zur Lovis und zur geplanten Segelkampagne gegen Biopiraterie:
Willy-Brandt-Allee 9, 23554 Lübeck, Tel. 0451-7070646; biopiracy@gmx.de

(Dieser Artikel erscheint nur in der Internet-Ausgabe des Gegenwind und nicht im gedruckten Heft.)
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