(Gegenwind 168, September 2002)

Ausbau des Flughafens Lübeck-Blankensee

Hat die Salamitaktik nun ein Ende?

Der heutige Flughafen Lübeck-Blankensee war früher ein Übungsfliegerhorst der Deutschen Wehrmacht. Nach dem Ende des Krieges war für Deutschland die Fliegerei verboten. Dennoch haben erste Versuche von Segelfliegern den Platz für ihre Aktivitäten genutzt, was dann 1958 auch zur Gründung einer Flughafen-Gesellschaft führte. Bereits 1960 wurde auch die Genehmigung zum Bau und Betrieb eines Landeplatzes erteilt.

Diese Genehmigung wurde 1965 noch einmal ergänzt. Dieser Änderung und Ausweitung einer Nutzung hätte eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und ein Planfeststellungsverfahren (PfV) vorausgehen müssen. Es wurde auch begonnen, jedoch zu keiner Zeit beendet. Im Jahre 1970 wurde die bestehende Genehmigung erneut geändert, der Landeplatz wurde nun zu einem Flughafen "befördert", ebenfalls ohne UVP und PfV.

Nach umfangreichen Erneuerungen der Rollbahn und einem Ausbau auf 1802 Meter Länge und 60 Meter Breite wurden dann 1973 auch einige Geräte eingebaut, die das Starten und Landen erleichtern sollten. Diese vereinfachte Form eines Instrumenten-Landesystems (ILS) wurde gewählt, weil das Bundesministerium die Genehmigung für den Einbau einer kompletten ILS verweigert hatte. Für die Zeit der Rollbahnerneuerung hatte das Ministerium für den Taxiway "C" , einer Parallele zur Rollbahn, die Erlaubnis zur Starts und Landungen für Flugzeuge bis 5,7 Tonnen Startgewicht erteilt.

Flughafen Lübeck-Blankensee

Nach dem Ende aller Baumaßnahmen erging vom Verkehrsminister im Jahr 1975 eine neue Betriebserlaubnis. Diese Genehmigung soll auch bis heute Gültigkeit haben. Alle alten Genehmigungen wurden mit dieser neuen Genehmigung aufgehoben, nicht aber die letzte Erlaubnis zur Nutzung des Taxiway "C" als Rollbahn für die Flugzeuge bis 5,7 Tonnen Startgewicht. Alle Genehmigungen, Ausbauten und Erweiterungen bis zu diesem Tage erfolgten ohne jede UVP und/oder PfV. Durch die Nähe zur Demarkationslinie, der Grenze zur DDR, war die Nutzung auch recht spärlich, ein echter Dornröschenschlaf.

Sprunghafte Entwicklung

Nach der Wiedervereinigung haben nicht nur die kleinen Privatflieger für Unruhe gesorgt. Die Flughafen GmbH, deren alleiniger Gesellschafter die Hansestadt Lübeck ist, nutzte jetzt die Zeit der sprunghaften Entwicklung. Sie erneuerte die alten Geräte zur Landung durch eine neue Generation ILS der Kategorie I, die den Piloten nun auch noch eine Landung bei nur einer mäßigen Sicht bis 550 Meter ermöglichen. Außerdem wurde eine 300 Meter lange Stoppstrecke (Stoppway "R") im Westen am Ende der Rollbahn ausgebaut, deren Breite und Tragfähigkeit der Rollbahn angepasst ist. Der umliegenden Bevölkerung wurde erklärt, dieser Ausbau sei aus Gründen der Sicherheit und nach den Bestimmungen des § 45 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) erforderlich. Tatsächlich wurde dieser Stoppway "R" jedoch vom ersten Tage an mit einer jährlich wiederholten Sondergenehmigung des Verkehrsministeriums nach § 25 LuftVG als Rollbahnverlängerung für Starts in Richtung Osten genutzt. Auch diese Ausbauten dienten zur Ausweitung des Flugbetriebes und erfolgten ohne ein erforderliches Planfeststellungsverfahren (PfV) gemäß § 6 des LuftVG. Seit 1996 wurde also rechtswidrig dieser Stoppway "R" regelmäßig von den Charterfliegern genutzt.

Im Jahre 2000 kam dann die Linienverbindung des Billigfliegers Ryanair dazu. Die noch größeren Flugzeuge des Billigfliegers erfordert auch eine noch längere Landebahn. Die breiteren Tragflächen benötigen eine größere seitliche Freiheit, die in der Luftfahrt "Hindernisfreiheit" genannt wird. Um diese Hindernisfreiheit zu schaffen, war jetzt plötzlich die seit Kriegsende seitlich der Rollbahnen gewachsene Natur mit teilweise sehr seltenen Tieren und Pflanzen im Wege. Dieses Hindernis muss beseitigt werden, es muss eine Hindernisfreiheit geschaffen werden. In einer Nacht- und Nebelaktion wurden meterdicke Bäume einfach abgesägt, auch zwischenzeitlich entstandene Kleingewässer waren als Hindernis im Wege und wurden schlicht mit der Planierraupe beseitigt.

Hier waren keine behördlichen Genehmigungen mehr erforderlich, selbst der Staatsanwalt verwarf entsprechende Anzeigen aus der Umgebung. Alle diese für den Privatbürger höchst straffälligen Maßnahmen gehen hier nun unter den Augen und mit dem Segen aller Behörden von Stadt, Land bis Bund straffrei aus, weil der Flughafen sich seine Berechtigung aus der Betriebsgenehmigung des Jahres 1975 nimmt.

Wenn die Hindernisfreiheit seit 1975 erforderlich war, weshalb wird sie denn erst heute realisiert? Wurde diese Forderung bis heute sträflich oder grob fahrlässig übergangen?

Aber für den sonstigen Ausbau wurde nun doch ein Planfeststellungsverfahren eingeleitet. Seit mehr als ein Jahr hüllen sich die Ministerien, der Eigentümer Hansestadt Lübeck und die Flughafen Lübeck GmbH zu allen angesprochen Fragen in Schweigen und verweisen regelmäßig auf das bevorstehende Planfeststellungsverfahren (PfV). Selbst der Flughafenbeirat wurde unter Hinweis auf das laufende PfV von der planmäßig anberaumten Sitzung ausgeladen.

Planfeststellungsverfahren oder wieder Salamitaktik?

Die Vorarbeiten dafür waren ja bereits in Form der gesetzwidrig geschafften Hindernisfreiheit begonnen, es wurden unabänderliche Fakten geschaffen. Die Flughafen GmbH hat in einer erneuten Kartierung im angrenzenden Biotop große Teile der dort gefundenen seltenen Tiere in Fallen getötet. Die Bäume und Sträucher sind schon weg. Offenbar hat die Flughafen GmbH die Befürchtung, dass unter dem Druck der Öffentlichkeit den Ausbauten nicht in dem gewünschten Umfang stattgegeben wird.

In 10 Ordnern hat sich die Flughafen GmbH nun die Finger wund geschrieben. Wer glaubte, es würde sich um eine offene und ehrliche Beschreibung der geplanten Ausbaumaßnahme handeln, der wurde bitter enttäuscht. Beginnend mit der ankündigenden "Amtlichen Bekanntmachung" geht die Salamitaktik weiter. In der Bekanntmachung heißt es wörtlich: "Gegenstand dieses Bauvorhabens sind im Wesentlichen…"

Im Einzelnen wird also jetzt die Verlängerung der Rollbahn in Richtung Osten (bis auf ca. 300 Meter an die ersten Häuser und 700 Meter an die Waldschule), eine Umwidmung und Nutzung des 1996 gebauten Stoppway "R" als Startbahn, die Verlängerung des parallel zur Rollbahn verlaufenden Taxiway "C" bis an den Kopf der im Osten verlängerten Rollbahn und die Versetzung des Landekurssenders (zum ILS gehörig) um ca. 150 Meter Richtung Osten beantragt. In allen 10 Ordnern wurde gebetsmühlenartig stets die Rechtmäßigkeit und die Notwendigkeit wiederholt, es fehlten aber alle Unterlagen, die die Umweltverträglichkeit prüfbar machen sollten. Selbst im Anhang beigefügte Genehmigungen waren fehlerhaft und unvollständig. Außerdem fehlten absolut alle Unterlagen einer UVP für die "Umwidmung" des Stoppway "R" als neue Landebahn, es fehlt die UVP zur erneuten Verlängerung des Stoppway "R" um 100 Meter im Westen. Auch das Umsetzen des Landekurssenders als Teil der ILS wird nur als vorübergehende Maßnahme umschrieben, weil doch das ILS von Cat I nach Cat III aufgerüstet werden solle. Nach dem Ausbau des Taxiway "C" soll dieser wegen seiner nördlichen Lage zur Rollbahn N umbenannt werden. Auch hier fehlt die Prüfung der Umweltverträglichkeit.

Auch die Bemessung der Fluglärmemission im Bereich der Einflugschneise und der Waldschule ist in keiner Weise logisch. Die heutige Fluggastzahl soll sich sogar verfünffachen, die Flugfrequenz aber abnehmen? Dieser Flughafen legt Wert auf die Bezeichnung "Regionalflughafen". Nachweislich reichen im Regionalbereich Flugzeuge mit 50 bis 80 Plätze aus. Weshalb soll dann aber der Flughafen für Flugzeuge mit 180 Plätze ausgebaut werden?

Es ist absolut kein Geheimnis mehr, dass die Flughafen GmbH, deren alleinige Eigentümerin die Hansestadt Lübeck ist, seit Jahr und Tag noch nie einen auch nur annähernd ausgeglichenen Haushalt vorlegen konnte. Zur Zeit belaufen sich die Zuschüsse des Steuerzahlers in Lübeck auf etwa 1,2 Millionen Euro. Dennoch behauptet der Geschäftsführer in der Tagespresse regelmäßig, er würde im "operativen Bereich" mit schwarzen Zahlen arbeiten. Bis heute bleibt die Frage nach dem Inhalt dieses "operativen Bereichs" unbeantwortet.

Weil allerdings "kein Land in Sicht" ist, wird bereits laut über einen Teilverkauf nachgedacht. Deshalb darf auch dem Wunsch der Anwohner nach einem Nachtflugverbot nicht nachgegeben werden. Schließlich gibt es Betriebszeiten, die eingehalten werden müssten. Jede Ausweitung, so auch der regelmäßige Nachtflug, ist eine Ausweitung nach § 6(4) LuftVG.

In der Einflugschneise östlich des Flughafens liegt die Gemeinde Groß Grönau. Hier hat sich aus der bereits seit 1995 operierenden Interessengemeinschaft im Jahre 2001 eine Schutzgemeinschaft gegen Fluglärm Lübeck und Umgebung gegründet. Die Mitglieder hatten sich in regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsgemeinschaften ausgiebig mit den rechtwidrigen Maßnahmen auseinandergesetzt.

Während der Zeit vom 17. Mai bis zum 17. Juni 2002, in der der Plan auslag, und bis zum Ende der Einspruchfrist am 15. Juli 2002 wurden vom Verein die spärlichen Öffnungszeiten der Gemeindeverwaltung durch zwei zusätzliche Nachmittage ergänzt und vom Verein beratend besetzt. Mit Mustereinwänden und etwa 5.500 Hausverteilungen sowie der Unterstützung der Aktivitäten in Nachbargemeinden sollen ca. 1.600 Einwände an das Landesamt versandt worden sein. Es bleibt also abzuwarten, ob sich das Landesamt als Anhörungsbehörde die Einwände anhört, oder ob es erneut zu einem Diktat der Behörden kommt. Zu gegebener Zeit werden wir die Gegenwind-LeserInnen über den Ausgang dieses Verfahrens unterrichtet.

Wilhelm Schoßmeier

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