(Gegenwind 169, Oktober 2002)

Stadtwerke Lübeck:

Privatisierung geplant

In vielen Städten stehen derzeit Stadtwerke zum Verkauf. Auch in Lübeck bestimmt die Privatisierung der Strom- und Wasserversorgung sowie der Anteilsverkauf des kommunalen Busunternehmens derzeit das Geschehen im Rathaus. Eigentlich sollte bereits im September die Bürgerschaft eine Entscheidung treffen, doch lassen offene steuerrechtliche Fragen bisher noch keine Abstimmung zu. Dieser Artikel soll die Argumente für eine Privatisierung prüfen und damit verbundene Gefahren darstellen sowie die politische Stimmungslage bewerten.

Haushaltssanierung und Wettbewerb

Als Gründe für den Verkauf werden regelmäßig zwei konkurrierende Argumente angeführt. Einerseits sollen mit den Verkaufserlösen profitabler öffentlicher Unternehmen die im städtischen Haushalt aufgelaufenen Verbindlichkeiten abgebaut werden und der Haushalt saniert werden. Andererseits wird vor dem Hintergrund der bereits vollzogenen Deregulierung des Strommarktes und der bevorstehenden Liberalisierung der Wasserversorgung und des ÖPNV vermutet, dass die kommunalen Unternehmen im Wettbewerb nicht bestehen können.

Wie sind diese Argumente zu werten? Zum Argument Haushaltssanierung ist festzustellen, dass ein einmaliger Verkauf eines gewinnbringenden Unternehmens (Tafelsilber!) nichts am strukturellen Defizit der Stadt ändert. Es ist sogar noch schlimmer. Verkaufserlöse bringen den Städten in kurzer Zeit einen großen Haufen Geld, doch der ist allzu schnell wieder aufgebraucht. Ein Teil fließt entweder an das Finanzamt oder es werden legale Lücken des Steuerrechts ausgenutzt, die üblicher Weise als legaler Teil der Steuerkriminalität zu werten sind. In Lübeck hat ein Energieunternehmen angeboten, ein Teil der Kaufsumme in eine Stiftung für Sport und Kultur einzuzahlen. Damit ließen sich dann sicher ein paar sinnvolle kommunalpolitische Projekte auf den Weg bringen. Doch muss klar sein, dass es den Energiekonzernen nur darum geht, die Privatisierung schmackhaft zu machen, und die Stiftungsgelder werden schlicht von der Verkaufssumme abgezogen. Insofern werden sich die Stiftungsprojekte als teuer erkaufte Leckerbissen entpuppen.

Der Rest der Erlöse soll dann zur Schuldentilgung verwendet werden. Kurzfristig kann sich die Stadt damit im Haushalt Luft verschaffen, doch an den Ursachen (Massenarbeitslosigkeit, Steuerentlastung für Unternehmen, ausbleibende Kommunalfinanzreform) für die strukturellen Haushaltsdefizite hat sich dann nichts geändert. In der zweiten Runde erhöht sich das Haushaltsdefizit der Kommunen dann wieder, nur sind dann alle profitablen Bereiche der Stadt schon verkauft worden. Ungelöst ist weiterhin die Zukunft der Querfinanzierung. In der Regel sind unter dem Dach der Stadtwerke Strom- und Busunternehmen zusammengefasst. Die im Stromgeschäft erzielten Gewinne dienten bisher dazu, das Defizit in der ÖPNV-Sparte auszugleichen. Wird nun die Energiesparte zur Hälfte verkauft, so fehlen Jahr für Jahr mehrere Millionen Euro, um das ÖPNV-Defizit auszugleichen. Diese Thematik ist ein offener Punkt bei jeder Privatisierung.

Der heutige CDU-Wirtschaftssenator in Hamburg sagt - zwei Jahre nach der Privatisierung des Strom-, Gas- und Wassernetzes: "Die Stadt Hamburg hat vor dem Hintergrund einer desolaten Haushaltslage schlicht aus Kasseninteressen verkauft." Und das war falsch: Die HEW (waren) ein Unternehmen, mit sprudelnden Gewinnen, das Steuern in die Hamburger Haushaltskasse spülte. (Diese Einnahmen) "werden ... erst einmal ausbleiben" (vgl. Hamburger Abendblatt 9. 3. 2002).

Zum Wettbewerbsargument ist folgendes festzustellen: Die kommunale Stromversorgung und der ÖPNV waren lange Zeit weitgehend vom Wettbewerb ausgeschlossen. Dies ermöglichte eine vom Profitabsichten befreite Grundversorgung der Bevölkerung. Dennoch war Wettbewerb nie ganz unbekannt für kommunale Unternehmen. Stadtwerke haben ihren Strom bei großen Stromversorgern gekauft, und auch Busunternehmen haben um Linienkonzessionen konkurriert. Der neoliberale Zeitgeist führte dazu, dass die EU-Kommission die Deregulierung dieser Grundversorgungsbereiche in den letzten Jahren offensiv betrieben hat. Gleichwohl haben Stadtwerke aufgrund der Nähe zum Verbraucher ein hohes Potential, um im Wettbewerb bestehen zu können. Vor 3 Jahren wurde ein massives Stadtwerke-Sterben vorausgesagt, das bis dato nicht eingetreten ist. Der direkte Wettbewerb um den Stromkunden (Yellow-Strom) ist zum Flop geworden. EON, ENBW und Co. haben ihre Strategie verändert und kaufen bundesweit jetzt ganze Stadtwerke und damit die Verbraucher durch die Hintertür.

Auf den Wettbewerb müssen sich die Stadtwerke einstellen, das kann durch die Kommunen nicht verändert werden. Allerdings gibt es mehr Möglichkeiten als nur den plumpen Ruf nach Verkaufen. Andere Städte haben es vorgemacht und sich zu Einkaufsgemeinschaften zusammengeschlossen und sich dadurch Wettbewerbsvorteile erschlossen. Natürlich ist es auch als städtisches Unternehmen möglich und dringend geboten, ineffektive Strukturen zu überwinden. Ein tatsächliches Problem besteht für die Stadtwerke Lübeck darin, den vorhandenen Investitionsbedarf der nächsten Jahre aus eigener Kraft zu decken, doch auch hier gibt es andere Wege als ins Bett der Stromkonzerne zu springen.

Ein negativer Effekt ist für die regionale Wirtschaft bei einer Privatisierung zu erwarten. Viele kleine und mittelständische Unternehmen erhalten von den Stadtwerken Aufträge, die nach der Privatisierung aufgrund von Zentralisierungsmaßnahmen teilweise wegfallen werden. Verlierer der Privatisierung ist damit auch die Regionalwirtschaft.

Es lässt sich feststellen: Der schnelle Verkauf verschafft Kommunen kurzfristig haushaltspolitischen Spielraum, der schnell aufgebraucht sein wird, wirtschaftspolitisch werden die Folgen bereits kurzfristig negativ sein. Es gibt tatsächlich Wettbewerb, gleichwohl haben die Stadtwerke Lübeck Potential für ein erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb. Dieser sollte genutzt werden. Dazu braucht es ein Abschied überkommender Bestandteile der bisherigen Unternehmenssteuerung (Spielwiese der Kommunalpolitik, Professionalisierung Unternehmensführung u.a.) notwendig.

Die Gefahr eines Verkaufs der Stadtwerke ist für das Gemeinwohl offensichtlich. Buslinien werden ausgedünnt, die Busse fahren nicht mehr in der Nacht, Solarenergie wird an Bedeutung verlieren und der Druck auf die Beschäftigten und Löhne wird zunehmen. Verlierer sind die Bürger, die Beschäftigten, die regionale Wirtschaft und der Standort Lübeck, die Gewinner sind die Stromkonzerne. Die Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass die gemachten Versprechen der Energieriesen hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit und Versorgungsqualität nach einiger Zeit gebrochen oder geschickt umgangen wurden.

Auch wenn 50,1 Prozent der Stadtwerke Lübeck im städtischen Eigentum bleiben, so ist dies keine Sicherheit, dass im Sinne des Gemeinwohls gearbeitet wird Die neuen Partner haben über den Konsortialausschuss das Recht, jede Mehrheitsentscheidung der Stadt durch ein Veto zu blockieren. Die Demokratie bei den Stadtwerken hätte damit ausgedient.

Die Stimmung in der Stadt

Im Rathaus scheint sich zwischen den großen Fraktionen eine Mehrheit für eine Privatisierung abzuzeichnen. Gleichwohl entspringt diese Position nicht einer negativen Wettbewerbseinschätzung, diese Diskussion gibt es bis dato nämlich nicht. Die CDU möchte generell alles privatisieren und der SPD bietet der Verkauf ein Vorwand, um sich selbst nicht mit der Zukunft der Stadtwerke beschäftigten zu müssen. Das Motto heißt: "Verkaufen wir doch lieber, dann kann der Mitgesellschafter die Drecksarbeit (Lohnkürzungen und Leistungseinschränkungen) machen und wir behalten eine saubere Weste." Dies ist zwar bequem, ist aber keine richtige Diskussion um die Zukunft der Stadtwerke.

Von Seiten der Gewerkschaften und der Betriebsräte steht vor allem die Unsicherheit um die Arbeitsplätze im Vordergrund. Insofern wird deren Positionierung davon abhängen, bei welcher Konstellation die Zusagen hinsichtlich der Arbeitsplätze am deutlichsten sind. Dies ist insofern nachzuvollziehen, als dass gerade die Kommunalpolitik es versäumt hat, verlässlicher Partner für Beschäftigteninteressen zu werden. Attac wie auch die Jusos diskutieren über die Möglichkeiten eines Bürgerentscheids, schließlich gehört die Stadtwerke allen LübeckerInnen. In vielen Städten wurden die Bürger an der Diskussion der Pros und Contras einer Privatisierung beteiligt. In Düsseldorf, Eckernförde, Münster, Bielefeld und vielen anderen Städten fanden Bürgerentscheide darüber statt, ob die Stadtwerke verkauft werden sollen. Fast überall waren die Bürgerentscheide eindeutig: die Privatisierung wurde abgelehnt. Ob es dazu auch in Lübeck kommt, muss die Diskussion der nächsten Wochen zeigen, die Hürden für die Initiierung liegen mit ca. 17.000 Unterschriften sehr hoch. Nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid würde dann zudem die eigentliche Arbeit erst beginnen, eine sozial und ökologisch Unternehmenspolitik mit professioneller Unternehmensführung zu verbinden. Eine große Aufgabe, an der sich linke Kommunalpolitik beweisen müsste.

Fazit

Eine Privatisierung der Stadtwerke ist politisch abzulehnen. Im Vordergrund muss die Frage stehen, wie die Menschen am besten mit Energie, Wasser und Öffentlichen Nahverkehr versorgt werden können und wie die Arbeitsplätze gesichert werden können. Eine Privatisierung stellt Profitstreben an die erste Stelle und steht im Gegensatz zum Versorgungsauftrag.

Trotz negativer Rahmenbedingungen durch Liberalisierung von Strom- und Busmarkt muss letztlich politisch beantwortet werden, wieviel Busverkehr und ökologische Energieversorgung sich Lübeck leisten will. Hinsichtlich der Kommunalwahl wäre dies eine wirklich politische Frage, mit der die linken Parteien in den Kommunalwahlkampf im März 2003 ziehen könnten.

Kai Burmeister

Der Autor ist Juso und Mitglied der Lübecker Bürgerschaft.

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