(Gegenwind 158, November 2001)

Nächster Gorleben-Castor soll Anfang November rollen:

Auftakt in Lüneburg

Aktuelle Informationen:
Infotelefon 04131/48599
www.ligatomanlagen.de

Es ist dieses Jahr zum zweiten Mal soweit: Anfang November soll noch ein Transport mit sechs Castor-Behältern aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague nach Gorleben rollen.
Am 24. März diesen Jahres zeigten 16.000 DemonstrantInnen in Lüneburg, dass der so genannte Atomkonsens kein gesellschaftlicher Konsens ist und es Bundesregierung und der Atomwirtschaft nicht gelang, das neue Atomprogramm als Ausstieg zu verkaufen.


Der Atomtransport nach Gorleben im Frühjahr war der erste nach dem 1998 von Angela Merkel wegen des Kontaminationsskandals verhängten Transportestopps. Er war der erste unter einer rot-grünen Bundesregierung und er war der Erste nach dem sogenannten "Atomkonsens". Zusätzlich kam dem Castor im Frühjahr die Bedeutung als Türöffner für eine Lawine von Transporten in die Wiederaufarbeitung zu. Und der anstehende November-Castor? Er ist der erste Zweite. Diesmal wird es zwei Auftaktkundgebungen zu den Tag-X-Aktionen geben, im Norden und im Süden: in Lüneburg und in Karlsruhe.

Warum Castor?
Dass die Forderung nach der weltweiten Stillegung aller Atomanlagen nicht im Parlament, sondern nur auf der Straße durchzusetzen ist, ist unlängst am "Atomkonsens" noch einmal deutlich geworden. Deshalb stellt sich die Anti-Atom-Bewegung gegen die Verschiebung von Atommüll quer. Atomtransporte gaukeln vor, irgendjemand auf diese Welt hätte eine Lösung für die Endlagerung von hochradioaktivem Müll. Sie sind im Gegensatz zu den festungsartig ausgebauten Kraftwerken leichter zu behindern. Sie zu stören, bedeutet den reibungslosen Weiterbetrieb der Anlagen zu stören. Denn laufen den Betreibern die Abklingbecken über, weil sie nicht transportieren können, muss abgeschaltet werden.

Heißer März und heißer Herbst
Elfeinhalb Jahre konnte die Anti-Atom-Bewegung die Einlagerung von hochradioaktiven, abgebrannten Brennelementen in dem so genannten Zwischenlager in Gorleben verhindern, bis im April 1995 der erste Castor unter Einsatz von 16.000 Polizisten durchgebracht wurde. Jetzt versuchen Betreiber und Bundesregierung das erste Mal zwei Gorleben-Transporte in einem Jahr gegen den Widerstand der Anti-Atom-Bewegung durchzusetzen. Je ein Atommüllzug mit 12 Behältern pro Jahr sind für die Zukunft angekündigt. Transporte in und aus der Wiederaufarbeitung drohen Normalität zu werden. Mit jedem weiteren Zwischenlagerbehälter, der in Gorleben eingelagert wird, droht die Zementierung des Salzstockes als Endlagerstandort. Damit droht auch die Inbetriebnahme der Pilotkonditionierungsanlage (PKA), in der die endlagerfähige Verpackung von hochradioaktivem Müll getestet werden und die zunächst als Reparaturzelle für defekte, beladene Castoren dienen soll.

Deshalb: Auf nach Lüneburg!
Lüneburg ist das Tor zum Wendland, das Nadelöhr. Jeder Transport mit hochradioaktivem Atommüll, der in das so genannte Zwischenlager rollt, muss immer mitten durch diese Stadt. Göttingen, Kassel, Hannover kann er weiträumig umfahren, wenn dort widerständige DemonstrantInnen auf der Schiene vermutet werden. Aber in Lüneburg ist der Anfang von "50 + 20": 50 Kilometer Schienenstrecke und 20 Kilometer Straßenstrecke, über die die strahlende Fracht auf jeden Fall transportiert werden muss. Hier beginnen 50 Kilometer eingleisige Schienenstrecke nach Dannenberg, auf der schon Tage, bevor der Atommüllzug kommt, der normale Personenverkehr eingestellt ist. Außerdem sitzt hier die Bezirksregierung, die im Frühjahr in einer Allgemeinverfügung ein Demonstrationsverbot in einem 50-Meter-Korridor entlang der Transportstrecke ausgesprochen hat.

Zeichen setzen
Profite zählen im Kapitalismus mehr als Menschenleben. Wer sich dem in den Weg stellt, wird beiseite geschafft oder als ChaotIn denunziert. Das haben AtomkraftgegnerInnen mit GlobalisierungsgegnerInnen in Genua, Seattle oder anderswo gemeinsam. Genauso wie mit MigrantInnen, die in aller Welt auf der Suche nach Überlebensräumen sind, wie indigene Bäuerinnen in Chiapas/Mexiko oder die von Vertreibung bedrohten Menschen in Itoiz/Baskenland. Es reicht nicht, gegen den Castor zu sein. In unseren Protesten müssen wir uns auch gegen jede Form der Ausbeutung und Unterdrückung der Menschen wenden. Egal ob sie ökonomisch, rassistisch, sexistisch oder sonstwie daherkommt.
Zur Zeit geistern täglich absurde Vorschläge zur inneren "Sicherheit" aus allen politischen Lagern durch die Presse. Der weiteren Einschränkung von Grundrechten, dem fortschreitenden Abbau des sowieso schon mageren Datenschutzes und der Kriminalisierung von Andersdenkenden werden Tür und Tor geöffnet. Auf der Kundgebung in Lüneburg wird hierzu Wolf-Dieter Narr vom Komitee für Grundrechte und Demokratie reden.
Joachim Hirsch von der Universität Frankfurt ist eingeladen, darüber zu sprechen, dass Atomenergie und alles, was damit zusammenhängt, nicht nur unser Problem ist, sondern dass Menschen in aller Welt für unseren Wohlstand bezahlen müssen.
Über das neue Atomgesetz und die Hintergründe der aktuellen atompolitischen Entwicklung wird die BUND-Landesvorsitzende in Niedersachsen Renate Backhaus reden.

Auftakt am Samstag vor dem Transport
Der Demonstrationszug wird um 10 Uhr auf den Sülzwiesen beginnen. Zusätzlich wird am Bahnhof ein Sammelpunkt für alle die sein, die mit der Bahn anreisen.
Wir werden an der AVACON, einer Tochterfirma der E.ON und dem Lüneburger Amtsgericht vorbei zur Abschlusskundgebung vor der Bezirksregierung ziehen. Mit der Wahl des Kundgebungsortes wollen wir unseren Protest gegen diese Institution zum Ausdruck bringen, die den Polizeieinsatz koordiniert, die Befehle erteilt und massiv unsere Grundrechte einschränkt.
Also: Auf nach Lüneburg! Zusätzlich werden AtomkraftgegnerInnen aus dem Süden der Republik in Karlsruhe auf die Straßen gehen, um zu zeigen, dass der Widerstand gegen Atomanlagen nicht nur im Norden lebt, weil hier die Leute Angst haben, dass der Dreck vor ihrer Haustüre gelagert wird.
Der genaue Zeitpunkt für den Transport und damit die Demo sind noch nicht durchgesickert. Aber Polizeieinsatzleiter Reime stellt klar: "Der Castor rollt nur bei offener Witterungslage." Außerdem werden spätestens im Dezember Bundesgrenzschutz und Polizei bei der Verteilung des Euro gebraucht. In welcher Woche der Termin auch liegen wird, fest steht: Auftakt ist am Samstag vor dem Transport.
Genauere Informationen gibt es beim Lüneburger Infotelefon 04131/48599, das in den Tagen des Transportes auch wieder rund um die Uhr besetzt ist. Unter www.ligatomanlagen.de gibt es außerdem rechtzeitig Anfahrtsbeschreibungen, den neuesten Stand der Dinge und Plakate und Aufruftexte zum Anschauen. Bestellbar sind sie bei der BI Lüchow-Dannenberg unter Tel. 05841/4684 oder Fax 05841/3197. Außerdem gibt es für alle weit Anreisenden eine Schlafplatzbörse, die unter Tel. 04131/682516 oder per e-mail zu erreichen ist.
Für die Stilllegung aller Atomanlagen weltweit!

Pressegruppe ABC

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